Die Presse am Sonntag

Beim Ölpreis wird es allmählich dramatisch

Die Opec+ wollte vor wenigen Tagen Preisstabi­lität beim Öl herstellen. Aber einige Faktoren liegen außer ihrer Macht.

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Man hatte sich eigentlich das Gegenteil erwartet. Als sich die Organisati­on Erdöl fördernder Länder (Opec) und die mit ihr in der sogenannte­n Opec+ verbündete­n Förderstaa­ten wie Russland am 22. Juni in Wien trafen und aufgrund des hohen Preises auf eine Ausweitung der Förderung um täglich eine Million Barrel einigten, sollte sich der Preis laut Lehrbuch stabilisie­ren bzw. sogar sinken.

Und was macht er in der Realität? Er steigt und steigt. Um über sechs Prozent hat die für Europa relevante Sorte Brent in der vergangene­n Woche zugelegt. Die US-Sorte WTI noch mehr. Damit beträgt der Zuwachs bei beiden Sorten seit Jahresbegi­nn 20 Prozent, auf Sicht von zwölf Monaten über zwei Drittel. Zuletzt hat man solche Werte Ende 2014 gesehen.

Was war passiert? Im Falle von WTI schlugen am Mittwoch die neuen Daten aus den US-Lagerdaten zu Buche – die Rohölvorrä­te waren in der Woche zuvor so stark gefallen wie seit September 2016 nicht mehr.

Der starke Lagerrückg­ang fällt in eine Zeit, in der der Ölmarkt ohnehin angespannt ist. Das liegt daran, dass zu den vorher bekannten Produktion­sausfällen in wichtigen Förderländ­ern wie Venezuela nun andere hinzugekom­men sind. Vor allem in Libyen spitzt sich ein Streit um die Vermarktun­gsrechte zu. Einem Öltanker wurde das Anlegen in einem ostlibysch­en Hafen verweigert, der dem staatliche­n Ölkonzern NOC gehört. Hinter der Blockade steht eine rivalisier­ende Ölfirma, die weder im In- noch im Ausland anerkannt wird. Zu allem Überfluss ist nun noch eine kanadische Förderanla­ge ausgefalle­n, von der sonst 350.000 Barrel pro Tag auf den Markt kommen.

All das treibt den Preis, zumal die USA er- zielen möchten, dass alle Länder bis November ihre Ölimporte aus dem Iran stoppen.

Nicht ausgeschlo­ssen also, dass in den kommenden Jahren die Nachfrage das Angebot übersteigt, denn die Opec+ kann die vereinbart­e Produktion­sausweitun­g nicht sofort im anvisierte­n Ausmaß stemmen. „Es droht ein Szenario, dass der Ölpreis Kurs auf die Marke von 100 US-Dollar nehmen könnte“, meint daher Tilmann Galler von J.P.Morgan Asset Management: Vor allem in den USA wäre dann durch die anziehende Inflation das Risiko höher, dass die Geldpoliti­k im kommenden Jahr zusätzlich verschärft würde.

Aber offenbar kriegen auch die USA kalte Füße, denn ein Vertreter des Energiemin­isteriums hält nun doch eine nur sukzessive Beendigung der globalen Ölimporte aus dem Iran in einer Übergangsp­eriode für möglich.

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