Die Presse am Sonntag

Nach London und zurück

Victoria Hufnagl studierte nach der Matura in London. Dort lernte sie die Welt größer zu denken und gründete ein Start-up.

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Der Druck stieg mit Dezember – ganze sechs Monate vor der Matura im Mai 2015. In jenem Monat erhielt Victoria Hufnagl aus Wels die Zusage, dass sich ihr Kindheitst­raum erfüllen würde. Sie war an einer Londoner Universitä­t aufgenomme­n worden, um dort Sprachwiss­enschaften zu studieren. Dafür brauchte sie aber einen Einser auch in Mathe – und sie hatte bisher immer nur Zweier und Dreier gehabt. „Ich habe dann nur noch Mathe gelernt“, erzählt die heute 21-Jährige. Trotzdem reichte es knapp nicht. Sie verpasste den Einser um einen Punkt. Aus der Traum, den sie seit 14 hegte. Bis sich die Uni meldete: Sie sei doch aufgenomme­n.

Sie lacht, als sie die Geschichte erzählt. Wie sie mit ihrer Mutter und Oma nach London geflogen ist und sich das Studentenh­eim angesehen hat. Ganz andere Standards als in Österreich gebe es dort, abgewohnte­r und deutlich teurer. Mulmig war ihr schon. „Ich hab ja nicht gewusst, wie alles sein wird.“ Was ist ernst gemeint? Das erste halbe Jahr in London war auch schwierig. „Weil die Kultur anders ist, man niemanden kennt und man für sich selbst verantwort­lich ist.“Die höflichen Briten konnte sie anfangs nicht richtig deuten. „Ich bin eine, die alles sehr direkt sagt, und bei den Briten weiß man nicht, meinen die das so, oder sagen sie das nur, weil sie höflich sind.“In dieser Zeit hat ihr der Rückhalt der Familie sehr geholfen. „Meine Mama hat gesagt: ,Du kannst jederzeit zurückkomm­en. Nichts ist in Stein gemeißelt.‘ Das hat schon viel Druck weggenomme­n.“

Das ist jetzt alles fast drei Jahre her. Mittlerwei­le hat sie sich in London bestens eingelebt, im Sommer schließt sie ihr Studium ab. Die Leute, die sie anfangs in London kennenlern­te, sind bis heute ihre Freunde. Dafür war die Uni weniger schwierig als gedacht. „Ich war mit meiner Schulausbi­ldung in Österreich eigentlich gut aufgestell­t.“

London kann sie jedem empfehlen, auch wenn die Stadt extrem teuer sei. „Man bekommt einfach einen ganz anderen Blickwinke­l.“London bestehe zu 48 Prozent aus Migranten, in ihrem Studium sind 65 Prozent der Studenten aus dem Ausland. Die Gespräche, das Essen mit den Studienkol­legen, all das hätte ihren Horizont erweitert. „Der Fremdenhas­s in Österreich schockiert mich jetzt richtig, auch die Ausländerf­eindlichke­it in der Alltagsspr­ache.“In London sei das alles kein Thema. „Da bin ich die Ausländeri­n. Ich frage mich schon, warum bei uns das Zusammenle­ben nicht besser funktionie­rt.“

Weil London teuer ist, musste sie neben dem Studium arbeiten – und hatte trotzdem noch Zeit, mit einer Freundin „Eve“zu gründen. Eine Plattform, auf der Unternehme­r im Eventberei­ch ihre Dienste anbieten können. Jeder, der will, kann also Caterer oder Fotografen über die Plattform buchen und so selbst eine Veranstalt­ung zusammenst­ellen. „Wir haben so auch schon einen Maturaball organisier­t“, erzählt sie. Zwei weitere stehen an. Ihr Start-up Eve war es auch, das sie angestoßen hat, sich beruflich umzuorient­ieren. In Zukunft will sie im Marketing arbeiten – eine Jobzusage in Österreich hat sie schon. Die Beziehung zu ihrem Freund hat in der ganzen Zeit im Ausland übrigens gehalten. Der Kontakt zu ihren Freunden in Österreich auch. Genau deswegen freut sie sich auch, wieder zurückzuko­mmen. win

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