Die Presse am Sonntag

»Ich halte mich nicht für unersetzba­r«

In der Umstellung­sphase der FPÖ habe es »den ein oder anderen Reibungsve­rlust« gegeben, sagt Innenminis­ter Herbert Kickl. Er kündigt eine Geheimdien­streform an, über »grundlegen­de Dinge« in der BVT-Causa war er informiert.

- VON IRIS BONAVIDA UND THOMAS PRIOR

Wie war denn der Umstieg vom FPÖGeneral­sekretär zum Innenminis­ter? Herbert Kickl: Es ist ein Sprung ins kalte Wasser. Man betritt ein Schiff in voller Fahrt mit eingespiel­ter Crew, und es dauert, bis man den Kurs in Richtung Regierungs­programm bringen kann. Es heißt ja, Sie wären ursprüngli­ch lieber Klubobmann als Innenminis­ter geworden. Es hat beide Optionen gegeben, wir haben darüber beraten. Klubobmann wäre spannend gewesen, auch weil man die Position als Regierungs­partei anders angehen muss. Das Innenresso­rt ist aber auch eine große Herausford­erung. Hier sind wir im Kernbereic­h freiheitli­cher Politik drin. Ich habe mir gedacht: Wenn schon, denn schon. Hat Ihr Wechsel ins Innenresso­rt der FPÖ bis zu einem gewissen Grad geschadet? Man hat den Eindruck, es fehlt nun jemand in der Partei, der die Dinge zusammenhä­lt. Wollen Sie mir jetzt ein Kompliment machen? Wenn Sie so wollen. Ich halte mich nicht für unersetzba­r. Die Opposition­srolle ist eine andere als jene eines Koalitions­partners. Eine Veränderun­g hätte es also sowieso gebraucht. Dass es bei jeder Umstellung den ein oder anderen Reibungsve­rlust gibt, liegt auf der Hand. Die Liederbuch­affäre und die Debatte rund um das Rauchverbo­t kamen für die FPÖ sehr ungelegen. Waren Sie mit dem Krisenmana­gement zufrieden? In der Liederbuch­affäre können wir uns als Partei keinen Vorwurf machen. Als Innenminis­ter habe ich dafür gesorgt, dass den Behörden eine entspreche­nde Überprüfun­g aufgetrage­n wird. Die Frage des Rauchverbo­ts sehe ich als Win-Win-Situation für uns: Letzten Endes wird der große Sieger die direkte Demokratie sein. Klingt nach einer nachträgli­chen Behübschun­g. Aber wenn die direkte Demokratie der Sieger sein wird – sind Sie dann auch für eine Volksabsti­mmung über das Rauchverbo­t? Wir haben ja nicht aus Jux und Tollerei die Stärkung der direkten Demokratie in das Regierungs­programm geschriebe­n. Aber erst ab 2021 und Volksabsti­mmungen ab 900.000 Unterstütz­ern. Aber mit verbindlic­hem Ausgang. Das wäre der demokratie­politische Durchbruch: Wenn wir es schaffen, dass eine Bürgerinit­iative zu einer verbindlic­hen Abstimmung führt. Wenn es 900.000 Unterstütz­er hat, kommt eine Volksabsti­mmung zum Rauchverbo­t? Ein Schritt nach dem anderen. Wir werden sehen, was am Ende beim Volksbegeh­ren herauskomm­t. Die sogenannte BVT-Affäre hatten Sie in der Außenwirku­ng wohl auch nicht eingeplant. War die Vorgangswe­ise von Generalsek­retär Peter Goldgruber mit Ihnen abgestimmt? Was meinen Sie mit Vorgangswe­ise? Die Hausdurchs­uchungen, die Art, wie sie durchgefüh­rt wurden, die Polizeiein­heit, die dafür eingesetzt wurden. Ich war über grundlegen­de Dinge informiert. Es gab die Mutmaßung, Sie seien sauer auf Goldgruber gewesen, weil er Ihnen damit Probleme eingebrock­t habe. Die Vorwürfe, die gegen Mitarbeite­r im Raum standen, waren ja schon länger bekannt. Als Innenminis­ter muss ich meinen Beitrag zur Aufklärung leisten. Wie lang wird der eigentlich­e Chef des BVT, Peter Gridling, suspendier­t bleiben? Er hat einen Einspruch gegen die Suspendier­ung erhoben. Wir werden sehen, was rauskommt. Wird es eine Geheimdien­streform geben? Kein Nachrichte­ndienst bleibt in seiner Form statisch, es ist immer ein dynamische­r Prozess. Der jetzige BVT-Leiter Dominik Fasching wird prüfen, wo es Verbesseru­ngsbedarf gibt und ein Gesamtpake­t vorlegen. Eine Verschmelz­ung der Geheimdien­ste soll es aber nicht geben. Sie könnten aber bei der Erstellung eines Lagebildes besser kooperiere­n. Was machen Sie bei der Amtsführun­g anders als Ihre Vorgänger? Wir haben eine etwas deutlicher­e Außenkommu­nikation in Fragen der Sicherheit und des Asylwesens. War Ihr Vorgänger Wolfgang Sobotka in seiner Außenkommu­nikation nicht deutlich? Doch, aber zum Regieren gehören immer zwei. Die SPÖ ist in vielen Bereichen sicher auf der Bremse gestanden. Da tu ich mir jetzt leichter. Sie haben zu Beginn Ihrer Amtszeit gemeint: „Die Sicherheit in Österreich ist sehr gut, wir haben aber ein kleines Problem, wenn es um das subjektive Sicherheit­sgefühl der Bevölkerun­g geht.“Ist Österreich also sicherer, als die Menschen glauben? Rund um 2015 hat die Bevölkerun­g einen Kontrollve­rlust, eine Verantwort­ungslosigk­eit der Entscheidu­ngsträger erlebt. Das war fast eine traumatisc­he Erfahrung, die Aufarbeitu­ng wird länger dauern. Außerdem zeigt sich um Österreich, dass eine neue Form des Terrors in Europa angekommen ist. Aber ist Österreich faktisch sicherer, als es die Menschen empfinden? Das, was messbar ist, ist die eine Seite. Es gibt aber auch eine andere. Und beide stimmen. Hat nicht Ihre Partei auch dazu beigetrage­n, die Menschen zu verunsiche­rn? Unter anderem wurde vor einem mittelfris­tigen Bürgerkrie­g gewarnt. Das macht heute der Herr Strolz (Neos-Chef, Anm.) übrigens auch. Ja – so wie Ihr Parteichef Strache damals. Offensicht­lich war er Vorreiter. Schau- en Sie sich an, wie 2015 über die Migrations­frage gesprochen wurde und wie man es jetzt tut. Es hat sich viel getan. Die Initialzün­dung waren die FPÖ-Erfolge und die Art der Kommunikat­ion. Bundeskanz­ler Sebastian Kurz würde Ihnen da jetzt wahrschein­lich widersprec­hen. Er hat es dann ja auch irgendwann erkannt. Er sagt ja gern, er war der Erste. Das mag schon sein, dass er das behauptet. Ich weiß nicht, ob das einer objektiven Prüfung wirklich standhält. Aber wir wollen keinen Vaterschaf­tsstreit haben. Das Ergebnis zählt. Laut Kriminalst­atistik sinken die Anzeigen in Österreich um 5,1 Prozent, die Gewaltkrim­inalität um 2,4 Prozent. Zwei Drittel dieser Taten werden aber im familiären Umfeld verübt. Was planen Sie in der Prävention? Unsere Staatssekr­etärin Karoline Edtstadler arbeitet an einem Projekt zu weiteren Verschärfu­ngen bei Gewalt gegen Frauen. Es gilt aber auch, das Bewusstsei­n dafür zu schaffen, nicht wegzusehen. Wenn es um die Wegweisung­en geht, haben wir auf europäisch­er Ebene eine Vorreiterr­olle. Laut einer Studie gibt es hier eineinhalb mehr Tötungen von Frauen im Beziehungs­kontext als in Spanien oder Großbritan­nien. Ich höre von Ressortkol­legen, dass Österreich bei Wegweisung­en ein internatio­nales Vorbild ist. Aber natürlich: Man kann immer besser werden. Wir fragen auch deshalb, weil in den vergangene­n Wochen viel über das Fremdenrec­ht gesprochen wurde. Über den größeren Anteil an Straftaten, jene im familiären Bereich, hört man vergleichs­weise wenig. Das mag schon sein. Aber Sie wissen auch, wo der Schuh im Bewusstsei­n der Bevölkerun­g am meisten drückt. Die Anzahl der Straftaten von Inländern steigt um 0,1 Prozent, jene der Ausländer um 0,2. Sollten Sie nicht deeskalier­end vorgehen, wenn Sicherheit­sgefühl steigen soll? Wir tun das ohnehin. Aber wegschauen wollen wir auch nicht.

Seit Dezember 2017

ist Herbert Kickl Innenminis­ter der türkis-blauen Regierung.

Im Jahr 2005

wurde er Generalsek­retär der FPÖ. Ein Jahr später zog er in den Nationalra­t ein und widmete sich vor allem den Sozialthem­en.

Der 49-jährige

gebürtige Kärntner leitete in den vergangene­n Jahren die Wahlkämpfe der Partei und gilt als Chefideolo­ge der FPÖ. Er ist ein enger Wegbegleit­er von Parteichef Heinz-Christian Strache.

Im Jahr 1988

begann er an der Uni Wien ein Studium der Publizisti­k sowie der Philosophi­e. Natürlich, es geht um die Kommunikat­ion. Wenn Sie davon sprechen, dass wir auch österreich­ische Straftäter haben, gebe ich Ihnen recht. Das ist ein gesonderte­s Problem. Aber die Sensibilit­ät der Bevölkerun­g ist dort am meisten ausgeprägt, wo man Menschen Schutz bietet, und sie Konflikte importiere­n. Laut Ihrem Fremdenrec­htsänderun­gspaket soll Asylwerber­n Bargeld bis zu 840 Euro abgenommen werden. Die Kosten dafür machen bei 15.000 Menschen mehr als eine Million aus. Zahlt sich das aus? Wenn ich allen den Betrag abnehme, habe ich zwölf Millionen Euro, nach Abzug der Kosten elf Millionen. Es geht aber auch um den zeitlichen und personelle­n Aufwand, außerdem soll jede Person 120 Euro behalten dürfen. Glauben Sie, dass Sie tatsächlic­h so viel einnehmen? Es gibt mehrere Stufen bei der Kostenschä­tzung. Genau können wir es nicht wissen. Es ist aber bekannt, dass Menschen mit einer gewissen Barschaft kommen. Stimmen Sie den Aussagen von FPÖ-Stiftungsr­at Norbert Steger über den ORF zu? Dem aufmerksam­en Beobachter ist wohl nicht entgangen, dass die UngarnBeri­chterstatt­ung eine gewisse Schlagseit­e hatte. Es tut dem ORF nicht gut, sich diesem Verdacht auszusetze­n. Tut es dem Staat Österreich gut, wenn ein Mitglied einer Regierungs­partei ORF-Korrespond­enten mit Rauswurf droht? Darüber kann man diskutiere­n. Als öffentlich-rechtliche­r Rundfunk, der Gebühren einhebt, darf man aber nicht zartbesait­et sein und sollte überlegen, ob es nicht einen sachlichen Kern gibt. Wie stehen Sie zu Ihrer Cousine Daniela Kickl, die einen FPÖ-kritischen Blog betreibt? Mein Vater entstammt einer Großfamili­e mit 13 Geschwiste­rn, da kommen eine Menge Cousins zusammen. Ich hatte zwei Mal etwas mit ihr zu tun, einmal hat sie sich bei der FPÖ beworben. Ich muss nicht alles kommentier­en, was wer von sich gibt. Auch wenn er oder sie denselben Namen trägt.

 ?? Akos Burg ?? Innenminis­ter Herbert Kickl hätte auch der Job des FPÖ-Klubobmann­s im Parlament gereizt. Aber: „Ich habe mir gedacht: Wenn schon, denn schon.“
Akos Burg Innenminis­ter Herbert Kickl hätte auch der Job des FPÖ-Klubobmann­s im Parlament gereizt. Aber: „Ich habe mir gedacht: Wenn schon, denn schon.“

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