Wort der Woche
BEGRIFFE DER WISSENSCHAFT
Der Boden ist unsere wichtigste Lebensgrundlage. Die Regelungen zum Bodenschutz werden dieser immensen Bedeutung aber bei Weitem nicht gerecht.
Wenn man nach Lippenbekenntnissen geht, geht es dem Boden in Österreich sehr gut“, stellt der Agrarrechtsexperte Gottfried Holzer fest. Die Realität ist aber eine andere: Jeden Tag werden 13 Hektar Agrarland verbaut. Das entspricht 20 Fußballfeldern, es ist ein Vielfaches des Flächenverlustes in anderen europäischen Ländern – und fünfmal mehr als das Ziel, das die Regierung vor 16 Jahren (!) definiert hat. Zudem lässt die Qualität der Böden vielfach zu wünschen übrig (etwa wegen Überdüngung oder Erosion).
Woran es krankt, das haben Holzer und sein Fachkollege Roland Norer nun im Detail analysiert. Das Bodenschutzrecht sei „außerordentlich zersplittert und unübersichtlich“, schreiben sie im eben erschienenen Buch „Bodenschutzrecht“(NWV-Verlag, 297 S., 48,80 Euro), das erstmals einen umfassenden Überblick über die Rechtslage versucht. Allein schon die Auflistung der Titel der Gesetze und Verordnungen füllt sieben Seiten. Darunter gebe es „zahlreiche unbestimmte Anordnungen“, die Einhaltung vieler Bestimmungen könne „nicht wirklich überprüft werden“. Es gebe sogar „halbtotes“Recht, das de facto unwirksam ist – aber trotzdem nicht zurückgenommen werde.
Dieser beklagenswerte Zustand ist die Folge eines mangelnden Bewusstseins und der föderalen Verfasstheit Österreichs: Umweltschutz ist Sache der Bundesländer, die Regelungen werden aber von Bundes- und EU-Recht sowie internationalen Konventionen überlagert. Bei der Raumordnung sind die Kompetenzen kaum klarer: Auch hier erlassen die Länder Gesetze, die von Bundesgesetzen beeinflusst und von den Gemeinden zu vollziehen sind.
Hoffnung, dass die Zersplitterung und Wirkungslosigkeit durch Gesetzesnovellen beendet werden könne, haben die beiden Experten nicht. Sie fordern stattdessen Änderungen bei der Vollziehung, etwa durch verbindliche Vorgaben bei der Flächenwidmung. Denn das sei auch im derzeitigen Rechtsrahmen möglich – vorausgesetzt, es gäbe einen entsprechenden politischen Willen dafür.
Ein besserer Bodenschutz ist jedenfalls dringend nötig, nicht zuletzt aus sicherheitspolitischen Gründen: Je mehr Boden verbaut wird, umso weniger kann sich Österreich selbst mit Lebensmitteln versorgen – und das schaffe Abhängigkeiten, betonte Othmar Commenda, Chef des Generalstabs des Bundesheers, diese Woche bei einer Veranstaltung der Hagelversicherung: „Mit immer weniger Böden sind wir unheimlich verwundbar.“ Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.