Abgefahren – Elon Musk zwischen Revolution & Wahnsinn
Reisen nahe der Schallgrenze? In einer Röhre auf Stelzen? Der Hyperloop klingt nach Science-Fiction. Die Investments in die Technologie sind es nicht. Zwei Milliardäre liefern sich ein Wettrennen um die Zukunft – ohne zu wissen, ob es einen Gewinner geben
Es gibt diese eine Frage, die man Dirk Ahlborn besser nicht stellen sollte. „Funktioniert das überhaupt?“Dann sieht der deutsch-amerikanische Unternehmer sein Gegenüber kurz etwas traurig an und setzt zum gefühlt tausendsten Mal zur Erklärung seines Geschäftsmodells an.
Ahlborn mag keine Zweifler. Berufsbedingt ist er oft mit ihnen konfrontiert. Der gelernte Bankkaufmann aus Berlin steht an der Spitze dessen, worin die einen die Revolution der Mobilität, die anderen reinen Wahnsinn sehen. Ahlborns kalifornisches Unternehmen will den Hyperloop realisieren. Das ist – simpel gesagt – ein Transportsystem, bei dem Passagiere nahe an der Schallgrenze mit 1200 km/h in Kapseln durch eine Röhre geschossen werden.
„Es gibt keinen physikalischen Grund, wieso es nicht geht“, antwortet Ahlborn den Neinsagern schlicht. Er hat genug Routine, seit er sich 2013 auf die Wette einließ, die Elon Musk ausrief. Der Tesla-Gründer hatte damals sein neustes Transportprojekt für vogelfrei erklärt: In einem 57-seitigen Papier präsentierte er der Welt den Hyperloop. Er sei allerdings mit Tesla und seiner Raketenfirma SpaceX zu ausgelastet, um sich den futuristischen Traum zu erfüllen. Jeder könne auf Basis seiner Ergebnisse weiterforschen. Fertig, los!
Die Idee der Rohrpost für Menschen war aus einem persönlichen Lei- densdruck heraus entstanden. Die 650 Kilometer, die Musk zwischen San Francisco und Los Angeles pendeln musste, wurden auf Dauer mühsam. Als Kalifornien einen Hochgeschwindigkeitszug zwischen den Städten für 68 Mrd. Dollar andachte, zauberte er den Gegenvorschlag hervor. Der Hyperloop sollte wohlfeile sechs Mrd. Dollar kosten, 35 Minuten für die Strecke brauchen, umweltschonend und nach einiger Zeit gewinnbringend fahren.
Einziges Problem: Musks Alternative bestand aus nicht viel mehr als ein paar Berechnungen und Skizzen. Jetzt sollte man nicht den Fehler machen, den Unternehmer zu unterschätzen. Musk steht hinter Dingen wie einer – zurzeit stagnierenden – ElektroautoMassenproduktion, privaten Marsmissionen oder einer riesigen Batteriefabrik in der Wüste Nevadas. Mehrmals rettete er sich und das eine oder andere Projekt vor dem sicheren Aus. Fünf Jahre, null Strecken. Dennoch: Fast fünf Jahre nach der Veröffentlichung seines White Papers zum Hyperloop können alle, die sich auf die Wette eingelassen haben, nichts außer Dutzenden Machbarkeitsstudien in den verschiedensten Weltteilen und überschaubar kurze Teststrecken vorweisen. Keiner hat bisher einen Prototypen entworfen, der die Geschwindigkeit oder Distanz erreicht, über die Musk theoretisierte.
Dirk Ahlborn lässt solche Hinweise an sich abperlen. Gerade hat er vor einer Hundertschaft auf der weltgrößten Tourismusmesse ITB in Berlin dargelegt, wie seine Firma Hyperloop Transportation Technologies (HTT) die 1,3 Milliarden globalen Touristen bald
Elon Musk, der Initiator.
Südafrikanischer Unternehmer und Milliardär. Bekannt als Chef von Tesla und SpaceX und Mitgründer von PayPal. Der studierte Physiker hält sich bei seiner Arbeit an den Grundsatz: „Jedes Problem ist lösbar, das nicht gegen die physikalischen Gesetze verstößt.“ Das gilt auch für den Hyperloop. 2013 präsentierte Musk sein White Paper zu dem futuristischen Gefährt. Jeder könne weitermachen, er selbst sei zu eingedeckt mit der Forschung an E-Autos und Raketen. Ab 2015 kehrte sein Interesse zurück. Er sponsert Entwicklerwettbewerbe, gründet eine Tunnelbohrfirma und prahlt mit ersten Zusagen für Strecken in den USA.
»Es gibt keinen physikalischen Grund, wieso es nicht geht«, sagt Ahlborn den Zweiflern.
von A nach B katapultieren wird. HTT kündigte den Bau der ersten Strecke im heimatlichen Kalifornien für 2016 an. Bis heute steht davon nichts, Umweltverträglichkeitsprüfungen kamen dem in die Quere. „Es ist nicht unser Ziel, die Leute mit Pünktlichkeit zu beeindrucken“, sagt er im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“, als er sich nach dem Vortrag im überfüllten Konferenzzentrum in einen Stuhl sinken lässt.
Er sei der „wahrscheinlich schlechteste Angestellte der Welt“, eben ein richtiger Unternehmer. „Da mag man große Probleme, und Transport ist sicher eines der größten.“Also griff er als Allererster zu, als Musk das Papier feilbot. Ahlborn leitete ein Gründerzentrum, das sich auf Crowdsourcing und Crowdfunding – die Finanzierung und Arbeit des Schwarms – spezialisierte.
Diesen Schwarm rief er für sein Projekt zusammen. Er soll schaffen, woran Wissenschaftler seit Mitte des 19. Jahrhunderts scheitern. Ahlborn versammelte gut 800 Techniker, Designer und Verkehrsexperten. Sie sind über die Welt verstreut, arbeiten oft Vollzeit bei Firmen wie der Nasa, Google oder Microsoft. Die meisten lassen sich die Arbeit in Anteilen, also Hoffnung, zahlen. Ahlborn, der Bankkaufmann, der auszog, um Start-up-Pionier zu werden, ist stolz auf seine dezentrale Organisation. „Die Erfindungen haben bisher nie geklappt, weil sie von einem Unternehmen oder Staat abhängig waren.“
Kritiker würden die Schwachstellen woanders sehen. Sie zweifeln, dass der Unterdruck in der Röhre, durch den die Passagierkapsel bei geringstem Luftwiderstand so schnell dahinflitzt, auf Dauer beibehalten werden kann. Oder sagen, dass die Magnetschwebetechnik streiken könnte und die Kabine auf den Boden knallt. Oder sie nennen andere technische, rechtliche oder finanzielle Hürden.
„Das Geld ist nicht das Problem“, sagt Ahlborn. Zwar werde ein Kilometer Strecke im Durchschnitt 20 Mio. Dollar kosten. Aber das Modell rentiere sich – anders als die meisten Eisen- und U-Bahnen der Welt – dank der geringen Betriebskosten nach acht bis zwölf Jahren. „Bahnen hängen alle extrem von den Subventionen der Staaten ab“, sagt Ahlborn. Bei den ÖBB habe man ihm einmal gesagt, dass das so richtig sei: „Die Bahn ist wie eine Straße. Die muss kein Geld machen.“Ahlborn lacht und schüttelt ungläubig den Kopf. Abendessen mit Autokraten. Seinem Projekt, das mit hundert Millionen Dollar Kapital im Gegensatz zur Konkurrenz recht schmal aufgestellt ist, hilft es auch, dass genug Städte, Länder und Transportunternehmen gern etwas zuzahlen. Sei es, um ihre Verkehrsprobleme zu lösen, visionär zu wirken oder vom neuen Rivalen nicht eines Tages aus Lohn und Brot gedrängt zu werden.
Mit Putin und Erdogan˘ gehe er regelmäßig abendessen. Aber auch in Europa, wo die regulatorischen Hürden höher sind, sieht Ahlborn Geschäftsmöglichkeiten. Neben Vereinbarungen mit Jakarta und Abu Dhabi hat er Partnerschaften mit Städten wie Brünn, Bratislava oder Toulouse besiegelt. Die südfranzösische Stadt, die ein Nabel der Luft- und Raumfahrtindustrie ist, stellte ihm auch ein Gelände zur Verfügung. Dort zieht HTT sein Forschungszentrum – und wichtiger für das Unternehmen – seine allererste Teststrecke hoch, die es so lange schuldig blieb. Sie ist die Basis für die erste kommerzielle Route zwischen Abu Dhabi und Dubai. Ahlborns neue Deadline: 2020. Dann soll der Hyperloop Fahrt aufnehmen.
Doch auch andere haben das Potenzial der Idee erkannt. Uber-Investor Shervin Pishevar etwa. Der nennt Elon Musk seinen Freund und erzählt gern die Geschichte, wie er mit dem TeslaChef 2013 nach Kuba reiste. Damals habe er Musk gedrängt, das Papier zu veröffentlichen. Als es an die Umsetzung ging, volontierte er als einer der ersten. 2014 gründete Pishevar mit ande-
»Als Unternehmer mag man Probleme, und Transport ist sicher eines der größten.«