Spurensuche in Spielber
Willi Dungl war schuld. Als ihn der Gesundheitspapst vor 30 Jahren ansprach und eine Aufgabe bei einem Formel-1-Team vermittelte, konnte Josef Leberer einfach nicht Nein sagen. Der Salzburger war anfangs sogar erschrocken ob der Aussicht, dass er bei McLaren PS-Legenden wie Alain Prost oder Ayrton Senna durchkneten durfte. Doch sein „Freund und Mentor“überzeugte 1988 den Mann aus Anthering. Er wurde Masseur, Physiotherapeut der Stars, Freund, Wegbegleiter, gute Seele, „Mädchen für alles“. Heute ist er Chef-Therapeut der kompletten Sauber-Mannschaft. Dass der Salzburger 2018 immer noch dabei ist, erfüllt „Joe“, wie man ihn in der Boxengasse ruft, mit mehr als nur Stolz.
Dass parallel dazu die 30. Auflage des Großen Preis von Österreich heute in Spielberg anhebt, „ist sicher bloß ein Zufall“, sagt er mit breitem Grinsen. Der erste Grand Prix wurde ja 1970 gefahren, also weit vor seinem Einstieg. Doch es gab Unterbrechungen, erst seit 2014 dröhnen in der Steiermark wieder die Motoren. Leberer ist seit 1988 durchgehend dabei, „mit über 500 Grand Prix in den Händen.“ Neben Sennas Sarg. Nicht nur F1-Fahrer liefern den Stoff, aus dem Legenden geschaffen werden. Auch Leberer hat so viel zu erzählen. Durch seine Hände glitten so viele Weltmeister. Prost, Senna, Hill, Mansell, Häkkinen, Räikkönen, Vettel, er zählt diese Namen wie aus der Pistole geschossen auf. Er hat so viele Feiern erlebt, Seelen gebügelt, Tipps gegeben und Nackenmuskulaturen gestärkt, dass er schon gar nicht mehr weiß, wie viele es denn wirklich waren. Leberer hat aber auch gelitten wie kein anderer. Etwa, als ihn Sennas Familie 1994 gebeten hatte, den Sarg auf dem Rückflug von Europa nach Sao˜ Paulo in der eigens gecharterten VarigBoeing 747 zu begleiten. Er saß allein in dem leeren Flugzeug, in der Business-Class. Neben dem Sarg.
Die Formel 1 von damals und die Königsklasse von heute könne man wirklich nicht vergleichen. Die Anfor- derungen an den Menschen waren ganz andere. An den Fahrer sowieso, sagt Leberer und erinnert daran, dass Seilzüge im Einsatz waren. Manuelle Schaltung, echte Kupplung, dazu waren die Schultern frei und nicht geschützt. „Die Muskeln hast anders trainieren und stärken müssen. Es war ein Knochenjob!“Einer, der, daran hat der Österreicher auch in der Gegenwart keinen Zweifel, unerbittlich war zu seinen Protagonisten. Manch einer, sagt er, kam halt nicht mehr zurück, nachdem er aus der Boxengasse gefahren war. Jetzt sei das „gottlob fast unmöglich“geworden. Außer, es verketten sich unfassbare Fehler wie beim Unfall von Jules Bianchi 2014. Die Computergeneration. Leberer, 59, sei es immer darum gegangen, dass seine Schützlinge niemals das Gleichgewicht verlieren. Stars wie Senna oder Prost liebten seine Suppen, die nicht nur Kraft gaben, sondern auch die Verbrennung mobilisierten. Nicht nur im Sport, sagt der zweifache Familienvater, immer und überall gehe es doch „um Automatismen, die Kraft kosten“. Also müsse man dem Körper geben, was er brauche, und was gesund sei.
Leberer muss wieder lachen. Willi Dungl hätte es wohl nicht anders ausgedrückt. Einsatz war immer gefragt. Und Ideen. „Früher gab es noch kein Wer gewinnt 2018 den Großen Preis von Österreich? Catering. Ich musste hinter den Boxen mit zwei Herdplatten kochen, immer alles selber machen. Mir war immer wichtig, die frischesten Produkte zu bekommen und auf die Hygiene zu achten. Es musste gesund sein, gut aussehen – und gut schmecken.“
Jetzt gibt es Schaltwippen, und Lenkräder haben mehr Knöpfe als ein Wintermantel.
Rennfahrer der Gegenwart brächten eine ganz andere Ausbildung mit. Die junge Generation habe vieles auf dem Computer gelernt, mit Simulationen. Das sei keinesfalls nur negativ zu werten, sondern aus neurologischer Sicht ein Jackpot. Schulung, Reaktion – Wissen. Er nennt nur das Lenkrad als Vergleichsobjekt. Einst diente es nur der Steuerung, jetzt prangen auch noch zwölf Knöpfe, fünf bis sechs Regler und die Schaltwippen darauf. Dieses „Wunderwerk der Technik“allein kostet 35.000 Dollar. Ob Senna aber dieses Spielzeug beherrscht hätte? Sein Freund nickt. Irgendwann hätte es der Brasilianer sicher geschafft. Jedoch gelänge es jetzt einem jungen Fahrer auch nicht auf Anhieb, die WM zu gewinnen. Lernen, wachsen, bewegen,