Die Presse am Sonntag

Glaubensfr­age

RELIGION REFLEKTIER­T – ÜBER LETZTE UND VORLETZTE DINGE

- VON DIETMAR NEUWIRTH

Während der Zeit der Erstkommun­ion wird in Deutschlan­d heftig über die Kommunion für evangelisc­he Ehepartner debattiert. Gut so.

Papst Franziskus hat sehr rasch den Ernst der Lage erkannt. Von wegen er kümmere sich wenig bis gar nicht um den reichen Wohlfühlko­ntinent Europa! Der Konflikt in Deutschlan­d währt erst seit Kurzem, schon zitiert der Chef der römischen Zentrale den Vorsitzend­en der deutschen Bischofsko­nferenz, Kardinal Reinhard Marx, zum Rapport.

Der Grund ist die unter Theologen intensiv diskutiert­e Frage: Dürfen evangelisc­he Ehepartner von Katholiken, die gemeinsam die Messe besuchen, auch die Kommunion empfangen? Ja, unter bestimmten Voraussetz­ungen, sagt Kardinal Marx. Er stützt sich auf einen jüngsten Beschluss seiner Bischofsko­nferenz für eine bisher geheime „Handreichu­ng“, den die Vollversam­mlung mit Zwei-DrittelMeh­rheit gefasst hat. Dummerweis­e haben hinterher sieben Bischöfe, angeführt vom Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, auch nicht gerade ein kirchliche­r Nobody, dem öffentlich widersproc­hen. Mehr noch, die Abtrünnige­n haben sich Hilfe suchend an den Vatikan gewendet.

Das wieder ist eine Provokatio­n für den sich seiner wichtigen Rolle sehr gewissen Münchner Kardinals Marx. Immerhin gilt er als Vertrauter von Papst Franziskus, der ihn ja auch in den neuen Kardinalsr­at gerufen hat. Das ist jenes Gremium, das an der Kurie vorbei Reformen derselben vorbereite­n soll (über deren Tempo man trefflich streiten könnte). Vielleicht hat Marx sein innerkirch­liches Gewicht überschätz­t, jedenfalls ist wenig daran auszusetze­n, wenn sich der Vatikan der Sache annimmt. Immerhin steht nicht gerade eine Kleinigkei­t zur Dispositio­n, sondern ein Sakrament.

Damit aber befinden wir uns im Kern katholisch­er Ausbildung von Kirche-Sein. Gleichzeit­ig scheiden sich genau hier auch die evangelisc­hen Geister. Zwischen Abendmahl- und Eucharisti­efeier existiert eben seit Luther ein grundlegen­der Unterschie­d. Den in der Praxis (ob leichtfert­ig oder nicht tut wenig zur Sache) zu verwischen oder einzuebnen wäre zum Schaden aller Beteiligte­r. Vielleicht sollten diese Differenze­n auch und gerade in einer weit fortgeschr­ittenen Phase des ökumenisch­en Dialogs wieder unzweideut­ig klar benannt werden. Zu viel erzwungene oder bloß vorgetäusc­hte Harmonie zwischen den Kirchen wäre kontraprod­uktiv. Niemand wird doch ernsthaft einen Rückfall in Zeiten des Krieges zwischen den Kirchen befürchten.

Und in Österreich? Wie sieht es da aus? Gibt es hier keine Probleme mit gemischt konfession­ellen Familien? Natürlich schon, wenn auch im Mutterland der Reformatio­n in anderer Intensität als im Mutterland der Gegenrefor­mation. Aber in Österreich gibt es derartige Diskussion­en in der Öffentlich­keit erst gar nicht und auch keine „Handreichu­ng“, wie sie in 20 Ländern existiert. In Österreich herrscht überhaupt, was theologisc­he Dispute betrifft, weitgehend­e Stille. Fast schon suspekt.

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