Einer Legende gehen die Fahrer aus
Der US-amerikanische Motorradhersteller Harley-Davidson wird gerade in einen Handelskonflikt hineingezogen. Und das nicht zum ersten Mal. Dabei hat die Kultmarke eigentlich mit ganz anderen Problemen zu kämpfen.
Wenn andere mit 150 Stundenkilometern über die Landstraße heizen, fahren unsere Leute 80 km/h und sitzen aufrecht.“Was Johannes Fischer beschreibt, ist Teil eines Lebensgefühls. Eines, das wohl nur Harley-Fahrer kennen. Die Marke, sagt Fischer, steht für Entschleunigung und für etwas noch Größeres: nämlich Freiheit. „Das Motorrad gibt es da gratis dazu, so lautet zumindest unser Mantra.“Fischer selbst ist Junior-Chef eines großen Händlers in Wien. Er wird das Geschäft eines Tages in dritter Generation leiten. Benzin liegt der Familie also im Blut. Auch Fischer fährt Harley: eine FLHX Street Glide. Er sagt: „Einmal Harley, immer Harley.“
Harley-Davidson steht für einen Kult, um den andere Unternehmen den legendären amerikanischen Motorradhersteller nur beneiden können. „Unsere Leute tätowieren sich das Firmenlogo eines börsenotierten Konzerns unter die Haut“, so Fischer. Damit ist eigentlich alles erklärt. Dieser Kult ist es auch, der das Leben eines Harley-Fahrers ausmacht. Es ist eine Welt, in die man über Kleidung oder regelmäßige Treffen tief eintauchen kann.
Harley-Davidson, 1903 in Milwaukee, Wisconsin, von William S. Harley und Arthur Davidson gegründet, feiert in diesem Jahr sein 115-jähriges Bestehen. Auch heute noch ist die USA des Herstellers größter Markt. Doch wird das internationale Standbein immer wichtiger. Zuletzt sah sich das Unternehmen allerdings mit sinkenden Absatzzahlen konfrontiert: 2017 wurden zwar knapp 241.500 Motorräder ausgeliefert, doch war es der niedrigste Wert seit sechs Jahren. Der Gewinn brach gegenüber 2016 gar um ein Viertel ein. Dem Unternehmen macht das Alter der Stammkundschaft zunehmend zu schaffen. „Wir müssen aufhören, nur Motorräder zu bauen, wir müssen neue Fahrer gewinnen“, sagt Firmenchef Matthew Levatich.
Doch ausgerechnet jetzt wird die Firma in einen globalen Handelskonflikt hineingezogen. Dabei hat US-Präsident Donald Trump das gar nicht beabsichtigt. „Wir sind stolz auf euch. Made in America. Harley-Davison“, hatte er vor rund einem Jahr posaunt und das Unternehmen gar als „Stütze der amerikanischen Produktion“bezeichnet. Doch Trumps Welt dreht sich bekanntlich schnell. Und weil er „America great again“machen will, hat er Zölle auf Waren aus dem Ausland verhängt, um die Produkte aus der Heimat zu schützen. Die EU ließ dies nicht auf sich sitzen und reagierte – ebenfalls mit Zöllen. Und Harley-Davidson? Ist plötzlich mittendrin.
Das Unternehmen wird von den Gegenmaßnahmen der EU hart getroffen und hat deshalb bereits angekündigt, Teile seiner Produktion aus den USA ins Ausland zu verlagern. Nur auf diese Weise könne man Preiserhöhungen für Kunden aus Europa verhindern. Und die würden mit 2200 Dollar pro Maschine durchaus saftig zu Buche schlagen. „Überrascht, dass HarleyDavidson von allen Unternehmen als Erstes die weiße Flagge hisst“, twitterte Trump. Mache die Kultmarke ihre Ankündigung wahr, sei dies der „Anfang vom Ende“. Für Harley ist es bereits die „zweite Watsche“im Handelskonflikt, wie Mitteleuropa-Chef Christian Arnezeder sagt. Denn die US-Importzölle auf Stahl haben schon die Rohstoffpreise verteuert. Die Geschichte wiederholt sich. Dabei waren es einst sogar Schutzzölle, die das Unternehmen vor dem Untergang bewahrten. Zumindest fast. In den 1980er-Jahren wurde die japanische Autoindustrie von der amerikanischen Konkurrenz als Bedrohung wahrgenommen. Denn die Asiaten konnten Fahrzeuge bauen, die nicht nur weniger Benzin verbrauchten, sondern sich auch noch als praktischer erwiesen. Japanische Motorradhersteller drängten ebenfalls auf den Markt – und machten Harley-Davidson das Leben schwer. Die Regierung unter Präsident Ronald
gegründet
in Milwaukee, Wisconsin, von William Harley und Arthur Davidson.
verkaufte
HarleyDavidson weltweit 241.498 Motorräder. Das entspricht einem Rückgang von knapp acht Prozent gegenüber dem Jahr zuvor. Auch für 2018 sind um acht Prozent weniger Auslieferungen geplant. will Harley-Davidson ein auf den Markt bringen.
Elektro-Motorrad
Reagan reagierte damals prompt: 1983 verzehnfachte sie die Einfuhrzölle für Motorräder, die mehr als 700 Kubikzentimeter Hubraum hatten. „Die Maßnahme ist dazu da, um eine amerikanische Firma zu schützen, den einzig überlebenden US-Hersteller von Motorrädern“, schrieb die „New York Times“einst. Der damalige Firmenchef Vaughn L. Beals zeigte sich naturgemäß „erfreut“, denn die Zölle gaben dem Unternehmen „die Zeit, die wir sonst möglicherweise nicht hätten, um unsere Produktion zu verbessern und neue Modelle herauszubringen“.
Was war damit gemeint? Die Maßnahmen der US-Regierung halfen dem Unternehmen zu einer Zeit, in der es sich mit Qualitätsproblemen herumschlagen musste. Diese wiederum basierten auf Fehlern aus der Vergangenheit. Ende der 1960er-Jahre nämlich war Harley-Davidson in Schieflage geraten und von der American Machine and Foundry Company (AMF) übernommen worden. Der Film „Easy Rider“, in dem Peter Fonda und Dennis Hopper mit umgebauten Harleys durch die USA fuhren, machte das Motorrad zwar populär. Doch wurde auch offensichtlich, dass andere Hersteller technisch bessere Maschinen bauten, weshalb Harleys abschätzig gar als „hardly driveable“(kaum fahrbar) bezeichnet wurden. Ein Motorrad, teuer wie ein Auto. 1981 schließlich kam die Erlösung für Harley. So zumindest wird es auf zahlreichen Fanseiten beschrieben. AFM verkaufte das Unternehmen an eine Gruppe aus Investoren. Unter anderem an die Gründerfamilie und den genannten Vaughn Beals, dem Reagans Zölle Luft verschafften, um das Unternehmen auf solide Beine zu stellen. Harley-Davidson investierte fortan in seine Produktentwicklung und brachte verlässlichere Maschinen auf den Markt. Es erlebte ein Revival.
Spätestens mit der Finanzkrise im Jahr 2008 begann für Harley allerdings erneut eine Durststrecke. Die Amerikaner hatten plötzlich kein Geld mehr und zogen es vor, ihre Hauskredite zu bedienen, anstatt den Kauf einer Har- ley zu finanzieren. Die Absatzzahlen fielen deutlich, und das Unternehmen reagierte mit dem Abbau von Jobs. Die Tochter Buell wurde eingedampft, im Gegenzug erwarb man die italienische Edelmarke MV Agusta, nur um sie ein Jahr später an den ursprünglichen Verkäufer, den Italiener Claudio Castiglioni, zurückzugeben.
Nach der Krise hörte Harley auch irgendwann auf, das Alter seiner Fahrer zu veröffentlichen. 2008 war der durchschnittliche Käufer bereits 48, während er 1999 noch 43 Jahre alt war. HarleyVerkäufer Fischer sagt: „Harley-Kunden waren nie jung.“Das hat wohl auch damit zu tun, dass Jüngere eher auf das Thema Geschwindigkeit setzen. Und da sind sie bei anderen Herstellern wohl besser bedient. Freilich spielt auch der Preis eine gewichtige Rolle. Die günstigste Harley kostet knapp 9000 Euro, doch im Schnitt sagt Fischer, legt man 20.000 Euro (manche auch mehr als das Doppelte) für ein Motorrad auf den Tisch.
»Überrascht, dass Harley-Davidson als Erstes die weiße Flagge hisst.« »Es ist eine Mischung aus Rockern und Zahnärzten, die sich für Harleys begeistern.«
Wer ein Motorrad zum Preis eines VW Golf besitzt, muss schon ordentlich verdienen. Und so ist es heute eine Mischung aus „Rockern und Zahnärzten“, die zum Kundenkreis zählt, sagt Fischer. Den Markt sieht er in gewisser Weise gesättigt und Harley als „Nische in der Nische“. Mit einer eigenen Modellreihe versucht Harley jedoch jüngere Kunden anzulocken. Immer wieder gab es in der Vergangenheit auch Gerüchte, die Amerikaner seien an der VW-Marke Ducati interessiert. Sie steht für Sportlichkeit und spricht, ob ihrer Handhabung, tendenziell kein älteres Publikum an. Der Haken daran: Ducati steht gar nicht mehr zum Verkauf.
Vielleicht kann aber 2019 die Wende bringen. Da will Harley-Davidson ein Elektro-Motorrad auf den Markt bringen – und zwar serienmäßig. Der typische Sound wird allerdings ein künstlicher sein.