Filmtitel und andere Missgeschicke
Wie »Die Hard« zu »Stirb langsam« wurde, wie »Pretty Woman« in China heißt und warum sich französische Filme so oft um Madame und Monsieur drehen: die Motive der Filmtitelübersetzer.
Wollen uns die Filmvermarkter für blöd verkaufen? Oder, um es mit einem deutschen Verleihtitel auszudrücken: „Ich glaub, mich knutscht ein Elch!“Die Umbenennungspraktiken der Filmverleihe sind berühmt-berüchtigt. Im Internet finden sich etliche Texte, die sich darüber mokieren. Kein Wunder: Besonders deutsche Neubetitelungen wirken im Vergleich zum Original oft plump und brachial. Aus der Teenie-Komödie „Blockers“wird die Unmissverständlichkeit von „Der Sex Pakt“, das französische Integrationslustspiel „Cherchez la Femme“(eine Anspielung auf die auch hier gar nicht so unbekannte Redewendung) verwandelt sich ins marktschreierische „Voll verschleiert“. Doch selbst jene, die sich über solche Boulevardisierungen empören, müssen zugeben: In Bezug auf Stil und Genre wird man aus Titeln wie „Blockers“und „Cherchez la Femme“auf den ersten Blick nicht schlau. Und aus Marketing-Sicht ist das fatal. Assoziationen wecken. Besonders bei Komödien ginge es folglich darum, Titel zu finden, die dem heimischen Publikum bei der Genrezuordnung helfen – so Michael Stejskal, Geschäftsführer des Filmladen-Filmverleihs. Gegen den Begriff der Formel wehrt er sich: Man wolle schlicht vermitteln, worum es in den Filmen geht. Wortspiele lassen sich oft nicht übertragen, europäische Stars sind selten so bekannt wie in ihren Heimatländern, wörtliche Übersetzungen muten oft holprig und unmelodisch an; daher müsse der Charakter eines Films auf prägnante Formulierungen gebracht werden, die einschlägige Assoziationen wecken.
In Österreich gelte dabei oft „mitgefangen, mitgehangen“: In der Regel diktieren Verleihe aus Deutschland die Verleihtitel für den deutschsprachigen Raum, was manchmal zu Unstimmigkeiten führt. Der Italo-Comedy-Hit „Quo vado?“über die Eskapaden eines faulen Bürokraten hätte hier ursprünglich unter dem Titel „Avanti Beamti“erscheinen sollen, doch am Ende ent- schied man sich für „Der Vollposten“: Ein Witz, der bei uns flachfällt. Stejskal ließ „Avanti Beamti“beim ÖsterreichStart als Untertitel dran – und erzielte ein proportional betrachtet besseres Einspielergebnis als der Lizenzgeber.
Wortklauberei bei der marktgerechten Titelfindung ist beileibe kein Novum. Schon in der klassischen Hollywood-Ära kam es zu Titelzersplitterungen, in Europa konnte man damals keine Englischkenntnisse voraussetzen. Daher hieß der Film noir „Dark Passage“(1947) in Frankreich „Les passagers de la nuit“(„Passagiere der Nacht“), in Italien „La fuga“(Die Flucht), in Österreich „Ums eigene Leben“– und in Deutschland „Die schwarze Natter“. Obwohl er sich dort ab seiner Wiederentdeckung in den Sechzigern als „Das unbekannte Gesicht“etablierte, ist seine zeitweilige Umwandlung ins Natter-hafte bezeichnend für eine reißerische Tendenz in der deutschen Filmnamensgebung.
Eine Parallele (und mögliche Inspirationsquelle) findet sich bei den Groschenromanreihen des Bastei-Verlags, die in den Fünfzigern populär wurden. „Ich hetzte die Asphalt-Hyänen“, „Der Satan nimmt kein Trinkgeld an“oder „Mit 1000 PS ins Jenseits“: Beim FBIMann Jerry Cotton wusste man, woran man war. Später hielten sich die PRLeute bei der Eindeutschung italieni- Titelzersplitterungen sind in der Filmgeschichte kein Novum: Auf Französisch waren Humphrey Bogart und Lauren Bacall 1947 „Les passagers de la nuit“(„Die Passagiere der Nacht“). scher Horror- und Western-Produktionen ebenso wenig zurück: „Eine Bahre für den Sheriff“oder „Galgenvögel zwitschern nicht“zählen noch zu den biedersten Schlagsätzen.
Der viel beschäftigte Revolverheld Django flirtete dabei gern mit Blasphemie: „Django – Die Bibel ist kein Kartenspiel“, „Django – Sein Gesangbuch war der Colt“, „Django spricht das Nachtgebet“. Oder gleich: „Andere beten – Django schießt“. Halleluja! Fehlte ein schmissiger Aufhänger, dichtete man ihn hinzu: Mario Bavas meisterliches Gruselstück „La maschera del demonio“wurde etwa zu „Die Stunde, wenn Dracula kommt“. Vom legendären Blutsauger fehlt im Film jede Spur.
Manch ein Klassiker ging bei uns unter einem Titel in die Geschichte ein, der heute womöglich verlacht würde; man denke an „Spiel mir das Lied vom Tod“(Original: „C’era una volta il West“), „Wenn die Gondeln Trauer tragen“(„Don’t Look Now“) oder „Die durch die Hölle gehen“(„The Deer Hunter“). Auch bei TV-Dauerbrennern wie „Und täglich grüßt das Murmeltier“ regt sich niemand auf, dass uns der Originaltitel („Groundhog Day“) verwehrt blieb. Schlussendlich siegt immer die Macht der Gewohnheit – was Globalisierungsskeptiker freuen dürfte.
Als Trost für all jene, die sich dennoch nach Ursprungstiteln sehnen, sei vermerkt: Anderswo geht’s kaum anders zu. Fernöstliche Titel-Stilblüten klingen aus westlicher Perspektive oft besonders schrullig – „Pretty Woman“heißt in China sinngemäß „Ich werde eine Prostituierte heiraten, um Geld zu sparen“. Die „Die Hard“-Actionreihe, bei uns dezent zu „Stirb langsam“umgedichtet, kennen Russen als „Harte Nuss“. Und in Frankreich brachte man die Kumpel-Komödie „Hangover“als „Very Bad Trip“auf den Punkt. Verwechslungsgefahr. Vom Englischen ins Englische: Auch das kommt vor, selbst wenn ein britischer Stoff nach Amerika wandert. Beim ersten „Harry Potter“-Film wurde der Zusatz „and the Philosopher’s Stone“in den USA (wie schon bei der Buchvorlage) zu „Sorcerer’s Stone“, weil der Mythos vom Stein der Weisen in Übersee weniger geläufig ist. Umgekehrt fügte man der US-Filmposse „Neighbors“in Großbritannien und Australien das Präfix „Bad“an – aus Angst, Zuschauer könnten sie mit der gleichnamigen, in
Englisch, aber anders: Wie wurde »Taken« zu »96 Hours«, »Zootopia« zu »Zoomania«?