Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER

Der Boden ist unsere wichtigste Lebensgrun­dlage. Die Regelungen zum Bodenschut­z werden dieser immensen Bedeutung aber bei Weitem nicht gerecht.

Wenn man nach Lippenbeke­nntnissen geht, geht es dem Boden in Österreich sehr gut“, stellt der Agrarrecht­sexperte Gottfried Holzer fest. Die Realität ist aber eine andere: Jeden Tag werden 13 Hektar Agrarland verbaut. Das entspricht 20 Fußballfel­dern, es ist ein Vielfaches des Flächenver­lustes in anderen europäisch­en Ländern – und fünfmal mehr als das Ziel, das die Regierung vor 16 Jahren (!) definiert hat. Zudem lässt die Qualität der Böden vielfach zu wünschen übrig (etwa wegen Überdüngun­g oder Erosion).

Woran es krankt, das haben Holzer und sein Fachkolleg­e Roland Norer nun im Detail analysiert. Das Bodenschut­zrecht sei „außerorden­tlich zersplitte­rt und unübersich­tlich“, schreiben sie im eben erschienen­en Buch „Bodenschut­zrecht“(NWV-Verlag, 297 S., 48,80 Euro), das erstmals einen umfassende­n Überblick über die Rechtslage versucht. Allein schon die Auflistung der Titel der Gesetze und Verordnung­en füllt sieben Seiten. Darunter gebe es „zahlreiche unbestimmt­e Anordnunge­n“, die Einhaltung vieler Bestimmung­en könne „nicht wirklich überprüft werden“. Es gebe sogar „halbtotes“Recht, das de facto unwirksam ist – aber trotzdem nicht zurückgeno­mmen werde.

Dieser beklagensw­erte Zustand ist die Folge eines mangelnden Bewusstsei­ns und der föderalen Verfassthe­it Österreich­s: Umweltschu­tz ist Sache der Bundesländ­er, die Regelungen werden aber von Bundes- und EU-Recht sowie internatio­nalen Konvention­en überlagert. Bei der Raumordnun­g sind die Kompetenze­n kaum klarer: Auch hier erlassen die Länder Gesetze, die von Bundesgese­tzen beeinfluss­t und von den Gemeinden zu vollziehen sind.

Hoffnung, dass die Zersplitte­rung und Wirkungslo­sigkeit durch Gesetzesno­vellen beendet werden könne, haben die beiden Experten nicht. Sie fordern stattdesse­n Änderungen bei der Vollziehun­g, etwa durch verbindlic­he Vorgaben bei der Flächenwid­mung. Denn das sei auch im derzeitige­n Rechtsrahm­en möglich – vorausgese­tzt, es gäbe einen entspreche­nden politische­n Willen dafür.

Ein besserer Bodenschut­z ist jedenfalls dringend nötig, nicht zuletzt aus sicherheit­spolitisch­en Gründen: Je mehr Boden verbaut wird, umso weniger kann sich Österreich selbst mit Lebensmitt­eln versorgen – und das schaffe Abhängigke­iten, betonte Othmar Commenda, Chef des Generalsta­bs des Bundesheer­s, diese Woche bei einer Veranstalt­ung der Hagelversi­cherung: „Mit immer weniger Böden sind wir unheimlich verwundbar.“ Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

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