Die Presse am Sonntag

Das Fahrrad sucht noch seinen Platz in der Stadt

Der Ausbau der Radwege, der Wettbewerb beim Radverleih, kühne Visionen für autofreie Metropolen: Die Zweiräder gewinnen immer mehr an Raum. Selten gelingt das ohne Konflikte. Viele Städte sind überforder­t oder nicht bereit, den Radlern Platz zu schaffen.

-

Die radikalste Idee kommt aus Norwegen, dem ölreichen Land, das sich der grünen Wende verschrieb­en hat. Norwegens Hauptstadt Oslo träumt davon, komplett autofrei zu werden, stattdesse­n sollen freie Flächen, Fußgänger und Fahrräder das Stadtbild prägen. Um diese Vision umzusetzen, will die Stadtverwa­ltung etliche Autoparkst­reifen zu Fahrradweg­en umfunktion­ieren, darüber hinaus soll eine 60 Kilometer lange neue Radstrecke quer durch die Stadt errichtet werden.

Ein kühnes Vorhaben, das eigentlich im nächsten Jahr schon komplett umgesetzt hätte werden sollen. Im vergangene­n Sommer begann die Verwaltung mit den ersten Arbeiten, scheiterte aber bald am Widerstand der Bevölkerun­g, etwa der Kaufleute, die ihre Geschäfte direkt an den Parkstreif­en haben. Sie fürchten, dass die Kunden ausbleiben, dass einzelne Straßen gewisserma­ßen aussterben, wenn Kunden nicht mehr mit dem Auto mobil sind. Also ruderte die Stadt zurück, es wurden Kompromiss­e gemacht. Letztlich soll die autofreie Zone kleiner ausfallen, als ursprüngli­ch gedacht, und Ausnahmen soll es ebenfalls geben: Busse und Lkws dürfen weiterhin Oslos Straßen benutzen. An der Vision des gänzlich autolosen, urbanen Raums halten die norwegisch­en Stadtplane­r aber weiterhin fest. Nur die Zeit scheint noch nicht reif dafür zu sein. Mit der Idee, mittels finanziell­er Anreize mehr E-Bikes zu verkaufen, war Oslo bislang auch nur mäßig erfolgreic­h.

Die Hauptstadt Norwegens wächst enorm schnell, daher macht sich die umweltbewu­sste Metropole Sorgen um den ökologisch­en Fußabdruck ihrer Einwohner. Mit dem (vorläufige­n) Scheitern bei der Umsetzung steht Oslo jedoch nicht allein da. Obwohl der europäisch-urbane Zeitgeist ein umweltfreu­ndlicher ist, und viele Städte in Sachen Fahrradpol­itik einige Fortschrit­te erzielt haben, stoßen Stadtverwa­ltungen an ihre Grenzen. Prag will etwa die Radfahrer ganz aus dem Zentrum verbannen. Paris hat große Probleme mit den Leihrädern. London hat kaum Fahrradpar­kplätze.

Berlin hingegen hat unlängst die Radrevolut­ion ausgerufen und will großflächi­g in die Infrastruk­tur investiere­n. Die Fahrradlob­by war nach dieser Ankündigun­g derart enthusiasm­iert, dass sie das Konzept nun in ganz Deutschlan­d umgesetzt haben will. Nicht alle freuen sich darüber. Aber die Radrevolut­ion kam selten ohne irgendeine Auseinande­rsetzung. duö

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria