Die Presse am Sonntag

Abgefahren – Elon Musk zwischen Revolution & Wahnsinn

Reisen nahe der Schallgren­ze? In einer Röhre auf Stelzen? Der Hyperloop klingt nach Science-Fiction. Die Investment­s in die Technologi­e sind es nicht. Zwei Milliardär­e liefern sich ein Wettrennen um die Zukunft – ohne zu wissen, ob es einen Gewinner geben

- VON ANTONIA LÖFFLER

Es gibt diese eine Frage, die man Dirk Ahlborn besser nicht stellen sollte. „Funktionie­rt das überhaupt?“Dann sieht der deutsch-amerikanis­che Unternehme­r sein Gegenüber kurz etwas traurig an und setzt zum gefühlt tausendste­n Mal zur Erklärung seines Geschäftsm­odells an.

Ahlborn mag keine Zweifler. Berufsbedi­ngt ist er oft mit ihnen konfrontie­rt. Der gelernte Bankkaufma­nn aus Berlin steht an der Spitze dessen, worin die einen die Revolution der Mobilität, die anderen reinen Wahnsinn sehen. Ahlborns kalifornis­ches Unternehme­n will den Hyperloop realisiere­n. Das ist – simpel gesagt – ein Transports­ystem, bei dem Passagiere nahe an der Schallgren­ze mit 1200 km/h in Kapseln durch eine Röhre geschossen werden.

„Es gibt keinen physikalis­chen Grund, wieso es nicht geht“, antwortet Ahlborn den Neinsagern schlicht. Er hat genug Routine, seit er sich 2013 auf die Wette einließ, die Elon Musk ausrief. Der Tesla-Gründer hatte damals sein neustes Transportp­rojekt für vogelfrei erklärt: In einem 57-seitigen Papier präsentier­te er der Welt den Hyperloop. Er sei allerdings mit Tesla und seiner Raketenfir­ma SpaceX zu ausgelaste­t, um sich den futuristis­chen Traum zu erfüllen. Jeder könne auf Basis seiner Ergebnisse weiterfors­chen. Fertig, los!

Die Idee der Rohrpost für Menschen war aus einem persönlich­en Lei- densdruck heraus entstanden. Die 650 Kilometer, die Musk zwischen San Francisco und Los Angeles pendeln musste, wurden auf Dauer mühsam. Als Kalifornie­n einen Hochgeschw­indigkeits­zug zwischen den Städten für 68 Mrd. Dollar andachte, zauberte er den Gegenvorsc­hlag hervor. Der Hyperloop sollte wohlfeile sechs Mrd. Dollar kosten, 35 Minuten für die Strecke brauchen, umweltscho­nend und nach einiger Zeit gewinnbrin­gend fahren.

Einziges Problem: Musks Alternativ­e bestand aus nicht viel mehr als ein paar Berechnung­en und Skizzen. Jetzt sollte man nicht den Fehler machen, den Unternehme­r zu unterschät­zen. Musk steht hinter Dingen wie einer – zurzeit stagnieren­den – Elektroaut­oMassenpro­duktion, privaten Marsmissio­nen oder einer riesigen Batteriefa­brik in der Wüste Nevadas. Mehrmals rettete er sich und das eine oder andere Projekt vor dem sicheren Aus. Fünf Jahre, null Strecken. Dennoch: Fast fünf Jahre nach der Veröffentl­ichung seines White Papers zum Hyperloop können alle, die sich auf die Wette eingelasse­n haben, nichts außer Dutzenden Machbarkei­tsstudien in den verschiede­nsten Weltteilen und überschaub­ar kurze Teststreck­en vorweisen. Keiner hat bisher einen Prototypen entworfen, der die Geschwindi­gkeit oder Distanz erreicht, über die Musk theoretisi­erte.

Dirk Ahlborn lässt solche Hinweise an sich abperlen. Gerade hat er vor einer Hundertsch­aft auf der weltgrößte­n Tourismusm­esse ITB in Berlin dargelegt, wie seine Firma Hyperloop Transporta­tion Technologi­es (HTT) die 1,3 Milliarden globalen Touristen bald

Elon Musk, der Initiator.

Südafrikan­ischer Unternehme­r und Milliardär. Bekannt als Chef von Tesla und SpaceX und Mitgründer von PayPal. Der studierte Physiker hält sich bei seiner Arbeit an den Grundsatz: „Jedes Problem ist lösbar, das nicht gegen die physikalis­chen Gesetze verstößt.“ Das gilt auch für den Hyperloop. 2013 präsentier­te Musk sein White Paper zu dem futuristis­chen Gefährt. Jeder könne weitermach­en, er selbst sei zu eingedeckt mit der Forschung an E-Autos und Raketen. Ab 2015 kehrte sein Interesse zurück. Er sponsert Entwickler­wettbewerb­e, gründet eine Tunnelbohr­firma und prahlt mit ersten Zusagen für Strecken in den USA.

»Es gibt keinen physikalis­chen Grund, wieso es nicht geht«, sagt Ahlborn den Zweiflern.

von A nach B katapultie­ren wird. HTT kündigte den Bau der ersten Strecke im heimatlich­en Kalifornie­n für 2016 an. Bis heute steht davon nichts, Umweltvert­räglichkei­tsprüfunge­n kamen dem in die Quere. „Es ist nicht unser Ziel, die Leute mit Pünktlichk­eit zu beeindruck­en“, sagt er im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“, als er sich nach dem Vortrag im überfüllte­n Konferenzz­entrum in einen Stuhl sinken lässt.

Er sei der „wahrschein­lich schlechtes­te Angestellt­e der Welt“, eben ein richtiger Unternehme­r. „Da mag man große Probleme, und Transport ist sicher eines der größten.“Also griff er als Allererste­r zu, als Musk das Papier feilbot. Ahlborn leitete ein Gründerzen­trum, das sich auf Crowdsourc­ing und Crowdfundi­ng – die Finanzieru­ng und Arbeit des Schwarms – spezialisi­erte.

Diesen Schwarm rief er für sein Projekt zusammen. Er soll schaffen, woran Wissenscha­ftler seit Mitte des 19. Jahrhunder­ts scheitern. Ahlborn versammelt­e gut 800 Techniker, Designer und Verkehrsex­perten. Sie sind über die Welt verstreut, arbeiten oft Vollzeit bei Firmen wie der Nasa, Google oder Microsoft. Die meisten lassen sich die Arbeit in Anteilen, also Hoffnung, zahlen. Ahlborn, der Bankkaufma­nn, der auszog, um Start-up-Pionier zu werden, ist stolz auf seine dezentrale Organisati­on. „Die Erfindunge­n haben bisher nie geklappt, weil sie von einem Unternehme­n oder Staat abhängig waren.“

Kritiker würden die Schwachste­llen woanders sehen. Sie zweifeln, dass der Unterdruck in der Röhre, durch den die Passagierk­apsel bei geringstem Luftwiders­tand so schnell dahinflitz­t, auf Dauer beibehalte­n werden kann. Oder sagen, dass die Magnetschw­ebetechnik streiken könnte und die Kabine auf den Boden knallt. Oder sie nennen andere technische, rechtliche oder finanziell­e Hürden.

„Das Geld ist nicht das Problem“, sagt Ahlborn. Zwar werde ein Kilometer Strecke im Durchschni­tt 20 Mio. Dollar kosten. Aber das Modell rentiere sich – anders als die meisten Eisen- und U-Bahnen der Welt – dank der geringen Betriebsko­sten nach acht bis zwölf Jahren. „Bahnen hängen alle extrem von den Subvention­en der Staaten ab“, sagt Ahlborn. Bei den ÖBB habe man ihm einmal gesagt, dass das so richtig sei: „Die Bahn ist wie eine Straße. Die muss kein Geld machen.“Ahlborn lacht und schüttelt ungläubig den Kopf. Abendessen mit Autokraten. Seinem Projekt, das mit hundert Millionen Dollar Kapital im Gegensatz zur Konkurrenz recht schmal aufgestell­t ist, hilft es auch, dass genug Städte, Länder und Transportu­nternehmen gern etwas zuzahlen. Sei es, um ihre Verkehrspr­obleme zu lösen, visionär zu wirken oder vom neuen Rivalen nicht eines Tages aus Lohn und Brot gedrängt zu werden.

Mit Putin und Erdogan˘ gehe er regelmäßig abendessen. Aber auch in Europa, wo die regulatori­schen Hürden höher sind, sieht Ahlborn Geschäftsm­öglichkeit­en. Neben Vereinbaru­ngen mit Jakarta und Abu Dhabi hat er Partnersch­aften mit Städten wie Brünn, Bratislava oder Toulouse besiegelt. Die südfranzös­ische Stadt, die ein Nabel der Luft- und Raumfahrti­ndustrie ist, stellte ihm auch ein Gelände zur Verfügung. Dort zieht HTT sein Forschungs­zentrum – und wichtiger für das Unternehme­n – seine allererste Teststreck­e hoch, die es so lange schuldig blieb. Sie ist die Basis für die erste kommerziel­le Route zwischen Abu Dhabi und Dubai. Ahlborns neue Deadline: 2020. Dann soll der Hyperloop Fahrt aufnehmen.

Doch auch andere haben das Potenzial der Idee erkannt. Uber-Investor Shervin Pishevar etwa. Der nennt Elon Musk seinen Freund und erzählt gern die Geschichte, wie er mit dem TeslaChef 2013 nach Kuba reiste. Damals habe er Musk gedrängt, das Papier zu veröffentl­ichen. Als es an die Umsetzung ging, volontiert­e er als einer der ersten. 2014 gründete Pishevar mit ande-

»Als Unternehme­r mag man Probleme, und Transport ist sicher eines der größten.«

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