Wo Österreich am österreichischsten ist
Heute wählt Salzburg. Die schwarze Hochburg steht schon wieder, die rote Ära ist fast vergessen. Porträt eines Landes, seiner Parteispitzen und dieses Wahlkampfs.
Salzburg. Wo Österreich am österreichischsten ist. Skiberge und Badeseen, Kunst und Kultur, Tracht und Tradition. Und das alles in durchwegs moderner Ausführung. Mit einer Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung von 48.700 Euro steht Salzburg an der Spitze der österreichischen Bundesländer, die Arbeitslosenrate ist mit 5,3 Prozent die niedrigste.
Dabei ist Salzburg erst seit 200 Jahren bei Österreich. „Das 200-Jahr-Jubiläum 2016 war ein wichtiger Einschnitt für die Identität des Landes, den Zusammenhalt. Auch die Wirtschaft hat das letztlich beflügelt“, sagt ÖVP-Landeshauptmann Wilfried Haslauer. Er sitzt in einem Cafe´ in Hallein und macht kurz Wahlkampfpause. Dem heutigen Wahlsonntag kann er entspannt entgegensehen. Die ökonomischen Eckdaten stimmen, und die anderen Parteien reißen sich förmlich darum, mit ihm zu koalieren.
Lang war der Name Wilfried Haslauer mit dem Zusatz „junior“bzw. den Attributen „Sohn“oder „Rechtsanwalt“versehen gewesen. Doch seit er es 2013 endlich geschafft hat, in die Fußstapfen seines gleichnamigen Vaters, Landes- hauptmann von 1977 bis 1989, zu treten, ist das anders. Erst nun kam auch eines seiner großen Talente so wirklich zur Geltung: Haslauer ist ein brillanter Rhetoriker.
Wie ein Anwalt wirkt Haslauer aber nach wie vor, wenn er wie am Montag vergangener Woche in Hallein Werbesackerln an Passanten und Geschäftsleute verteilt. Freundlich und unverbindlich, aber doch interessiert an dem, was an ihn herangetragen wird. Mit fein dosiertem Schmäh. Und dezenten Hinweisen zur Leistungsgesellschaft. „Ohne Fleiß kein Preis“, meint er zu einer Geschäftsfrau. „Friedlich, freundlich und fleißig“seien die Österreicher, erklärt er einem griechischen Gastronomenpaar. Und zu einem Schüler, der Anwalt werden will, sagt er: „Oh, ein Kollege! Ein schöner Beruf, aber viel arbeiten muss man halt.“Und zwischendurch erzählt er einen Witz: „Ein Bürger kommt zu DDR-Zeiten in ein Geschäft und fragt: ,Habt’s ihr da kan Fisch?‘ Der Verkäufer antwortet: ,Wir haben da ka Fleisch. Kan Fisch gibt’s einen Stock höher.‘“
In Bezug auf das mögliche Wahlergebnis stapelt Haslauer tief, Demut ist angesagt. Doch nicht alle halten sich daran. An einer Kreuzung in Wals ist eine große schwarze Burg mit vier Türmen aufgebaut. „Schwarze Hochburg. Liste 1 – Dr. Willfried Haslauer“steht hier ganz unbescheiden. Finanzskandal. Dass die SPÖ in Salzburg einmal die Landeshauptfrau stellte, scheint vergessen, ein Irrtum der Geschichte. 2004 hatte Gabi Burgstaller Platz eins für die SPÖ erobert. Und im Zuge des Finanzskandals 2013 wieder verloren. Ins Mark habe dieser Skandal die so penibel wirtschaftenden Salzburger, denen Schulden ein Gräuel seien, getroffen, meint Haslauer, der politische Profiteur des Ganzen. Mit 29 zu 24 Prozent hat er Burgstaller 2013 hinter sich gelassen. 2009 war ihm das noch nicht gelungen.
Weder vom Finanzskandal noch von Burgstaller war in diesem Wahlkampf 2018 groß die Rede. Gabi Burgstaller ist in die Arbeiterkammer zurückgekehrt. An größeren Wahlkampfveranstaltungen der SPÖ nehme sie aber teil, wenn sie gefragt werde, denn als Person sei sie nach wie vor sehr beliebt, erklären Genossen.
Ihr Nachfolger, Walter Steidl, hatte seine 15 Minuten überregionalen Ruhm, als er 2016 eine Mehrheit zum Sturz von Werner Faymann schmiedete und so Christian Kern ins Kanzleramt hievte. Nun revanchiert sich Kern mit etlichen Wahlkampfauftritten.
Am Montag ist Steidl allein unterwegs – im Einkaufszentrum Europark in Salzburg-Taxham. Die Betreiber würden hier gern die bestehenden Lagerflächen in Verkaufsflächen umwandeln – die SPÖ unterstützt sie dabei. Die im Land mitregierenden Grünen legen sich quer. Deren Landesrätin Astrid Rössler sieht sich als Anwältin der Kleinbetriebe im Stadtzentrum.
Steidl wirbt ebenfalls mit viel Humor um die Wähler. Ein Scherz hier, eine Pointe da. Und er verteilt Kochlöffel. Das sei sein Herzensanliegen, sagt Steidl: dass alle Schüler in Salzburg ein gesundes, frischgekochtes, aus regionalen Produkten bestehendes Mittagessen bekommen. Die SPÖ als Vertreter der Bauern und Einkaufszentrenbetreiber – zumindest ungewöhnlich.
Steidl, der sich vom Elektriker zum SPÖ-Chef hochgearbeitet hat, ist ein bodenständiger Mensch, einer, dem Pragmatismus wichtiger ist als Ideologie. Er war einer der ersten in der Partei, der darauf aufmerksam gemacht hat, dass man den Laisser-faire-Weg in der Zuwanderungs- und Flüchtlingspolitik so nicht weitergehen könne. Verkehr statt Migration. Das Migrationsthema spielte in diesem Wahlkampf allerdings eine untergeordnete Rolle – wiewohl es auch hier viele Zuwanderer und Flüchtlinge gibt. Gröbere Probleme gebe es derzeit keine, heißt es in der Landesregierung. Wenn man von einigen Hotspots wie dem Salzburger Stadtteil Lehen oder dem Bahnhofsviertel absieht.
Das Hauptthema war der Verkehr. Wobei die FPÖ schon auch „Sicherheit statt Angst am Heimweg“plakatierte. Spitzenkandidatin Marlene Svazek gilt als weibliche, freiheitliche Ausgabe von Sebastian Kurz. Sie ist jung, zielstrebig und eloquent. „Kurz hat es jedenfalls salonfähig gemacht, als Junger in der Spitzenpolitik zu sein“, sagt die 25-jährige Generalsekretärin der FPÖ.
In ihrer Heimat Großgmain hatte sie vorige Woche Innenminister Herbert Kickl zu Gast. Er besuchte die dortige Polizeischule, deren Interieur an die späte Ostblockzeit erinnert. Bei den Flüchtlingen werde penibler auf adäquate Unterbringung geachtet, befand Kickl – und versprach Hilfe.
Frühmorgens wirbt Grünen-Chefin Astrid Rössler tagtäglich auf Salzburgs Straßen um Stimmen. Als ehemalige Spitzensportlerin (Volleyball in Bundesliga und Nationalteam) sei sie Kämpfen gewohnt, sagt sie. Die Stimmung ist durchaus freundlich. Am Wiedereinzug der Grünen besteht kein Zweifel. Die Grünen sind hier auch stärker in der Mitte der Gesellschaft verankert als anderswo. Zuletzt ließ man sogar Plakate mit Kindern in Tracht und dem Slogan „Heimat beschützen“aufhängen. Das sei keine Anbiederung, sagt Rössler, „sondern wir wollten endlich ein Zeichen setzen, dass wir uns die Heimat von den Blauen nicht mehr vereinnahmen lassen“.
Von den kleineren Parteien werden es vermutlich nur die Neos in den Landtag schaffen. Deren Spitzenkandidat, Nationalratsabgeordneter Sepp Schellhorn, hat allerdings bereits angekündigt, nur nach Salzburg zurückzukehren, wenn er Landesrat werde. Und das wollen hier in Salzburg alle – ob Rote, Grüne, Pinke oder Blaue: Landesräte in einer ÖVP-geführten Regierung werden. Oder mit den Worten Schellhorns: „Der Kapitän steht fest, jetzt geht es um den Steuermann.“
Wirklich elektrisiert hat dieser Wahlkampf die Salzburger nicht. Viele blicken wohl mit mehr Spannung zum ersten Europa-League-Semifinale von Red Bull Salzburg gegen Olympique Marseille. Auch im Fußball ist Salzburg derzeit Österreichs erste Adresse.
Lang war der Name Haslauer mit den Attributen »Sohn« oder »Anwalt« kombiniert.