Warum wir Kochbücher am lieb
Wir kaufen Kochbücher nicht, um die Rezepte nachzukochen, sondern um sie im Bett zu lesen. Auch wenn der große Hype leicht nachlässt, brauchen wir sie zum Entspannen.
Österreich ist ein Land der Hobbyköche. Zumindest könnte man das angesichts der vielen Kochbücher, die hierzulande verkauft werden, meinen. Wobei nicht nur in Österreich – auch in anderen Ländern erleben Kochbücher seit Jahren einen regelrechten Boom, der derzeit zwar leicht rückläufig ist, allerdings von einem sehr hohen Niveau aus. „Vor zehn Jahren gab es bei Kochbüchern jährlich 500 Neuerscheinungen im gesamten deutschsprachigen Raum, jetzt sind es 2500 pro Jahr“, sagt Nikolaus Brandstätter, Verlagsleiter und Geschäftsführer des BrandstätterVerlags, der (auch) in Sachen Kochbüchern hierzulande Marktführer ist.
Seit 2000 beobachtet er einen regelrechten Boom bei Kochbüchern, an dem Jamie Oliver nicht ganz unbeteiligt ist. Seit etwa zwei Jahren geht es leicht zurück. Wobei Brandstätter das auf eine gewisse Sättigung und Bereinigung des Marktes zurückführt. Reine Rezeptsammlungen funktionieren nicht mehr. Stattdessen muss es persönlich sein, eine Geschichte erzählt oder ein gewisses Lebensgefühl transportieren werden. Der Gedanke zählt. Dass hierzulande viel gekocht wird, darf man aus dem Hype um kulinarische Bücher allerdings nicht schließen. Lediglich zwei Prozent der Rezepte werden tatsächlich nachgekocht. „Und was glauben Sie, wo die meisten Kochbücher gelesen werden“, fragt Brandstätter, um auch gleich die Antwort zu liefern, „im Bett.“Allein der Gedanke, wieder einmal Freunde einzuladen, um diesen dann das ein oder andere Rezept zu kochen, reicht uns offenbar. Das erklärt auch, warum sich kulinarische Bücher längst nicht mehr auf Kochbücher beschränken. Mittlerweile hat sich die Kategorie kulinarische Romane herausgebildet, gern auch mit dem Untergenre Krimi. Und auch die Kombination aus Reiseführer und Kochbuch scheint immer beliebter zu werden.
Elisabeth Blasch, die für den auf kulinarische Bücher spezialisierten Pichler-Verlag zuständig ist, ortet ebenfalls eine Konsolidierungsphase bei Kochbüchern – aber auch einen Trend in Richtung Bodenständigkeit: „Gerade im Kulinariksegment ist der Trend zum Regionalen, zur bodenständigen Küche – durchaus in moderner Ausprägung – nach wie vor deutlich spürbar.“Und: Die Zielgruppe ist nicht nur jung und urban. Auch im ländlichen Raum gibt es viele Käuferinnen, die ein paar Rezepte mehr als der Durchschnitt nachkochen – und vor allem backen. Ist doch eines der erfolgreichsten Bücher des Pichler-Verlags jenes über die „Burgenländischen Hochzeitsbäcke- rinnen“, das sich mittlerweile zu einer dreiteiligen Serie ausgeweitet hat (auch das übrigens ein Trend). Kochbücher gibt es wie Sand am Meer. Es gibt aber dennoch ein paar Rettungsanker, gern in Form von prominenten Namen. So zählen die Kochbücher von Ewald Plachutta im Brandstätter-Verlag nach wie vor zu den Bestsellern, egal, ob es sich dabei um Plachuttas „Wiener Küche“, seine „Kochschule“oder den „Goldenen Plachutta“handelt.
Etwas jünger ist hingegen die Kochbuchreihe von Richard Rauch (Steirawirt) und der Kochbuchautorin und Kulinarikjournalistin Katharina Seiser. Ebenfalls im Brandstätter-Verlag haben die beiden eine vierbändige Reihe – „Die Jahreszeiten Kochschule“– herausgebracht, mit klassischen Rezepten, die teilweise leicht modernisiert wurden, viel Warenkunde und sehr schönen Fotos (ohne die kommt heute ohnehin kein Kochbuch aus). Adressen für Kochbücher Babettes: Schleifmühlgasse 17, 1040 Wien, 01/585 5165; bzw. Am Hof 13, 1010 Wien, 01/533 6685, Mo- Fr 10-19, Sa 10.30-17 Uhr, babettes.at Buchhandlung Heyn: Kramergasse 2-4, 9020 Klagenfurt, Mo- Fr 9-18, Sa 9-14 Uhr, 0463/542 490, heyn.at Wagner’sche: Museumstraße 4, 6020 Innsbruck, Mo-Fr 9-18.30 Uhr, Sa 9-17 Uhr, 0512/595 05 0, wagnersche.at Hier findet man kaum schnelle Rezepte, sondern das, was man immer schon einmal kochen wollte und zuletzt bei der eigenen Großmutter gegessen hat – mit der rein emotional kein Spitzenkoch mithalten kann.
Dass es auch gern etwas sehr Altes sein darf, beweist der neu aufgelegte Klassiker „Katharina Prato – Die gute alte Küche“, der aus dem Jahr 1895 stammt und noch von Christoph Wagner neu editiert und kommentiert wurde (Pichler-Verlag). Fotos gibt es hier keine, dafür Rezepte für „Ohne Stauben gedünstetes Gemüse“, SchöberlPastete, Schildkröten als Eingemachtes oder Froschkeulen. Zumindest Letzteres wird wohl eher selten nachgekocht. Der kürzlich verstorbene Meisterkoch Anthony Bourdain war einer der ersten, der unter die schreibenden Köche gegangen ist. Bereits im Jahr 2000 hat er mit seinem Buch „Kitchen Confidential“bzw. „Geständnisse eines Küchenchefs“für Aufsehen gesorgt. Das Buch mit dem (deutschen) Untertitel „Was Sie über Restaurants nie wissen wollen“verhalf nicht nur Bourdain zu einer eigenen Fernsehserie, sondern animierte auch zahlreiche seiner Kollegen, es ihm gleich zu tun. Heute darf es auch gern mit politischer Botschaft sein, wie das etwa Franz Keller in seinem jüngsten Buch „Vom Einfachen das Beste“getan hat (Westend-Verlag). Immerhin hat sich Keller, der bereits für die Queen, Wladimir Putin oder Angela Merkel gekocht hat, längst von der Sterneküche verabschiedet und züchtet nun seine eigenen Rinder, Hühner und Schweine, um deren Fleisch in seinem Restaurant zu kredenzen.