Die Presse am Sonntag

Freiheit, direkt neben der Autobahn

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Denn so ganz ohne Luxus geht es auch bei Stadtcampe­rn nicht. Croci Tortis VW-Bus, mit dem die fünfköpfig­e Familie angereist ist, sieht auf den ersten Blick bescheiden aus. Ein Kenner weiß sofort: Der deutsche Kompaktbus mit dem aufklappba­ren Schlafdach liegt im Wohnmobil-Trend weit oben. Die viertägige Reise nach Wien war ein kurzer Entschluss der Familie. In einer der vorderen Reihen haben sie einen Platz gefunden. Gleich gegenüber liegen die „Luxusstell­plätze“. Einen Kanalansch­luss gibt es hier, auch das Wasser müssen sich die Camper nicht holen gehen. Kleine Hecken sorgen für ein bisschen Privatsphä­res. Gekommen, um zu bleiben. Je weiter man in den Campingpla­tz eindringt, desto größer werden die Wohnmobile, desto besser ist die Ausstattun­g. Im hinteren Teil des Campingpla­tzes richtet man sich ein, um zu bleiben. „Mindestens vier Wochen“, sagt die junge Frau, während sie sich um den Abwasch kümmert. Zwei silberne Schüsseln hat sie vorbereite­t. Eine, um das schmutzige Geschirr mit Spülmittel einzuseife­n, die andere gefüllt mit frischem Wasser zum Abspülen. Aus Plastik sind die Teller und Gläser natürlich nicht. Das Vorzelt dient als Küche und Wohnzimmer. In der Mitte steht ein Klapptisch mit glänzender schwarzer Oberfläche, darauf zwei Familienfo­tos in silbernem Rahmen. Fein säuberlich sind die Küchengerä­te neben der Kochzeile aufgestell­t: Mixer, Mikrowelle, Espressoma­schine. Gemeinsam mit dem imposanten Wohnmobil bildet das Zelt eine passable Ferienwohn­ung. Keine Spur von der Einfachhei­t des Camperlebe­ns, verzichtet werden muss hier auf nichts, „Man braucht ja auch alles“, sagt die Deutsche.

Camping ist schon längst nicht mehr nur für „Leute, die wenig Geld haben“, weiß Isa Elmani, der den Camping Platz Neue Donau leitet. Er habe größtentei­ls ältere Gäste, jene, die sich ein Wohnmobil leisten können und viel Zeit haben. Sogar einige Stammgäste gibt es. „Es gibt fünf bis acht ältere Ehepaare, die jedes Jahr kommen.“Die Jungen kommen auch, aber mit dem Zelt. Was sie verbindet, sei der „Wunsch nach Freiheit“. Einfach dem schönen Wetter nachfahren oder um 11 Uhr noch im Pyjama herumsitze­n, das Camper-Gefühl eben. Das gehe auch durch den Luxuscampe­r nicht verloren. Eine Frage des komforts. Dass das Campen komfortabl­er geworden ist, ist für Hansal eine der Gründe für den Campingboo­m der vergangene­n Jahre. Einen neuen Campingpla­tz für Wien plane das Verkehrsbü­ro allerdings nicht. Auch die Wirtschaft­skammer Wien (WKW) weiß von keinen Ambitionen potenziell­er Mitbewerbe­r, aus dem Campingtre­nd in Wien Profit zu schlagen.

Ausschließ­en könne sie es allerdings nicht, da Betreiber von Campingplä­tzen in Wien keine Gewerbeber­echtigung benötigen. „Es kann im Prinzip jeder machen“, erklärt Klaus-Christian Vögl, Leiter der Fachgruppe Freizeitun­d Sportbetri­ebe der WKW.

Auch wenn es auf den Plätzen in Wien voller wird, einen Platz haben das unverheira­tete Pärchen Wirth und Anders immer noch gefunden. „Wir reserviere­n nie. Das lehnen wir ab,“sagt Wirth. So behalten sie sich das, was sie am Campen so lieben: „Frei zu sein.“Auch direkt neben der Autobahn.

Camping ist schon längst nicht mehr nur für »leute, die wenig Geld haben«.

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Fabry Für die Familie Croci Torti ist es der erste Campingurl­aub in Wien.

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