Große Tage in Colorado: Als Audi auf dem Gipfel war
Volkswagen feierte beim berühmtesten Bergrennen der Welt einen Triumph. Den Pikes Peak Hill Climb in Colorado, USA, nutzten schon viele Hersteller als Bühne für ihre Technologie – selten allerdings so eindrucksvoll wie Audi mit einem neuartigen Allradantr
Es musste etwas für die Geschichtsbücher werden, auch wenn VW nicht mehr als acht Monate Zeit dafür hatte. Im Oktober 2017 ging die Motorsportabteilung unter ihrem Chef Sven Smeets daran, ein Auto zu bauen, das für nichts anderes als einen einzigen kurzen Sturm einen Berg hinauf zu gebrauchen sein würde.
Entsprechend kompromisslos sieht das Gefährt aus: Gestreckter als eine Limousine in chinesischer Langversion, aber gerade 1,20 Meter hoch. Der Fahrer findet nur durch eine kleine Luke im Dach an seinen beengten Arbeitsplatz. Die Flügel an Front und Heck gehören zum größten, was man auf ein Fahrzeug montieren kann, sie drücken es durch den Abtrieb während der Fahrt so fest auf den Boden, dass es trotz monströser Leistung wie auf Schienen fährt. Das gehört auf diesem Berg zur Grundausstattung.
Die staunende Motorsportgemeinde muss dennoch eine neue Technikkomponente in ihr Vokabular aufnehmen: die Rennbatterie. Ein HochvoltEnergiespeicher, der nicht für hohe Reichweiten, sondern für maximale Leistungsabgabe konzipiert ist.
Weit, wie gesagt, muss der Rennwagen mit je einem Elektromotor an jeder Achse ja nicht kommen. Krawall war einmal. Aber hoch hinauf, und das möglichst schnell. 19,99 Kilometer und 1439 Höhenmeter galt es zu bezwingen, sowie eine Zeit aus dem Jahr 2013: 8,13.878 Minuten. Fünf Jahre schon hatte sich der Rekordwert des französischen Rallye-Profis Sebastien´ Loeb gehalten, gefahren in einem fast 900 PS starken Peugeot, der dem Publikum an der Strecke einen markigen Klangteppich ausrollte.
Aber mit Benzinmotoren als Rekordanwärter dürfte es auf dem Pikes Peak nun endgültig vorbei sein.
Der Rennprofi Romain Dumas pulverisierte vergangenen Sonntag gegen 10.00 Uhr Ortszeit die Fabelzeit seines Landsmannes Loeb. In seinem irritierend leisen VW raste er in 7.57,148 Minuten zum Gipfel, fast 17 Sekunden schneller als der Extrem-Peugeot.
Meter Höhenunterschied
liegen zwischen dem Start des US-Bergrennens auf 2862 Metern Höhe und dem Ziel auf dem Gipfel.
Prozent Leistung
und mehr verlieren Verbrennungsmotoren durch die dünne Luft in Gipfelnähe. E-Motoren betrifft das nicht. Der erste Anlauf 1987: Ein Golf mit zwei Motoren (li.). Siegreich: Der elektrische VW I.D. R setzt bei dem US-Bergrennen einen neuen Rekord.
Zweites Ergebnis des Höllenritts: Um sich in die absolute Bestenliste eintragen zu können, wird man um Elektroantrieb künftig kaum noch herumkommen. Die Technik ist mittlerweile soweit, die Nachteile des hohen Akkugewichts kompensieren und den prägnanten Vorteil – im Gegensatz zu Verbrennungsmotoren keinerlei Leistungsverlust durch den sinkenden Sauerstoffgehalt in großer Höhe – voll auskosten zu können. Und es wird eines Aufwands bedürfen, wie ihn nur ein großer Hersteller wie VW mit (nicht veröffentlichtem) Millionenbudget betreiben kann .
Da freilich wird man nicht lang warten müssen. Der Berg dient schon seit Jahrzehnten als Bühne für Hersteller, die dem Land ihre neueste Technologie vorführen wollen. Alle waren schon einmal da, die Japaner, die Deutschen, die Franzosen; KTM aus Österreich gewann im Vorjahr die Motorradwertung. Bei VW ist es der Aufbruch ins Elektrozeitalter, wenn es denn kommt wie angekündigt, und so trägt der Rennwagen auch den Markennamen der neuen Palette von E-Autos, die ab 2020 zu kaufen sein wird: VW I. D.
Die Erkenntnis, dass dünne Höhenluft einen E-Motor keine Leistung kostet, mag für Konsumenten, die mehrheitlich nicht dramatisch hoch über Meeresniveau verkehren, zwar keine große Rolle spielen. Aber der Symbolgehalt ist nicht von der Hand zu weisen: Elektro überholt Benzin. Tal der Tränen. Dass Werbebanner auf 4301 Meter Gipfelhöhe gehisst werden, ist allerdings Verdienst einer Marke, die sich momentan eher im Tal der Tränen befindet, wenn die Metapher gestattet ist: die Konzerntochter Audi.
Denn was 1916 als Touristenattraktion des Städtchens Colorado Springs auf einem staubigen Höhenpfad begann, wurde erst durch die Ingolstädter unter ihrem Technikchef Ferdinand Piech¨ zu einer ernsten, jedenfalls hochprofessionellen Angelegenheit.
1982 hatte Audi zum zweiten Mal die Rallye-WM gewonnen und den Sport nachhaltig verändert: Ohne Allrad war dort kein Blumentopf mehr zu gewinnen. War permanenter Antrieb aller vier Räder bis dahin ein Fall für sperrige Offroader gewesen, so wurde er von Audi unter dem Quattro-Label zum sportlich-versatilen Techno–Accessoire für normale Autos entwickelt. Der Rallyesport war in den USA aller- dings so gut wie unbekannt und schied als Marketingtool aus. Aber es gab da eine nicht asphaltierte Bergstraße, auf der einmal im Jahr die verwegensten Draufgänger des US-Motorsports ihre Spezialkonstruktionen hinaufjagten. Der Pikes Peak Hill Climb: das richtige Terrain für Rallye-gestählte Quattros.
Der Symbolgehalt ist nicht von der Hand zu weisen: Elektro überholt Benzin. Audi kam mit nur einem Auto und einer Überraschung am Steuer: einer Rallye-Pilotin.
Nach zwei ermutigenden Einsätzen eines Privatiers rückte 1984 schließlich der Tross an – optimistisch mit nur einem Auto im Gepäck und einer Überraschung am Steuer: die französische Rallyefahrerin Mich`ele Mouton.
Was sich die Fans an der Strecke zwischen zwei Buds so zuraunten, ist nicht überliefert, es war aber schon in der Macho-Gemeinde des Fahrerlagers ein ziemlicher Schock, als Mouton in ihrem Sport Quattro zuerst auf Anhieb die Gruppenwertung holte und im Jahr darauf den Gesamtsieg. Die Frau war schnell, sonst hätte Audi sie nicht betraut, je nach Chauvi-Attitüde mag in der Siegesbotschaft aber auch mitgeschwungen haben: So verkehrt kann die Technik nicht sein.