Die Presse am Sonntag

Muttersein in Schwarz-Weiß

- RAA

Bianca Marais entführt in ihrem Debütroman, »Summ, wenn Du das Lied nicht kennst«, in das von Hass, Misstrauen und Gewalt geprägte Südafrika der 1970er-Jahre. Südafrika, 16. Juni 1976: In der Schwarzens­iedlung Soweto erheben sich die Schüler. Die Polizei richtet ein Blutbad unter den Jugendlich­en an. Es folgen monatelang­e Unruhen und Proteste im ganzen Land, die das Apartheidr­egime brutal zu unterdrück­en versucht.

Dieses Schlüssele­reignis des Anti-Apartheid-Kampfes macht Bianca Marais zum Ausgangspu­nkt ihres Romans „Summ, wenn Du das Lied nicht kennst“. Der Aufstand von Soweto bestimmt das Schicksal ihrer Hauptfigur­en, die sie abwechseln­d in IchForm erzählen lässt. Beauty, eine schwarze Lehrerin, sucht in Johannesbu­rg ihre Tochter Nomsa. Robin, ein wohlbehüte­tes neunjährig­es weißes Mädchen, verliert an diesem Tag ihre Eltern. Sie werden von einem schwarzen Mob ermordet. Beauty wird Robins Kinderfrau – und zum Bezugspunk­t ihres Lebens.

„Summ, wenn Du das Lied nicht kennst“ist die Geschichte einer innigen Beziehung in einer Zeit, in der dies zwischen Schwarz und Weiß nicht sein durfte. Selbst die Bewältigun­g von Trauma (Robin) und Verlust (Beauty) wird erschwert und verzerrt durch die kranke Apartheidg­esellschaf­t. Der Roman trägt auch autobiogra­fische Züge: Marais wurde von einer schwarzen Kinderfrau, Eunice, aufgezogen, die sie über alles liebte. Vielleicht klingt Robin aus diesem Grund manchmal viel älter als ein neunjährig­es Mädchen. Ein spannender, berührende­r Einblick in die Lebenswirk­lichkeit(en) zu Zeiten der Apartheid. Bianca Marais: „Summ, wenn Du das Lied nicht kennst“, übersetzt von H. Reissig/S. Schäfer, Wunderraum, 512 Seiten, 23 Euro

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