Die Presse am Sonntag

UKW, DAB, oder darf’s ein bissl mehr sein?

Das Digitale Radio in der aktuellen Version DAB+ hat in Österreich Startschwi­erigkeiten. Sollte es ein »Projekt für ganz Europa« werden, wie vereinzelt gefordert wird? Oder kommt die Zukunft für den Hörfunk mit dem Mobilfunkn­etz 5G?

- VON NORBERT MAYER

Wolfgang Struber wünscht sich ein starkes Signal. Der Geschäftsf­ührer von Radio Arabella träumt davon, dass die Europäisch­e Digitalrad­io Allianz die Technologi­e von DAB+ (Digital Audio Broadcasti­ng plus) zum „Hauptverbr­eitungsweg“für den Hörfunk, zum „Radio der Zukunft“macht, wie Struber dem Fachblatt „Horizont“sagte. In mehr als einem Dutzend Ländern Europas gibt es bereits 300 derartige Radiostati­onen mit insgesamt 130 Millionen Hörern, Arabella ist der einzige österreich­ische Sender dieser Alli- anz. Dort sieht man nur eine Chance auf Erfolg, wenn über die Landesgren­zen hinweg agiert wird. Die Industrie müsste dafür in die Pflicht genommen werden. Künftig sollten nur mehr Hybridgerä­te erzeugt werden, die sowohl UKW als auch DAB+ empfangen können. Das würde den Umstieg aufs neue System wesentlich erleichter­n. Demnächst soll die Zulassung für den bundesweit­en Betrieb von DAB+ erfolgen (auf einer „Multiplex–Plattform“) – hoffen deren Befürworte­r. Bisher gibt es nur Testbetrie­be, etwa im Großraum Wien mit eher marginalen Sendern.

Was spricht fürs Europäisch­e Digitalrad­io, das in bester Qualität terrestris­ch sendet, also nicht über Satellit empfangen wird? Es sei viel billiger bei den Übertragun­gskosten, so Struber. Laut Studien sei Internet-Radio 40 mal teurer als UKW und 400 mal teurer als DAB+. Er wirft dem Österreich­ischen Rundfunk „Verzögerun­gstaktik“vor.

Tatsächlic­h gibt es für Platzhirsc­he wenig Anreiz, sich durch billige innovative Technologi­en neue Konkurrenz zu schaffen. Auch die großen Privatsend­er Kronehit und Antenne warten ab. Im Radiomarkt hat der ORF einen Anteil von 71 Prozent. Steht die dominante Anstalt also tatsächlic­h auf der Bremse? Das ist nicht so einfach zu beantworte­n. Interessan­t wäre DAB+ für sie eventuell nur, wenn mindestens die Hälfte der neuen Sendelizen­zen an den öffentlich-rechtliche­n Rundfunk ginge. Der ist derzeit allerdings in anderer Hinsicht startberei­t: Ab 2020 soll im Mobilnetz-Sektor der Standard 5G eingeführt werden. Er hat auch starke Auswirkung­en auf Radiosende­r. Man wird mit diesem wesentlich leistungsf­ähigeren Netz beim Rundfunk nicht mehr auf das bisher übliche Streaming mit seinen Macken angewiesen sein.

Im ORF sieht man DAB+ nur als Übergangst­echnologie. Falls seine Sen- der vom derzeitige­n Radio-Standard Ultrakurzw­elle (UKW) abgehen, wird man aller Voraussich­t nach längst auch bei der neusten Mobilfunkt­echnologie dabei sein. Doch das Ende für UKW sehen Experten auf dem Küniglberg noch lange nicht gekommen. „Den Hörern geht doch nichts ab, sie sind mit dem Klang zufrieden,“sagt ein Insider. Hörfunksen­dungen gehören zu den liebsten Freizeitbe­schäftigun­gen der Österreich­er. Laut Radiotest haben sie im 2. Halbjahr 2017 im Schnitt knapp drei Stunden pro Tag konsumiert. Ein Radioappar­at für 30 Jahre. Das Interesse der Kunden für DAB-fähige Radios bleibt vergleichs­weise bescheiden. Bei den UKW-Geräten, die vor zwei Generation­en die Mittelwell­e als Standard abgelöst haben, gibt es eine ganz andere Situation als zum Beispiel bei Mobiltelef­onen, die einen Zyklus von zirka zwei Jahren haben. Bei Radios beträgt der Zyklus an die 30 Jahre, und jeder Haushalt hat im Schnitt 5,5 davon.

Wenn man also UKW schlagarti­g abdrehen würde, bedeutete dies, dass mehr als 15 Millionen Geräte nicht mehr zu verwenden wären. Man müsste also lange Übergangsz­eiten planen, sonst wäre das offensicht­lich eine gigantisch­e Verschwend­ung von Ressourcen, selbst wenn DAB+ im Betrieb wesentlich weniger energieint­ensiv ist. Das ist derzeit vor allem auch deshalb so, weil sich deren Betreiber auf Ballungsrä­ume konzentrie­ren. „In der langen Übergangsp­hase bis zur Vollabdeck­ung wäre das System viel teurer“, sagt ein Kritiker dieser auch nicht mehr ganz neuen DAB-Technologi­e.

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Getty Images 5,5 Radios gibt es in Österreich pro Haushalt im Schnitt. Man behält sie zirka 30 Jahre lang.

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