»Ich halte mich nicht für unersetzbar«
In der Umstellungsphase der FPÖ habe es »den ein oder anderen Reibungsverlust« gegeben, sagt Innenminister Herbert Kickl. Er kündigt eine Geheimdienstreform an, über »grundlegende Dinge« in der BVT-Causa war er informiert.
Wie war denn der Umstieg vom FPÖGeneralsekretär zum Innenminister? Herbert Kickl: Es ist ein Sprung ins kalte Wasser. Man betritt ein Schiff in voller Fahrt mit eingespielter Crew, und es dauert, bis man den Kurs in Richtung Regierungsprogramm bringen kann. Es heißt ja, Sie wären ursprünglich lieber Klubobmann als Innenminister geworden. Es hat beide Optionen gegeben, wir haben darüber beraten. Klubobmann wäre spannend gewesen, auch weil man die Position als Regierungspartei anders angehen muss. Das Innenressort ist aber auch eine große Herausforderung. Hier sind wir im Kernbereich freiheitlicher Politik drin. Ich habe mir gedacht: Wenn schon, denn schon. Hat Ihr Wechsel ins Innenressort der FPÖ bis zu einem gewissen Grad geschadet? Man hat den Eindruck, es fehlt nun jemand in der Partei, der die Dinge zusammenhält. Wollen Sie mir jetzt ein Kompliment machen? Wenn Sie so wollen. Ich halte mich nicht für unersetzbar. Die Oppositionsrolle ist eine andere als jene eines Koalitionspartners. Eine Veränderung hätte es also sowieso gebraucht. Dass es bei jeder Umstellung den ein oder anderen Reibungsverlust gibt, liegt auf der Hand. Die Liederbuchaffäre und die Debatte rund um das Rauchverbot kamen für die FPÖ sehr ungelegen. Waren Sie mit dem Krisenmanagement zufrieden? In der Liederbuchaffäre können wir uns als Partei keinen Vorwurf machen. Als Innenminister habe ich dafür gesorgt, dass den Behörden eine entsprechende Überprüfung aufgetragen wird. Die Frage des Rauchverbots sehe ich als Win-Win-Situation für uns: Letzten Endes wird der große Sieger die direkte Demokratie sein. Klingt nach einer nachträglichen Behübschung. Aber wenn die direkte Demokratie der Sieger sein wird – sind Sie dann auch für eine Volksabstimmung über das Rauchverbot? Wir haben ja nicht aus Jux und Tollerei die Stärkung der direkten Demokratie in das Regierungsprogramm geschrieben. Aber erst ab 2021 und Volksabstimmungen ab 900.000 Unterstützern. Aber mit verbindlichem Ausgang. Das wäre der demokratiepolitische Durchbruch: Wenn wir es schaffen, dass eine Bürgerinitiative zu einer verbindlichen Abstimmung führt. Wenn es 900.000 Unterstützer hat, kommt eine Volksabstimmung zum Rauchverbot? Ein Schritt nach dem anderen. Wir werden sehen, was am Ende beim Volksbegehren herauskommt. Die sogenannte BVT-Affäre hatten Sie in der Außenwirkung wohl auch nicht eingeplant. War die Vorgangsweise von Generalsekretär Peter Goldgruber mit Ihnen abgestimmt? Was meinen Sie mit Vorgangsweise? Die Hausdurchsuchungen, die Art, wie sie durchgeführt wurden, die Polizeieinheit, die dafür eingesetzt wurden. Ich war über grundlegende Dinge informiert. Es gab die Mutmaßung, Sie seien sauer auf Goldgruber gewesen, weil er Ihnen damit Probleme eingebrockt habe. Die Vorwürfe, die gegen Mitarbeiter im Raum standen, waren ja schon länger bekannt. Als Innenminister muss ich meinen Beitrag zur Aufklärung leisten. Wie lang wird der eigentliche Chef des BVT, Peter Gridling, suspendiert bleiben? Er hat einen Einspruch gegen die Suspendierung erhoben. Wir werden sehen, was rauskommt. Wird es eine Geheimdienstreform geben? Kein Nachrichtendienst bleibt in seiner Form statisch, es ist immer ein dynamischer Prozess. Der jetzige BVT-Leiter Dominik Fasching wird prüfen, wo es Verbesserungsbedarf gibt und ein Gesamtpaket vorlegen. Eine Verschmelzung der Geheimdienste soll es aber nicht geben. Sie könnten aber bei der Erstellung eines Lagebildes besser kooperieren. Was machen Sie bei der Amtsführung anders als Ihre Vorgänger? Wir haben eine etwas deutlichere Außenkommunikation in Fragen der Sicherheit und des Asylwesens. War Ihr Vorgänger Wolfgang Sobotka in seiner Außenkommunikation nicht deutlich? Doch, aber zum Regieren gehören immer zwei. Die SPÖ ist in vielen Bereichen sicher auf der Bremse gestanden. Da tu ich mir jetzt leichter. Sie haben zu Beginn Ihrer Amtszeit gemeint: „Die Sicherheit in Österreich ist sehr gut, wir haben aber ein kleines Problem, wenn es um das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung geht.“Ist Österreich also sicherer, als die Menschen glauben? Rund um 2015 hat die Bevölkerung einen Kontrollverlust, eine Verantwortungslosigkeit der Entscheidungsträger erlebt. Das war fast eine traumatische Erfahrung, die Aufarbeitung wird länger dauern. Außerdem zeigt sich um Österreich, dass eine neue Form des Terrors in Europa angekommen ist. Aber ist Österreich faktisch sicherer, als es die Menschen empfinden? Das, was messbar ist, ist die eine Seite. Es gibt aber auch eine andere. Und beide stimmen. Hat nicht Ihre Partei auch dazu beigetragen, die Menschen zu verunsichern? Unter anderem wurde vor einem mittelfristigen Bürgerkrieg gewarnt. Das macht heute der Herr Strolz (Neos-Chef, Anm.) übrigens auch. Ja – so wie Ihr Parteichef Strache damals. Offensichtlich war er Vorreiter. Schau- en Sie sich an, wie 2015 über die Migrationsfrage gesprochen wurde und wie man es jetzt tut. Es hat sich viel getan. Die Initialzündung waren die FPÖ-Erfolge und die Art der Kommunikation. Bundeskanzler Sebastian Kurz würde Ihnen da jetzt wahrscheinlich widersprechen. Er hat es dann ja auch irgendwann erkannt. Er sagt ja gern, er war der Erste. Das mag schon sein, dass er das behauptet. Ich weiß nicht, ob das einer objektiven Prüfung wirklich standhält. Aber wir wollen keinen Vaterschaftsstreit haben. Das Ergebnis zählt. Laut Kriminalstatistik sinken die Anzeigen in Österreich um 5,1 Prozent, die Gewaltkriminalität um 2,4 Prozent. Zwei Drittel dieser Taten werden aber im familiären Umfeld verübt. Was planen Sie in der Prävention? Unsere Staatssekretärin Karoline Edtstadler arbeitet an einem Projekt zu weiteren Verschärfungen bei Gewalt gegen Frauen. Es gilt aber auch, das Bewusstsein dafür zu schaffen, nicht wegzusehen. Wenn es um die Wegweisungen geht, haben wir auf europäischer Ebene eine Vorreiterrolle. Laut einer Studie gibt es hier eineinhalb mehr Tötungen von Frauen im Beziehungskontext als in Spanien oder Großbritannien. Ich höre von Ressortkollegen, dass Österreich bei Wegweisungen ein internationales Vorbild ist. Aber natürlich: Man kann immer besser werden. Wir fragen auch deshalb, weil in den vergangenen Wochen viel über das Fremdenrecht gesprochen wurde. Über den größeren Anteil an Straftaten, jene im familiären Bereich, hört man vergleichsweise wenig. Das mag schon sein. Aber Sie wissen auch, wo der Schuh im Bewusstsein der Bevölkerung am meisten drückt. Die Anzahl der Straftaten von Inländern steigt um 0,1 Prozent, jene der Ausländer um 0,2. Sollten Sie nicht deeskalierend vorgehen, wenn Sicherheitsgefühl steigen soll? Wir tun das ohnehin. Aber wegschauen wollen wir auch nicht.
Seit Dezember 2017
ist Herbert Kickl Innenminister der türkis-blauen Regierung.
Im Jahr 2005
wurde er Generalsekretär der FPÖ. Ein Jahr später zog er in den Nationalrat ein und widmete sich vor allem den Sozialthemen.
Der 49-jährige
gebürtige Kärntner leitete in den vergangenen Jahren die Wahlkämpfe der Partei und gilt als Chefideologe der FPÖ. Er ist ein enger Wegbegleiter von Parteichef Heinz-Christian Strache.
Im Jahr 1988
begann er an der Uni Wien ein Studium der Publizistik sowie der Philosophie. Natürlich, es geht um die Kommunikation. Wenn Sie davon sprechen, dass wir auch österreichische Straftäter haben, gebe ich Ihnen recht. Das ist ein gesondertes Problem. Aber die Sensibilität der Bevölkerung ist dort am meisten ausgeprägt, wo man Menschen Schutz bietet, und sie Konflikte importieren. Laut Ihrem Fremdenrechtsänderungspaket soll Asylwerbern Bargeld bis zu 840 Euro abgenommen werden. Die Kosten dafür machen bei 15.000 Menschen mehr als eine Million aus. Zahlt sich das aus? Wenn ich allen den Betrag abnehme, habe ich zwölf Millionen Euro, nach Abzug der Kosten elf Millionen. Es geht aber auch um den zeitlichen und personellen Aufwand, außerdem soll jede Person 120 Euro behalten dürfen. Glauben Sie, dass Sie tatsächlich so viel einnehmen? Es gibt mehrere Stufen bei der Kostenschätzung. Genau können wir es nicht wissen. Es ist aber bekannt, dass Menschen mit einer gewissen Barschaft kommen. Stimmen Sie den Aussagen von FPÖ-Stiftungsrat Norbert Steger über den ORF zu? Dem aufmerksamen Beobachter ist wohl nicht entgangen, dass die UngarnBerichterstattung eine gewisse Schlagseite hatte. Es tut dem ORF nicht gut, sich diesem Verdacht auszusetzen. Tut es dem Staat Österreich gut, wenn ein Mitglied einer Regierungspartei ORF-Korrespondenten mit Rauswurf droht? Darüber kann man diskutieren. Als öffentlich-rechtlicher Rundfunk, der Gebühren einhebt, darf man aber nicht zartbesaitet sein und sollte überlegen, ob es nicht einen sachlichen Kern gibt. Wie stehen Sie zu Ihrer Cousine Daniela Kickl, die einen FPÖ-kritischen Blog betreibt? Mein Vater entstammt einer Großfamilie mit 13 Geschwistern, da kommen eine Menge Cousins zusammen. Ich hatte zwei Mal etwas mit ihr zu tun, einmal hat sie sich bei der FPÖ beworben. Ich muss nicht alles kommentieren, was wer von sich gibt. Auch wenn er oder sie denselben Namen trägt.