Drei sind noch da
Einst waren Elefanten über fast die ganze Erde verbreitet. Das schafften sie auch mit Durchmischung, der jetzt rekonstruierte Stammbaum zeigt es.
Als die vor 60 Millionen Jahren in Schweinegröße entstandenen Rüsseltiere sich vor 25 Millionen Jahren auswuchsen, hatten sie niemanden zu fürchten, sie spalteten sich in Dutzende Arten auf und verbreiteten sich über fast die ganze Erde, bis in unwirtlichste Regionen. An diese passten sie sich auch dadurch an, dass sie Gene tauschten, in oft überraschendem Ausmaß: Im Europäischen Waldelefanten – er hatte bis vier Meter Schulterhöhe und elf Tonnen Gewicht – steckten Wollmammuts, ausgestorbene afrikanische Elefanten und die heute noch dort lebenden Waldelefanten, das zeigte Steve Reich (Harvard), der aus den Genen heutiger und längst verschwundener Elefanten den Stammbaum rekonstruierte (Pnas 26. 2.).
Aber sie passten sich nicht nur an Umwelten an, sie gestalteten sie auch, bauten sie um. Die Graser unter ihnen hielten die Vegetation kurz, Bäume und Gesträuch ließen sie nicht aufkommen, so schufen sie in Sibirien die nach ihnen benannte Mammutsteppe. Diesem Ökosystem, das sich bis vor 10.000 Jahren hielt, trauert seit Langem der Geophysiker Sergeij Zimov (Cherskii) nach, und er trauert nicht nur: Als die Mammuts weg waren, wurde das Gras von Moos verdrängt und von Wäldern überwachsen, Zimov will das mit der Ansiedelung großer Graser rückgängig machen, der von Wildpferden etwa und Bisons (Science 308, S. 796).
Nur: Wie konnten just die Größten vom Kargsten leben, von Gras? Die Frage ist als „Produktivitätsparadox“in die Bücher eingegangen, Zimov hat es nun durchgerechnet: Gerade die Größten brauchen (relativ) am wenigsten, weil ihre Körper mit einem Stoffwechsel auf kleiner Flamme zurechtkommen: Mäuse müssen unentwegt fressen, um sich warm zu halten, Mammuts hilft ihre schiere Masse (Nature Ecology and Evolution 26. 2.). Zudem können sie die Peripherie auskühlen lassen, ohne Schaden zu nehmen. Sie mussten dazu allerdings etwas in ihrem Blut verändern: Das Hämoglobin heutiger Elefanten (und das der Men- schen) bindet Sauerstoff umso stärker – und gibt umso weniger ab –, je kälter es ist. Sauerstoff brauchten Mammuts aber schon auch in der Peripherie, sie modifizierten ihr Hämoglobin dahin, ihn freizugeben, Kevin Campbell (University of Manitoba) hat es gezeigt (Nature Genetics 42, S. 536).
Und sie haben nicht nur ihre Körper auf die Umwelt eingestellt – auch auf die eigene Größe, sie haben hundert Mal so viele Zellen wie wir und erleiden trotzdem kaum Krebs, weil sie sie schützende Gene stärkten ( Cell Reports 6. 3.) –, und sie haben sich nicht nur auf ihre Kraft verlassen, sie wurden auch klug. Zumindest sind es die, die es heute noch gibt: Sie erkennen sich selbst im Spiegel – das können außer Menschen nur wenige –, sie haben eine breite Palette der Kommunikation und ein ausgefeiltes Sozialleben, ziehen in Verbänden, die von den Erfahrensten geführt werden, von Leitkühen, die sich nicht mehr reproduzieren (und doch noch leben, was es sonst wieder nur bei Menschen gibt, und bei Orcas). Trauer um Tote? Ob sie Tote betrauern, ist nicht recht klar, es ist nur anekdotisch überliefert, aber beim Sterben schauen sie nicht tatenlos zu, sondern versuchen, Umsinkende aufzurichten. Und wenn sie merken, dass unter ihren eigenen Füßen etwas nicht stimmt, helfen sie ab: Für Menschenkinder gibt es einen Test, bei dem sie auf einem Teppich stehen und einen Wagen schieben sollen. Aber dieser hängt mit einem Seil am Teppich. Dass sie von ihm herab müssen, um den Wagen zu schieben, lernen Kinder mit 18 Monaten. Erwachsene Elefanten lernen es auch, Joshua Plotnik (Cambridge) hat es gezeigt ( Scientific Reports 7, 46309).
Doch ihre Intelligenz half ihnen nicht, als ein anderer kam, der viel kleiner war, aber Waffen in der Hand hatte. Dieser kam zunächst in Afrika, und seine Waffen waren zunächst nicht stark, die Elefanten lernten, damit zu leben. Aber dann erwanderte der andere die Erde, und wo immer er hinkam, verschwanden sie, selbst in Japan (Pnas 102, S. 6236). Das war vor 33.000 Jahren, der Mensch war gerade eingetroffen. In Nordamerika tat er das vor 12.500 Jahren, bald darauf waren sie weg. Manche lasten das einem Klimawandel an, es spricht aber mehr für Ausrottung durch Jagd („Blitzkrieg“) oder Umgestaltung der Umwelt („Sitzkrieg“), oder eine Kombination beider.
Andernorts konnten sie sich länger halten, die Allerletzten gingen vor 3.500 Jahren auf der Wrangelinsel. Dort und anderswo in Sibirien kommen immer wieder Reste aus dem Permafrost, seit den 1990er-Jahren schüren sie Träume, man könne die Mammuts auferstehen lassen. Am weitesten ist George Church (Harvard) mit einer Zwischenlösung, er will Indischen Elefanten einige zentrale Mammutgene einbauen, Zimov schaut aus der Ferne aufmerksam zu. Viel spricht gegen solche Pläne, vor allem wären keine erwachsenen Tiere da, die die Jungen in das Leben der Art einführen könnten. Und Kritiker wollen die Ressourcen ohnehin lieber in den Schutz der verbliebenen Arten investiert sehen, drei sind noch da, auch das zeigen Reichs Genanalysen: In Afrika die Wald- und die Steppenelefanten – lang wurde darüber gestritten, ob es zwei Arten sind, sie sind es und vermischen sich, ganz elefantenuntypisch und trotz unmittelbarer Nachbarschaft, nicht –, in Asien die dortigen.
Kraft und ihre Klugheit halfen ihnen nichts, als ein Kleinerer kam, mit Waffen in der Hand. Drei Charakterzüge prägen sie: Aufmerksamkeit, Geselligkeit, Aggressivität.
Von ihnen gibt es noch maximal 50.000 in der freien Natur, und 15.000, die arbeiten müssen, Holz schleppen oder Touristen. An 250 davon hat Martin Seltmann (Turku) mit der Hilfe ihrer Mahouts gerade erhoben, ob Elefanten Persönlichkeiten haben. Sie haben sie, gemischt aus drei Charakterzügen: Aufmerksamkeit, Geselligkeit, Aggressivität (Roy. Soc. Open Science 22. 2.).
Und klug sind sie alle: Manchen hat man Glocken um den Hals gehängt, auf dass man höre, wo sie nächtens sind. Und manche verstopfen die Glocken dann mit Schlamm, auf dass sie sich unbemerkt über Felder hermachen können. Das tun auch wilde Elefanten, das hat schon manche das Leben gekostet, Menschen auch. Gegenmittel sind rar, eines wurde in Afrika entwickelt und hat sich nun auch auf Sri Lanka bewährt ( Current Biology 22. 1.): Ganz lockere Zäune, an denen Bienenstöcke hängen. Nichts und niemanden fürchten Elefanten mehr als deren Bewohner.