Die Presse am Sonntag

Frauenquot­e? »Bin total dafür«

Jessica Chastain. Sie spielt nicht nur starke Frauen, sie kämpft auch in Hollywood für Veränderun­g. Chastain über den Film »Die Frau, die vorausgeht« und Aschenputt­els Fehler.

- VON MARIAM SCHAGHAGHI

Sie vereint den Glamour von Hollywoods Goldener Ära mit größter schauspiel­erischer Wucht. Bei einem Treffen mit Jessica Chastain erwartet man sich, zugegeben, schon eine Diva. Aber dann steht sie in diesem Loft in Toronto plötzlich da und ist viel kleiner, zarter, zierlicher, mädchenhaf­ter. So anders als in ihren Rollen. In „Die Frau, die vorausgeht“(Kinostart in Österreich: 5. Juli) verwandelt sich die 41-Jährige in die selbstbewu­sste Witwe Catherine, die 1880 auf eigene Faust in die Prärie reist, um dort den legendären Indianerhä­uptling Sitting Bull zu porträtier­en. Catherine, die Sie spielen, ist wie die meisten Ihrer Figuren eine sehr starke Frau, die keinen Mann an ihrer Seite braucht. Ist das eine bewusste Entscheidu­ng? Jessica Chastain: Ich wähle meine Projekte natürlich nicht danach aus, ob ich einen Ehemann habe! (lacht). Man kann auch mit Mann eine sehr starke Frau sein. Das hoffe ich zumindest – besonders jetzt, als Frischverh­eiratete . . . Der Film ist ja von einer wahren Begebenhei­t inspiriert. Catherine kam aus einer Ehe, die ihr nicht guttat. Der Film spielt 1880, damals gehörten Frauen erst zu ihrem Vater, danach zum Ehemann. Sie durften nicht wählen und konnten jederzeit gegen ihren Willen in Anstalten eingewiese­n werden. Es war eine miese Zeit für Frauen! Sie selbst kämpfen für Veränderun­g in Hollywood – als Produzenti­n, als Fürspreche­rin der Time’s-Up-Bewegung. Wann haben Sie angefangen, Klartext zu sprechen? Am Anfang meiner Karriere musste ich mir oft Dinge anhören, die nicht in Ordnung waren. Als Anfänger ist man verunsiche­rt und weiß nicht, wie man reagieren soll. Ich war ja froh, überhaupt einen Job zu bekommen, da will man keinen Aufstand anzetteln oder als „schwierig“gelten. Mit der Zeit sah ich, dass auch andere Schauspiel­erinnen so behandelt wurden. Da bin ich immer sofort eingeschri­tten. Was halten Sie eigentlich von Frauenquot­en für die Filmindust­rie beziehungs­weise Quoten für Minderheit­en? (wie aus der Pistole geschossen) Ich bin total für Quoten! Warum? Es muss mehr Filme geben, die sich wie dieser mit amerikanis­chen Ureinwohne­rn beschäftig­en. Oder Filme mit asiatisch-amerikanis­chen Schauspie-

Jessica Michelle Chastain

wurde am 24. März 1977 in Sacramento geboren. Al Pacino engagierte die Theaterdar­stellerin, nachdem sie ihn beim Vorspreche­n für das Stück „Salom´e“überwältig­t hatte (2006). Es folgte rascher Ruhm: „The Tree of Life“, „The Help“und die Rolle einer CIAAgentin in „Zero Dark Thirty“. Dafür und für „The Help“wurde sie für den Oscar nominiert. Im Juni 2017 heirateten Chastain und Gian Luca Passi de Preposulo in Italien. lern. Es gibt viele selbstaufe­rlegte Quoten, und auch die Filmindust­rie sollte damit anfangen. Ich habe mir auch eine Quote auferlegt: Ich habe mich entschloss­en, mindestens einmal im Jahr mit einer Regisseuri­n zu drehen. Ich mache das so lange, bis ich wirklich eine Veränderun­g wahrnehme. Und dann nehme ich mir die nächste Minderheit vor. Wir müssen einfach alle unsere eigenen Quoten für Zusammenar­beit festlegen. Wie sieht denn Ihr Führungsst­il als Chefin Ihrer Produktion­sfirma Freckle Films aus? Erst einmal zahlen wir Frauen und Männern natürlich das Gleiche. Das nächste Großprojek­t ist „355“, ein Agententhr­iller nur mit Frauen, in dem Penelope´ Cruz, Fan Bingbing, Lupita Nyong’o und Marion Cotillard mitspielen. Der Film ist unabhängig finanziert, ohne Studio. Ich will beweisen, dass Ensemblefi­lme mit Frauen besser funktionie­ren als die mit Männern. Sie fünf sind auch alle mit gleichen Rechten und Anteilen daran beteiligt. Ich fand es wichtig damit zu zeigen, dass Schauspiel­erinnen nicht nur Miet-Arbeitskrä­fte sind. Was ist mit wunderbare­n Schauspiel­erinnen wie Sissy Spacek, Jessica Lange oder Susan Sarandon passiert? Warum sind sie so lange verschwund­en? Das System funktionie­rte einfach nicht. Daher sagte ich mir: Warum nehmen wir uns jetzt nicht die Macht – und geben sie den Schauspiel­erinnen weiter? Sie haben nie ein Hehl daraus gemacht, aus einem Arbeitermi­lieu zu kommen . . . . . . mein Vater ist Feuerwehrm­ann, meine Mutter Köchin. . . . und Sie Cinderella? Gehören zum Hollywood-Adel, heiraten einen Grafen, kämpfen für Gerechtigk­eit? Mit einem wichtigen Unterschie­d: Aschenputt­el wartet, bis das Glück ihr den richtigen Schuh samt Prinz vorbeibrin­gt. Ich würde nie darauf hoffen, dass die Dinge zufällig meinen Weg kreuzen. Ich würde mich immer selbst auf die Suche machen. Also nichts mit Cinderella: Ich habe mir selbst die Schuhe angezogen, um mein Glück zu suchen! (lacht)

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Imago/ZUMA Press In der Gegenwart 1880 allein in die Prärie. ihrem neuen Film im Jahr Jessica Chastain reist in auferlegen. sollte sich selbst Quoten findet sie: Die Filmindust­rie

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