Demenz ist, wenn das Zahnrad klemmt
Schweigen verunsichert: Wege, Krankheiten kindergerecht zu thematisieren.
Wie fühlt es sich an, wenn man alles vergisst? Diese Frage stellt Tilda ihrem Großvater. Er überlegt: „Wie Honig im Kopf.“In der Antwort findet sich der Titel jenes Filmes, der 2014 das Thema Demenz in die deutschsprachigen Kinos brachte, und damit in die Realität zahlreicher Kinder. Als „schonungslos direkt“wurde der Plot bezeichnet, als „gewagt“, vor allem aber als „wertvoll“. Denn: „Kinder können mit Krankheit und Tod sehr gut umgehen, man muss sich nur trauen, sie damit zu konfrontieren“, sagt Agnes Pirker-Kees, Fachärztin für Neurologie in Wien.
Es gehe darum, kindgerechte Antworten zu geben. „Bei sehr jungen Kindern reicht es zu sagen: ,Der Opa kann sich manches nicht mehr gut merken‘“, meint Pirker-Kees. Älteren würden Bilder helfen: „Im Gehirn der Oma sind die Nervenzellen verklebt, die Gedanken fließen nicht mehr so gut.“ Oder: Die Zahnräder im Kopf klemmen. Schulkinder verstünden auch Medizinischeres, etwa, „dass im Gehirn manches Eiweiß nicht mehr so gut weggeräumt wird, sich ablagert und die Merkfähigkeit darunter leidet“. Kinder verurteilen nicht. Demenzen sind bei Erwachsenen keine Seltenheit. In Österreich belaufen sich die Schätzungen auf 115.000 bis 130.000 Betroffene, wobei die Wahrscheinlichkeit zu erkranken mit dem Alter steigt: „Etwa ein Prozent der 60- bis 65-Jährigen ist betroffen, bei den über 90-Jährigen rund 34 Prozent“, sagt Pirker-Kees. Tendenz steigend. „Da die Gesellschaft älter wird, könnte es bald in jeder Familie mehrere Demenzfälle geben.“
Die Kommunikation mit Kindern sei daher umso wichtiger – und die Interaktion mit den Patienten. „Die Eltern wollen die Kinder oft von den De- menten fernhalten, da sie fürchten, das Kind könnte sich schrecken, wenn der Opa harsch reagiert, den Namen vom Enkel vergisst, einen Ernährungsschlauch oder Windeln benötigt. Tatsache ist: Wenn das Kind weiß, warum das nötig ist, kann es damit umgehen.“Überhaupt sei der Zugang stärker emotional: „Kinder akzeptieren es, wenn sie mit jemandem ,Mensch ärgere dich nicht‘ spielen können, der ihnen nicht in allen Dingen überlegen ist.“Und: „Sie fürchten sich vor Nähe nicht, sie umarmen die demente Person, lachen mit ihr – das ist für beide Seiten wertvoll.“Während Erwachsene oft damit hadern, dass die eigenen Eltern die Kontrolle über ihren Geist verlieren, akzeptieren Kinder den Status quo schneller – sofern sie ihn erklärt bekommen. „Kinder kommen damit klar, wenn der Oma der Name nicht einfällt. Sie verurteilen die Oma dafür nicht.“