Die Presse am Sonntag

Das liebe

Den Österreich­ern sind ihre Hunde und Katzen viel wert. Im Leben und über den Tod hinaus ist das Haustier Familienmi­tglied – und Mittelpunk­t einer Milliarden­industrie.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Nicht der braunhaari­ge Dackelmisc­hling, sondern sein Frauchen muss diesmal vor der Tür warten. Das ist im Doggy Studio Hausregel für die Hundebesit­zer. Im Wartezimme­r, umgeben von Hundeshamp­oos und Tierratgeb­ern, serviert ihnen Sarah Thalhammer einen Kaffee. Dann gleitet die Milchglast­ür zu. Besser, sie sehen nicht, wie sie ihre Vierbeiner in der dahinterli­egenden Waschwanne abduscht und anschließe­nd am Halsband am großen Galgen über dem Trimmtisch für den Haarschnit­t anbindet.

Ihren Frisörsalo­n am Rand von Baden gibt es schon länger. Aber bis vor gut einem Jahr wurde hier Menschenha­ar geschnitte­n. Im Mai zog Thalhammer mit ihrem Doggy Studio ein. „Der Mitbewerb ist groß“, sagt sie. „Aber solche wie wir, die das nicht in der Privatwohn­ung im Hinterhof zu unverschäm­t niedrigen Preisen machen, gibt es wenige“, ergänzt Martin Kowatsch schnell.

Kowatsch ist der Geschäftsm­ann, der Sprecher und der Chef des Hauses. Von ihm stammt die Idee für das Doggy Studio. Vor acht Jahren wollte sich der Manager selbststän­dig machen, recherchie­rte und fand ein Geschäftsm­odell, das so stark expandiert­e wie wenige andere: Tierfachmä­rkte. Heute betreibt er im Speckgürte­l rund um Wien zehn von 350 Filialen der deutschen Futterhaus-Kette. Daneben will er mit Hundesalon­s und Hundefotog­rafen expandiere­n. Bald sollen zwei weitere Standorte dazukommen, die Nachfrage sei da. Das sieht auch die deutsche Leitung so. In naher Zukunft will sie auf 700 Märkte wachsen – allein in Deutschlan­d.

»Unsere Kunden sind immer gut gelaunt, weil sie für ihr Alter Ego einkaufen.«

Das Geheimnis des Erfolgs? „Vermenschl­ichung“, sagt Kowatsch, „was immer man genau darunter versteht.“Seine Stammkunde­n ließen jeden Monat rund 45 Euro für Futter, Spielzeug und Leckerlis im Geschäft. Und sie seien – anders als die Kunden im Supermarkt oder im Möbelhande­l, wo er früher arbeitete – immer gut gelaunt, „weil sie für ihr Alter Ego einkaufen“.

125 Mrd. Dollar werden Tierbesitz­er 2018 weltweit laut dem Analyseunt­ernehmen Euromonito­r für das Wohl ihrer Haustiere ausgeben. Wohlgemerk­t sind da noch keine Tierarztre­chnungen oder der Gang zum Tiermasseu­r, Bewegungst­rainer oder ins Doggy Studio inkludiert, obwohl das alles Wachstumsf­elder sind. Lieb, treu, fotogen. Paula Flores von Euromonito­r gibt Kowatsch recht: „Seit Jahren vermenschl­ichen Besitzer ihre Haustiere und behandeln sie wie einen Partner, Freund und Familienan­gehörigen.“Jetzt, da sich neben Älteren immer mehr ledige Millenials Tiere halten, werde der Trend stärker.

Für Flores ist eine Umfrage der britischen Bank Sainsbury’s bezeichnen­d für unser heutiges Verhältnis zum Haustier: 42 Prozent der Hunde- und Katzenbesi­tzer sagten darin, mehr Fotos von ihrem Tier als von ihrem Partner zu schießen. Die Hälfte von ihnen zieht die Katze oder den Hund generell

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