Zu viel Pulver verschossen
Die Verkäufe für Impressionismus und Moderne in London liefen schleppend. Nach den Megaauktionen in New York im Mai fehlte es an gutem Material.
Die Akquisitionen für die Juniauktionen der Marktführer Sotheby’s und Christie’s in London dürften nach diesem starken ersten Halbjahr ziemlich schwer gewesen sein. Mit der Rockefeller-Auktion und den großen Prestigeauktionen in New York im Mai ist eine geballte Ladung an Kunst auf den Markt gekommen wie selten zuvor. Es wurden Werke im Gegenwert von insgesamt 1,4 Milliarden Dollar verkauft. Nur so kurze Zeit danach schon wieder mit hervorragenden Stücken auf den Markt zu gehen und die Käufer zu motivieren, ist keine leichte Sache. Das Angebot beider Häuser hatte nur wenige herausragende Arbeiten zu bieten. Zudem hat sich seit einiger Zeit New York als der bessere Umschlagplatz für Werke des Impressionismus und der Klassischen Moderne herausgestellt. Alle diese Fakten haben sich deutlich im Ergebnis der Londoner Juniauktionen niedergeschlagen, wobei es für Christie’s insgesamt besser lief als für den Konkurrenten Sotheby’s.
So ist Sotheby’s am 19. Juni mit 36 Losen und einem unteren Gesamtschätzwert von 99,7 Millionen Pfund angetreten. Medienberichten zufolge hatte ein Drittel der Lose Garantien. Dennoch fanden von den 36 Losen nur 26 Abnehmer, und der Gesamterlös blieb mit 87,5 Millionen Pfund unter den Erwartungen.
Einmal mehr stand bei Sotheby’s Pablo Picasso im Mittelpunkt der Abendauktion von Impressionismus und Klassischer Moderne. Das Porträt von Picassos Muse Marie-Ther´ese` Walter, „Buste de femme de profil (femme ecrivant)“,´ hatte eine Taxe von 33 Millionen Pfund. Es stammt aus dem Jahr 1932, wie auch jene, die im Februar in London und im Mai in New York sehr erfolgreich verkauft wurden. Doch das Los verfehlte die Erwartungen und ging mit einem einzigen Gebot für 27,3 Millionen Pfund vermutlich an den Garantiegeber. Giacomettis Katze. Das zweite Toplos, eine Bronze von Giacometti aus dem Jahr 1955, ging schon mit einer Vorbelastung an den Start. „Le chat“wurde mit einer Schätzung von rund zehn Millionen Pfund aufgerufen. Die Skulptur war aus der Auktion im Mai in New York Medienberichten zufolge wegen fehlender Ausfuhrlizenzen zurückgezogen worden, hatte damals aber einen unteren Schätzwert von 20 Millionen Dollar. 2010 wurde die Arbeit für 21 Millionen Dollar versteigert. Am Dienstag ergatterte sie Hauser & Wirth für 12,6 Millionen Pfund, also nur 16,7 Millionen Dollar.
„Peinture“von Joan Miro´ aus dem Jahr 1933, das einmal im Besitz des Künstlers Alexander Calder stand und vom bekannten Sammlerehepaar Norman und Irma Braman aus Miami eingebracht wurde, kam mit einer Schätzung von acht bis zwölf Millionen Pfund unter den Hammer. Trotz der prominenten Provenienz fand das Werk keinen Käufer. Auch eine Papierarbeit von August Macke, „Begrüßung“, mit einer Taxe von 400.000 bis 600.000 Pfund und die „Birkenallee im Wannseegarten, Blick auf das Kohlfeld“von Max Liebermann, das auf 600.000 bis 800.000 Pfund geschätzt war, blieben unverkauft.
Reüssieren konnte hingegen Wassily Kandinskys „Gabriele Münter im Freien vor der Staffelei“aus 1910, das mit 5,3 Millionen Pfund knapp über der oberen Taxe von fünf Millionen Pfund einen Käufer fand. Ebenso war Paul Gauguins „Fleurs dans un panier“einem russischen Käufer 2,3 Millionen Pfund wert und damit mehr als die geschätzten ein bis 1,5 Millionen Pfund.
Im Day Sale lief es besser für Sotheby’s, da konnten auch zwei neue Rekordpreise erzielt werden. Teuerstes Werk war Rik Wouters „Femme en foret,ˆ chapeau bleu a` la main, bras leve“,´ das auf 1,2 Millionen Pfund stieg, ein neuer Höchstpreis für den Künstler. Die obere Schätzung lag bei 350.000 Pfund. Der zweite Rekord wurde für Jan Verkades „Herinnerings“mit einem Preis von 200.000 Pfund erzielt. Käufer ist das Rijksmuseum in Amsterdam. Die obere Taxe lag bei 120.000 Pfund. Rekord für Marc. Am Folgetag ging Christie’s mit 44 Losen an den Start und erlöste 128,1 Millionen Pfund. Das Auktionshaus sicherte einen neuen Rekord für eine Gouache von Franz Marc. Die Studie „Drei Pferde“stammt aus dem Jahr 1912, der Hochphase des Blauen Reiters, und stieg mit 15,4 Millionen Pfund auf das Sechsfache der Schätzung. Die Gouache war ursprünglich in Besitz von Karl Ernst Osthaus, wurde 1937 von den Nationalsozialisten als „entartet“aus dem Folkwang Museum konfisziert und 1941 von Hildebrand Gurlitt gekauft. 1951 gelangte es über Ketterer in Stuttgart an die New Yorker Besitzer, deren Erben es nun zum Verkauf gaben. Gekauft hat es der New Yorker Privatsammler Jeffrey Loria. Interesse aus Asien. Überhaupt waren es die weniger laut beworbenen Werke, die in dieser Auktion reüssierten. So konnte ein „Knieendes Mädchen, sich den Rock über den Kopf ziehend“von Egon Schiele den oberen Schätzwert mehr als verdoppeln und wurde mit 1,6 Millionen Pfund nach Asien verkauft. Schiele stand bei Asiaten hoch im Kurs, gab es doch gleich zwei Telefonbieter, die sich am Ende um den Zuschlag matchten. Der Einbringer hatte für die Arbeit übrigens 1985 85.500 Dollar bezahlt.
Christie’s hatte im Vorfeld die Auktion stärker in Asien beworben. Das hat dem Haus wohl geholfen. 32 Prozent der Käufer stammten aus Asien, gab das Auktionshaus bekannt. Asiaten greifen nach bekannten Namen. So ging auch eine Bronze von Rodins berühmtem „Kuss“für 12,6 Millionen Pfund an einen asiatischen Käufer, und auch Monets Landschaft „Le Dam a` Zaandam, le Soir“ging für 2,6 Millionen Pfund nach Asien. Und schließlich landete wohl auch das marktfrische Porträt von Dora Maar, „Femme dans un fauteuil“, das mit einer Taxe von 18 bis 25 Millionen Pfund versehen war, für 19,4 Millionen Pfund bei einem Kunden der Vizevorsitzenden von Christie’s Asia.
Selbst marktfrische Ware war keine Garantie für einen Verkauf. Christie’s konnte mit einem hohen Anteil an asiatischen Käufern punkten.
Einen neuen Höchstpreis trotz verhaltenen Geboten verbuchte das Haus für Kasimir Malewitschs figuratives frühes Werk „Landschaft“aus dem Jahr 1911. Es war 2014 in der MalewitschAusstellung in Bonn zu sehen und einem russischen Käufer 7,9 Millionen Pfund wert. Das Bild wurde 2012 vom Kunstmuseum Basel an die Nachkommen des Künstlers restituiert.
Mehr verdient hätte sich Monets Werk „La Gare St.-Lazare, Vue Exteri-´ eure“aus der bekannten Sammlung von Nancy Lee und Perry R. Bass, das für 25 Millionen Pfund verkauft wurde. Es gibt nur zwölf Versionen dieses beliebten Motivs, die meisten davon sind in Museen.