»Der Geruch von Kunst«
Digitale Marktplätze werden die klassische Kunstmesse nicht verdrängen. Stattdessen lassen sich Galeristen, Organisatoren immer neue Modelle einfallen.
Die Messesaison hat begonnen. Gerade schloss die Arco in Madrid, bald folgen die Art Dubai und die Art Basel Hongkong. Mehr als 200 Messen finden jährlich statt. Genau 51 Jahre alt ist das Format, das 1967 als Kölner Kunstmarkt von Galeristen begonnen wurde. Damals revolutionierte es den Kunsthandel und verschaffte dem Markt eine breitere Öffentlichkeit.
Heute dienen die Plattformen längst nicht mehr nur dem An- und Verkauf von Kunst. Kunstmessen sind zum Instrument von Stadtmarketing, vor allem zu einem gewinnträchtigen Geschäftsmodell geworden. Darum erstaunt es auch nicht, dass in Städten mit einer erfolgreichen Kunstmesse flugs noch weitere hinzukommen, und das noch gern zeitgleich mit den Platzhirschen. Zwar scheiterte diese Strategie gerade in Brüssel. Die 2010 in New York gegründete Independent Art Fair hängte sich zeitgleich an die traditionsreiche Art Brussels an. Nach zwei Ausgaben ist der Neuling heuer aber in den November ausgewichen. Der Hoffnung auf Synergien schadet das nicht, die nächsten Projekte sind schon in Planung, auch für Wien. Aber hat dieses Modell in Zeiten von Internetkäufen überhaupt noch eine Zukunft? Steigende Umsätze. Der jährliche Hiscox-Online-Handelsreport gibt kontinuierlich steigende Umsatzzahlen bekannt. Allerdings ist der Report auf die USA konzentriert. 57 Prozent der Käufer sind zwischen 25 und 34 Jahre alt, 79 Prozent kauften Ware unter 5000 Dollar ein. Bei Auktionen mache der Onlineanteil acht Prozent aus, rechnet der Report vor. Wie sehen das die österreichischen Händler? „Am Anfang waren die Onlineportale interessant“, erklärt die Wiener Galeristin Ursula Krinzinger. Über Artsy hätten sie durchaus verkauft, wenn auch nicht viel. Mittlerweile ist das Angebot dort zu undifferenziert. Galeristin Nathalie Halgand ist Kundin bei Artspace, die nicht wie Artsy eine jährliche Gebühr, sondern eine 20-Prozent-Kommission im Fall eines Verkaufs verrechnen, darin Transport und Versicherung inkludiert. Bisher konnte sie darüber eher niedrigpreisige Werke handeln. Ihre Kollegin Lisa Kandlhofer kommt zum Schluss: „Onlineportale sind keine Alternative zu Messen, die Verkäufe laufen da eher schleppend.“Messen, darin sind sich alle einig, sind daher notwendig, denn der direkte Kontakt ist unersetzbar.
„Der Kunstkauf ist noch immer ein Erlebnis, der Geruch von Kunst, die Verwendung der Sinne spielt eine große Rolle dabei“, fasst es Silvia Steinek zusammen. Allerdings muss die Qualität der Messe stimmen: „Galerien erwarten von Messen eine internationale Sichtbarkeit und eine Erweiterung ihres Kundenstocks“, erklärt Martin Janda, „und das können die wenigsten Messen einlösen“. Trotzdem: Messen sind die „beste Plattform für Künstler, und zwar jede Messe, auch die kleinen. Dort schauen sich viele Kuratoren um“und „Sammler lieben Neuentdeckungen“. Ursula Krinzinger: „Für die österreichischen Künstler ist es absolut wichtig, international gesehen zu werden.“
Aber Messen sind kostenintensiv. Standgebühren, Reisekosten, Mitarbeiter, Transporte, Versicherungen – auf rund 700.000 Euro kommt die Galerie Krinzinger jährlich, allein für die Art Basel Miami fallen 250.000 Euro an. Oft beginnen die Kosten bereits mit der Anmeldung, für die die Art Basel 450 bis 550 Dollar fordert, was ihr bei rund 720 Einreichungen schon einen ordentlichen Gewinn bringt. Inhaber der Art Basel ist die MCH Group, die 90 Messen jährlich veranstaltet. Die gewinnträchtigsten sind die Art Basel und die biennale Uhrenmesse Baselworld, für die eigens eine zehn Meter hohe Halle gebaut wurde. Diese Raumhöhe konnte bisher auch von der Art-Basel-Sektion Unlimited mit überdimensional großen Skulpturen genutzt werden. Seit heuer bleiben jedoch die mehrstöckigen Standbauten der Baselworld ganzjährig stehen, Unlimited muss in das weitaus niedrigere obere Stockwerk ausweichen.
Aber nicht alle Messen sind nur auf Gewinnmaximierung ausgerichtet. 2013 gründeten fünf Galeristen die Chart Art Fair in Kopenhagen. Teilnahme auf Einladung, Bedingung: Es muss nordische Kunst vertreten sein. Kosten: 5000 bis 8000 Euro. „Wir veranstalten die Messe nicht, um einen Gewinn zu machen“, betont Chart-Direktor Simon Friese, jeder Gewinn wird investiert. 6000 Euro ist auch die Untergrenze der neuen Messe Nomad.
Die Affordable Art Fair bekommt vielleicht einen Ableger in Wien.
Häuser statt Hallen. Die Gründer Giorgio Pace und Nicolas Bellavance-Lecompte sprechen von „Schauräumen“, Austragungsort sind nicht Hallen, sondern Häuser – exklusive Orte, die Geschichten erzählen können. So fand die Nomad St. Moritz heuer im Februar im tief verschneiten Engadin in den vielen Zimmern des Museums für historische Wohnkultur Chesa Planta statt. Der Besuch der Nomad kostet keinen Eintritt, Besucher müssen sich jedoch vorab online registrieren. Schwerpunkt der Messe sind Design und „collectibles“, also limitierte Sammlungsstücke der angewandten Kunst. 20 Galerien nahmen teil, darunter die Galerie Skarstedt mit Zeichnungen von George Condo, Marlborough Contemporary mit einem Teppich von Francis Bacon, Massimo de Carlo mit Keramikobjekten, Eva Presenhuber mit Kunst von Doug Aitken.
Im nächsten Jahr will das NomadTeam die Nähe zur Kunst bzw. Kunstkundschaft weiter ausbauen und startet eine neue Kunstmesse: den „Wintersalon Sommet“im Maloja-PalaceHotel im Engadin, wo Mitbesitzer Will Ramsey enormes Potenzial in den wohlhabenden Feriengästen sieht. Und übrigens auch in Wien. Der Gründer der Affordable Art Fair überlegt, einen Ableger in die Donaustadt zu bringen. Gibt es hier überhaupt Interesse an einer Parallelmesse? „Sicherlich, aber es braucht neue Modelle“, formuliert es Janda diplomatisch.