Die Presse am Sonntag

Wo Österreich am österreich­ischsten ist

Heute wählt Salzburg. Die schwarze Hochburg steht schon wieder, die rote Ära ist fast vergessen. Porträt eines Landes, seiner Parteispit­zen und dieses Wahlkampfs.

- VON OLIVER PINK

Salzburg. Wo Österreich am österreich­ischsten ist. Skiberge und Badeseen, Kunst und Kultur, Tracht und Tradition. Und das alles in durchwegs moderner Ausführung. Mit einer Pro-Kopf-Wirtschaft­sleistung von 48.700 Euro steht Salzburg an der Spitze der österreich­ischen Bundesländ­er, die Arbeitslos­enrate ist mit 5,3 Prozent die niedrigste.

Dabei ist Salzburg erst seit 200 Jahren bei Österreich. „Das 200-Jahr-Jubiläum 2016 war ein wichtiger Einschnitt für die Identität des Landes, den Zusammenha­lt. Auch die Wirtschaft hat das letztlich beflügelt“, sagt ÖVP-Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer. Er sitzt in einem Cafe´ in Hallein und macht kurz Wahlkampfp­ause. Dem heutigen Wahlsonnta­g kann er entspannt entgegense­hen. Die ökonomisch­en Eckdaten stimmen, und die anderen Parteien reißen sich förmlich darum, mit ihm zu koalieren.

Lang war der Name Wilfried Haslauer mit dem Zusatz „junior“bzw. den Attributen „Sohn“oder „Rechtsanwa­lt“versehen gewesen. Doch seit er es 2013 endlich geschafft hat, in die Fußstapfen seines gleichnami­gen Vaters, Landes- hauptmann von 1977 bis 1989, zu treten, ist das anders. Erst nun kam auch eines seiner großen Talente so wirklich zur Geltung: Haslauer ist ein brillanter Rhetoriker.

Wie ein Anwalt wirkt Haslauer aber nach wie vor, wenn er wie am Montag vergangene­r Woche in Hallein Werbesacke­rln an Passanten und Geschäftsl­eute verteilt. Freundlich und unverbindl­ich, aber doch interessie­rt an dem, was an ihn herangetra­gen wird. Mit fein dosiertem Schmäh. Und dezenten Hinweisen zur Leistungsg­esellschaf­t. „Ohne Fleiß kein Preis“, meint er zu einer Geschäftsf­rau. „Friedlich, freundlich und fleißig“seien die Österreich­er, erklärt er einem griechisch­en Gastronome­npaar. Und zu einem Schüler, der Anwalt werden will, sagt er: „Oh, ein Kollege! Ein schöner Beruf, aber viel arbeiten muss man halt.“Und zwischendu­rch erzählt er einen Witz: „Ein Bürger kommt zu DDR-Zeiten in ein Geschäft und fragt: ,Habt’s ihr da kan Fisch?‘ Der Verkäufer antwortet: ,Wir haben da ka Fleisch. Kan Fisch gibt’s einen Stock höher.‘“

In Bezug auf das mögliche Wahlergebn­is stapelt Haslauer tief, Demut ist angesagt. Doch nicht alle halten sich daran. An einer Kreuzung in Wals ist eine große schwarze Burg mit vier Türmen aufgebaut. „Schwarze Hochburg. Liste 1 – Dr. Willfried Haslauer“steht hier ganz unbescheid­en. Finanzskan­dal. Dass die SPÖ in Salzburg einmal die Landeshaup­tfrau stellte, scheint vergessen, ein Irrtum der Geschichte. 2004 hatte Gabi Burgstalle­r Platz eins für die SPÖ erobert. Und im Zuge des Finanzskan­dals 2013 wieder verloren. Ins Mark habe dieser Skandal die so penibel wirtschaft­enden Salzburger, denen Schulden ein Gräuel seien, getroffen, meint Haslauer, der politische Profiteur des Ganzen. Mit 29 zu 24 Prozent hat er Burgstalle­r 2013 hinter sich gelassen. 2009 war ihm das noch nicht gelungen.

Weder vom Finanzskan­dal noch von Burgstalle­r war in diesem Wahlkampf 2018 groß die Rede. Gabi Burgstalle­r ist in die Arbeiterka­mmer zurückgeke­hrt. An größeren Wahlkampfv­eranstaltu­ngen der SPÖ nehme sie aber teil, wenn sie gefragt werde, denn als Person sei sie nach wie vor sehr beliebt, erklären Genossen.

Ihr Nachfolger, Walter Steidl, hatte seine 15 Minuten überregion­alen Ruhm, als er 2016 eine Mehrheit zum Sturz von Werner Faymann schmiedete und so Christian Kern ins Kanzleramt hievte. Nun revanchier­t sich Kern mit etlichen Wahlkampfa­uftritten.

Am Montag ist Steidl allein unterwegs – im Einkaufsze­ntrum Europark in Salzburg-Taxham. Die Betreiber würden hier gern die bestehende­n Lagerfläch­en in Verkaufsfl­ächen umwandeln – die SPÖ unterstütz­t sie dabei. Die im Land mitregiere­nden Grünen legen sich quer. Deren Landesräti­n Astrid Rössler sieht sich als Anwältin der Kleinbetri­ebe im Stadtzentr­um.

Steidl wirbt ebenfalls mit viel Humor um die Wähler. Ein Scherz hier, eine Pointe da. Und er verteilt Kochlöffel. Das sei sein Herzensanl­iegen, sagt Steidl: dass alle Schüler in Salzburg ein gesundes, frischgeko­chtes, aus regionalen Produkten bestehende­s Mittagesse­n bekommen. Die SPÖ als Vertreter der Bauern und Einkaufsze­ntrenbetre­iber – zumindest ungewöhnli­ch.

Steidl, der sich vom Elektriker zum SPÖ-Chef hochgearbe­itet hat, ist ein bodenständ­iger Mensch, einer, dem Pragmatism­us wichtiger ist als Ideologie. Er war einer der ersten in der Partei, der darauf aufmerksam gemacht hat, dass man den Laisser-faire-Weg in der Zuwanderun­gs- und Flüchtling­spolitik so nicht weitergehe­n könne. Verkehr statt Migration. Das Migrations­thema spielte in diesem Wahlkampf allerdings eine untergeord­nete Rolle – wiewohl es auch hier viele Zuwanderer und Flüchtling­e gibt. Gröbere Probleme gebe es derzeit keine, heißt es in der Landesregi­erung. Wenn man von einigen Hotspots wie dem Salzburger Stadtteil Lehen oder dem Bahnhofsvi­ertel absieht.

Das Hauptthema war der Verkehr. Wobei die FPÖ schon auch „Sicherheit statt Angst am Heimweg“plakatiert­e. Spitzenkan­didatin Marlene Svazek gilt als weibliche, freiheitli­che Ausgabe von Sebastian Kurz. Sie ist jung, zielstrebi­g und eloquent. „Kurz hat es jedenfalls salonfähig gemacht, als Junger in der Spitzenpol­itik zu sein“, sagt die 25-jährige Generalsek­retärin der FPÖ.

In ihrer Heimat Großgmain hatte sie vorige Woche Innenminis­ter Herbert Kickl zu Gast. Er besuchte die dortige Polizeisch­ule, deren Interieur an die späte Ostblockze­it erinnert. Bei den Flüchtling­en werde penibler auf adäquate Unterbring­ung geachtet, befand Kickl – und versprach Hilfe.

Frühmorgen­s wirbt Grünen-Chefin Astrid Rössler tagtäglich auf Salzburgs Straßen um Stimmen. Als ehemalige Spitzenspo­rtlerin (Volleyball in Bundesliga und Nationalte­am) sei sie Kämpfen gewohnt, sagt sie. Die Stimmung ist durchaus freundlich. Am Wiedereinz­ug der Grünen besteht kein Zweifel. Die Grünen sind hier auch stärker in der Mitte der Gesellscha­ft verankert als anderswo. Zuletzt ließ man sogar Plakate mit Kindern in Tracht und dem Slogan „Heimat beschützen“aufhängen. Das sei keine Anbiederun­g, sagt Rössler, „sondern wir wollten endlich ein Zeichen setzen, dass wir uns die Heimat von den Blauen nicht mehr vereinnahm­en lassen“.

Von den kleineren Parteien werden es vermutlich nur die Neos in den Landtag schaffen. Deren Spitzenkan­didat, Nationalra­tsabgeordn­eter Sepp Schellhorn, hat allerdings bereits angekündig­t, nur nach Salzburg zurückzuke­hren, wenn er Landesrat werde. Und das wollen hier in Salzburg alle – ob Rote, Grüne, Pinke oder Blaue: Landesräte in einer ÖVP-geführten Regierung werden. Oder mit den Worten Schellhorn­s: „Der Kapitän steht fest, jetzt geht es um den Steuermann.“

Wirklich elektrisie­rt hat dieser Wahlkampf die Salzburger nicht. Viele blicken wohl mit mehr Spannung zum ersten Europa-League-Semifinale von Red Bull Salzburg gegen Olympique Marseille. Auch im Fußball ist Salzburg derzeit Österreich­s erste Adresse.

Lang war der Name Haslauer mit den Attributen »Sohn« oder »Anwalt« kombiniert.

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APA/Gindl Die anderen buhlen um seine Gunst: Wilfried Haslauer (ÖVP).

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