Disziplin, Rituale und royale Daumendrückerin
24 STUNDEN AKTUELLE NACHRICHTEN AUF Gruppe H: Gelingt Japan der Aufstieg als erstes asiatisches Team?
Jekaterinburg. Gegen Kolumbien gelang Japan der erste Sieg einer asiatischen über eine südamerikanische Mannschaft in der WM-Geschichte. Heute können die „blauen Samurai“das Ticket für das Achtelfinale lösen. Ein Sieg gegen die ebenfalls zum Auftakt siegreichen Senegalesen würde die Mannschaft von Akira Nishino zum dritten Mal nach 2002 und 2010 bei einer WM unter die letzten 16 bringen.
Der 63-Jährige hat erst im April als Teamchef übernommen, nachdem die mageren Testspielergebnisse (1:1 gegen Mali, 1:2 gegen Ukraine) beim Verband die Alarmglocken hatten schrillen lassen. Vahid Halilhodziˇc´ musste schließlich trotz der geschafften Qualifikation den Sessel räumen. Nishino, bis dahin technischer Direktor, übernahm und sorgte für die Trendwende beim Weltranglisten-61.
Kein Trainer feierte in der japanischen Liga mehr Siege, zudem gelang der von Nishino trainierten U23-Auswahl 1996 das „Wunder von Miami“, als Brasilien besiegt wurde. Als ruhiger und akribischer Coach sucht er den Austausch mit den Spielern und bezieht sie, im Gegensatz zu seinem Vorgänger, in taktische Überlegungen mit ein. Der Ex-Profi ist großer Fan des FC Barcelona und lässt im Teambus gerne Spielszenen der Katalanen zeigen, zudem setzt er auf Rituale zur Stärkung des Teamgeists. Jeder Spieler muss seinen Kollegen die Hand geben, bevor er sich zum Frühstück setzen darf. „Wir stehen alle zusammen. Wir sind ein Team, deswegen ist die Stimmung ganz gut“, erklärte Kapitän Makoto Hasebe.
Gegen Kolumbien profitierten die Japaner vom frühen Platzverweis beim Gegner, danach präsentierten sich die Asiaten mit den Torschützen Shinji Kagawa und Yu¯ya O¯sako aber diszipliniert, taktisch gut eingestellt und lauffreudig. Mit diesen Tugenden sollen auch die robusten Afrikaner bezwungen werden. „Wir müssen am Boden bleiben und bedenken, dass wir fast 90 Minuten gegen zehn Mann gespielt haben“, mahnte Frankfurt-Legionär Hasebe vor allzu großer Euphorie: „Es ist schön, dass wir das erste Spiel gewonnen haben. Aber trotzdem haben wir noch gar nichts geschafft. Wir müssen genauso weitermachen.“
Vor der Partie erhielten die japanischen Teamspieler hohen Besuch. Prinzessin Takamado war als erstes Mitglied der Königsfamilie seit 1916 nach Russland gereist, um das Auftaktspiel zu besuchen. Am Donnerstag stattete die 64-Jährige dem Nationalteam dann einen persönlichen Besuch beim Training ab. Die Witwe des 2002 verstorbenen Cousins von Kaiser Akihito wird auch heute in Jekaterinburg auf der Tribüne Platz nehmen. Das große Putzen. Nach Spielende wird es in Jekaterinburg wohl wieder ein kollektives Putzen geben. Japanische wie senegalesische Fans hatten bei den vorangegangenen Partien nach Abpfiff Trinkbecher, Essenreste und sonstigen Unrat auf den Rängen in blauen Müllsäcken eingesammelt, die Videos davon sorgten in den sozialen Netzwerken für Furore. Es sei für sie eine Selbstverständlichkeit, den Platz so zurückzulassen, wie sie ihn vorgefunden hätten, betonten die japanischen Anhänger. Die angestellte Putzkolonne in Jekaterinburg wird es freuen, haben sie doch weniger Arbeit als sonst zu erwarten. swi