»Halte nichts von einem künstlichen Verbrennersound«
Welche Zukunft haben Sportwagen in Zeiten von Carsharing und Elektroautos? Ein Gespräch mit Porsche-Chef Oliver Blume.
schleunigungsduellen die Helden des Autoquartetts demütigt – ein Lamborghini wird da ziemlich ungerührt stehen gelassen, da nützen selbst zwölf Zylinder nichts –, macht sich vor allem auf den Kanälen des Internets die Freude am Umbruch, am Thronsturz breit. Dass beim Sprint auf der Geraden nur die halbe Geschichte erzählt wird, zählt wenig: Gegen einen klassischen Sportwagen können die stärksten E-Autos nichts ausrichten, sobald es ins Winkelwerk einer schön kurvigen Straße geht. Jedenfalls hat das bislang gegolten.
Ausgerechnet der große Name des Sportwagenbaus bereitet den Paradigmenwechsel vor. Damit ist bei Porsche weniger die Markenikone 911 gemeint, die in ihrer nächsten Generation auch mit Hybridantrieb zu haben sein wird. Sondern dass der rein elektrische Mission E, für Ende 2019 erwartet, auch in Kurven die Nase vorn haben dürfte. Denn wenn Porsche ein Elektroauto baut, dann darf es dem Firmenimage keine Schande machen – und muss insbesondere die freche Konkurrenz aus Kalifornien im Griff haben. Milliarden werden dafür investiert, der Verbrennungsmotor genießt in Stuttgart-Zuffenhausen keinen Artenschutz mehr.
Niemanden verdrießt das mehr als die lebende Motorsportlegende Walter Röhrl, 71. Der zweifache Rallye-Weltmeister (einmal auf dem unvergleichlich klingenden Audi Quattro) kann gar nicht anders, als geradeheraus zu reden. Rennfahren mit E-Autos hält er für „abartig“, und niemals werde er sagen, „dass ein Elektroauto was Tolles ist“. Allenfalls für die Stadt könne es eine Zukunft haben, aber „nicht für das, was ich unter Autofahren verstehe“.
Pikant, weil Röhrl Porsches Markenbotschafter ist und in der Gemeinde als heilig gilt. Wie sich das mit dem Mission E vertragen wird? Röhrl: „Bis dahin habe ich eine Regelung, dass ich in Pension bin oder nix damit zu tun hab’.“
Vielleicht lässt sich der Mann ja noch überzeugen. Denn ein neuer Porsche so ganz ohne Röhrl – weder am Steuer noch am Heck –, das wäre die härteste Variante der neuen Zeiten. Sportautos sind ein Minderheitenprogramm – selbst beim Inbegriff des Sportwagens, bei Porsche. Als die Zuffenhausener nur PS-starke Zweisitzer bauten, grundelte man bei um die 20.000 Fahrzeuge pro Jahr herum und stand mit zwei Reifen immer in der Pleite.
Mittlerweile ist das Unternehmen der profitabelste Autobauer der Welt, im vergangenen Jahr setzte Porsche fast 250.000 Fahrzeuge ab. Aber wem hat man diesen Erfolg zu verdanken, was waren die beliebtesten Marken des Konzerns? Nicht Sportwagen, auf Platz eins und zwei rangierten SUVs. Ganz vorne der Macan, mit etwa 97.000 abgesetzten Modellen deutlich vor dem großen SUV, dem Cayenne (60.000 Fahrzeuge). Auf Platz drei kommt noch immer kein klassischer Vertreter des Unternehmens, hier fand sich 2017 die Limousine Panamera. Erst dann kommt das Aushängeschild der Sportwagenschmiede, der 911 (knapp über 30.000 verkaufte Fahrzeuge), dahinter der Einstiegsporsche 718 mit knapp unter 30.000 Modellen.
In Zeiten von Elektrofahrzeugen, von Carsharing und Verbrauchsoptimierern tritt der Spaßfaktor bei Autos immer mehr in den Hintergrund. Wohin also geht die Reise für die Sportwagen in einer Zeit, in der viele Jungen nicht einmal mehr einen Führerschein haben und für die ein Auto in erster Linie praktisch sein muss? Wir haben darüber mit dem Vorstandsvorsitzenden von Porsche, Oliver Blume (49), gesprochen. Werden Sportautos wie der 911er in zehn, 15 Jahren reine Nischenprodukte sein? Oliver Blume: Das glaube ich nicht. Wir haben bei Porsche mit unserer Strategie 2025 die Weichen für die Zukunft gestellt. Ganz wesentlich ist dabei der Antriebsmix: Wir entwickeln die Verbrennermotoren weiter, setzen auf Plug-in-Hybride und starten bei der reinen Elektromobilität voll durch. Wir bringen hochemotionale Autos, etwa den neuen 911. Das wird ein verbrauchs- und leistungsoptimiertes Fahrzeug sein, das viel Spaß machen wird. Beim Panamera haben wir erstmals das leistungsstärkste Aggregat der Baureihe als Hybrid angeboten – mit einer Systemleistung von 680 PS. Dieses Modell ist ausgesprochen beliebt. Passen Elektroautos überhaupt zu Porsche? Sie passen hervorragend zu Porsche. Ferdinand Porsche war einer der Ersten, der sich mit Elektromotoren beschäftigt hat. Zudem haben wir in den vergangenen Jahren viel Erfahrung mit Elektromobilität im Rennsport gesammelt. Wir haben mit einem Hybridfahrzeug die letzten drei 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewonnen. Elektroautos haben eine extreme Beschleunigung und man kann sie sehr sportwagentypisch auslegen. Wir werden das mit dem Mission E zeigen (das Elektroauto von Porsche, das 2019 auf den Markt kommen soll, Anm.). Aber gehört zu einem Sportwagen nicht der Klang eines Verbrennungsmotors – idealerweise eines Achtzylinders, vielleicht noch eines Sechszylinders? Ein pfeifender Elektromotor, vielleicht mit Soundgenerator, erzeugt doch recht wenig Emotion. Wir gehören zu einer Generation, die Sound mit Fahrdynamik und einer guten Beschleunigung gleichsetzt: Wenn ein Motor richtig röhrt, dann muss auch was dahinter sitzen. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass künftige Generationen das nicht mehr so unmittelbar miteinander in Verbindung bringen werden. Schließlich ist der Sound nicht dafür ausschlaggebend, ob ein Auto schneller fährt oder sich gut um die Kurve bewegt. Insofern halte ich nichts davon, einen Verbrenner-Sound synthetisch auf ein Elektroauto zu
Oliver Blume
wurde im Juni 1968 in Braunschweig geboren. Er studierte Maschinenbau an der TU in Braunschweig.
1994
absolvierter er ein Traineeprogramm bei Audi, 1999 war er bereits Leiter Fertigung Karosseriebau Audi A3.
2001
stieg Blume zum Vorstandsassistenten Produktion bei Audi auf, 2009 übernahm er die Leitung der Produktionsplanung bei der Marke VW.
Im Oktober 2015
wurde Blume Vorstandsvorsitzender von Porsche. Im Zuge des aktuellen Umbaus der VW-Führungsspitze wegen des Abgangs von Konzernchef Matthias Müller übernahm Blume zusätzlich den Verantwortungsbereich Produktion als neues Vorstandsmitglied von VW. übertragen und künstlich zu produzieren. Ein Elektrofahrzeug wird bei Porsche eher so klingen, wie man es aus Le Mans vom 919 Hybrid kennt, also typisch elektrisch – und damit auch wieder authentisch, wie wir es von einem Porsche erwarten. Aber grundsätzlich: Verbrennungsmotoren wird es noch sehr lange geben. Werden sich die Jungen in 20 Jahren überhaupt noch einen Sportwagen kaufen? Also ich konnte mir als Junger keinen Porsche leisten, das verändert sich im Laufe der Zeit. Die Mobilität wird sich sicher ändern, es wird mehr geteilte Mobilität geben. Wir haben dazu verschiedene Modellversuche laufen, etwa mit einer Flatrate in Atlanta (für 2000 bzw. 3000 Dollar pro Monat hat man ständig Zugriff auf verschiedene Porschemodelle, Anm.). Wir führen die jungen Leute an die Marke heran, wir haben etwa eine Partnerschaft mit Microsoft, die unsere Autos in Computerspielen verwenden. Die Jungen werden älter und das Begehren nach einem echten Porsche wird kommen. Ist autonomes Fahren eine Bedrohung für Sportwagen bzw. für Porsche? Ein Porsche wird immer ein Lenkrad haben und ein Fahrzeug sein, das man selbst fahren kann – und will. Nichtsdestotrotz gibt es viele Funktionen des autonomen Fahrens, die auch für Porsche-Kunden attraktiv sind. Etwa den Stau-Assistenten, damit sie morgens noch die Zeitung im Auto lesen können. Wir denken aber auch an Porsche-typische Anwendungen des autonomen Fahrens, wie eine App für die Rennstrecke. Wir verfolgen das intern unter dem Arbeitstitel Mark-WebberApp. Da lässt man sich autonom vom virtuellen Mark Webber über eine Rennstrecke fahren, danach fährt man selbst, legt dann die eigenen Fahrkünste darüber, vergleicht und kann sich Schritt für Schritt herantasten. Automatisiertes Fahren – ja, aber auf Porsche zugeschnitten. Es wird kein Robotertaxi von Porsche geben. Zum Mission E noch einmal: Das wird ja kein klassischer Sportwagen, sondern von der Bauform her eine Kombilimousine. Der Mission E wird nicht der einzige elektrisch angetriebene Sportwagen bei Porsche bleiben. Er ist die Basis und wird nicht nur schnell fahren, sondern auch schnell laden. Mit seiner 800-Volt-Architektur tankt er in weniger als 15 Minuten Energie für eine Strecke von 400 Kilometern. Das macht ihn alltags- und vor allem langstreckentauglich. Auch in Sachen Design, Fahrerlebnis und Performance wird dieses Fahrzeug neue Maßstäbe setzen. Weil wir über den Klang von Motoren gesprochen haben: Was fahren Sie eigentlich privat? Ich habe einen VW Käfer und einen Porsche 911 RS.