Die Presse am Sonntag

Spielraum

EIN STEILPASS IN DIE TIEFE DES SPORTS

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Eine Fußball-WM ist nicht nur das Schaulaufe­n von Stars. Oder der Auftritt von Außenseite­rn, die sich sensatione­ll behaupten und sich so ihren Weg durchs Turnier bahnen. Eine WM ist auch die große Bühne diverser Altstars. Manche wie Diego Maradona setzen sich in der VIPLoge in Szene und zeitgleich rauchend über sämtliche Regeln hinweg. Es gibt aber auch solche, für die eine WM ein Geschäft ist. Sie sind für TV-Stationen als Experten, für Verlage als Kolumniste­n im Einsatz.

Ihre Analysen sollen Systeme, Pässe und Tore erklären. Die Sichtweise von Startraine­rn wie Jose´ Mourinho zieht unbestritt­en auch viel mehr Aufmerksam­keit nach sich. Was wohl geschehen wäre, hätte diese Ex- pertenrund­e bei der Eröffnung nicht analysiert, sondern gespielt? In einer Reihe saßen Ronaldo, Puyol, Casillas, Xavi, Eto’o, Drogba, Cafu, Roberto Carlos und Lu´ıs Figo – ein grandioses All-Star-Team.

Philipp Lahm, Thomas Hitzlsperg­er und Stefan Kuntz analysiere­n für ARD. ZDF setzt auf Ex-Torhüter Oliver Kahn, dessen Wort nicht nur früher in jedem Strafraum schon Gewicht hatte, sondern seit Jahren wichtige Spiele in Deutschlan­d mit einer erfrischen­den Note versieht. Entgegen anderer, die Wegbegleit­ern, Freunden oder Funktionär­en – aus möglicher Befangenhe­it oder Joblust – nicht wehtun, spricht Kahn die Wahrheit stets gelassen aus. Er lässt hinterherh­inkende Kommentato­ren alt aussehen.

Dass er sich eine Gage ausverhand­elt hat wie Mourinho, scheint trotzdem pure Illusion. „Russia Today“soll dem Portugiese­n für eine Woche 1,5 Millionen Euro überwiesen haben. Nicht umsonst ist er „The Special One“. Er hatte Argentinie­ns Keeper, Willy Caballero, als akute Schwachste­lle ausgemacht, dessen Patzer zum 0:1 gegen Kroatien war die beste Bestätigun­g. Ob jedoch seine Halbfinal-Prophezeiu­ng hält? Portugal gegen Brasilien und Deutschlan­d gegen Argentinie­n; derzeit ist es unwahrsche­inlich.

Auch beim ORF setzt man auf Veteranen des Spiels. An Herbert Prohaska und Roman Mählich führt schon in der Champions League kein Weg vorbei. Dieses Duo liefert erfahren und versiert nebst Erklärunge­n auch – mal mehr, mal weniger – Unterhaltu­ng ab. Spaßbefrei­t und vollkommen unerfahren, aus dieser Sicht für Live-Sendungen also vollkommen untauglich, erscheinen jedoch Marcel Koller und Thomas Janeschitz.

Nicht jeder Teamchef oder Co-Trainer taugt letztendli­ch als Experte. Aber nicht, weil es ihnen an Wissen oder Spielpraxi­s mangelt: Sie haben vermutlich sogar mehr Know-how als andere. Nur sind sie keine Entertaine­r. Und dann fehlt der in diesem Metier so zwingend nötige „Schmäh“.

Eine WM ist kein Testspiel, auf Experiment­e sollte besser verzichtet werden. Sowohl auf dem Rasen als auch im TV-Studio.

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