Die Einhegung der Kampfzone
Die Welt von Austro-Twitter – wo das Private politisch und das Politische privat ist. ORF-Chef Alexander Wrabetz hat die Debatte nun erneut angestoßen. Doch was treiben Armin Wolf, Christian Kern oder Sebastian Kurz dort eigentlich so?
Jetzt ist es der erste Sommer seit vielen Jahren ohne sie. Aber es fühlt sich gut an. Sie gehen mir nicht ab, Twitter und Facebook“, schrieb Guido Tartarotti in der vorigen Woche in der „Freizeit“-Beilage des „Kurier“. Die sozialen Medien hätten aus ihm vor allem eines gemacht: einen grantigen Menschen. „Auf Facebook regiert die Verführung zur Irrationalität und zur Banalität. Auf Twitter die zum Rechthaben und zum Schnellgerichtshof.“Auf Twitter würden Wettbewerbe in politischer Korrektheit abgehalten – „oder andere als Idioten und/oder Nazis denunziert“.
Bei Twitter ist Kolumnist Tartarotti erst vor Kurzem ausgestiegen. Man kann es nachvollziehen. Denn der Moralhelikopter kreist hier mehr als 12 Stunden am Tag. Während Twitter weltweit vor allem mit Donald Trump assoziiert wird, sind es in Österreich vorzugsweise Menschen aus dem Politik-, Medien- und PR-Bereich, die sich hier – mehr oder weniger lustvoll – dem täglichen Kleinkrieg hingeben. „Permanenter Ausnahmezustand“, nannte das diese Woche ein anderer Journalist, „profil“-Redakteur Clemens Neuhold – natürlich auf Twitter.
Dort, wo die Grenzen zwischen Privatem und Politischem verschwimmen, wo Journalisten zu Aktivisten werden und Politiker und ihre Trabanten zu Propagandisten. Und einem auch gern das Wort im Mund verdreht wird. Als hätten sich studentische Debatten und Ansichten auf das Erwachsenenleben ausgedehnt – das in etwa ist das Wesen von Austro-Twitter.
Während sich Facebook an die breite Masse richtet, ist Twitter – jedenfalls hierzulande – ein eher eingegrenztes Spielfeld für Teile der Bildungselite, deren Merkmal es auch ist, dass jeder alles besser weiß – und das nicht selten ideologisch aufgeladen (oder überladen). Und hier überwiegt – wiewohl von linksaußen bis zu den Identitären alles vertreten ist – dann eben doch das linksliberale Spektrum. Social-Media-Erlass. Auf Twitter zielt in erster Linie auch der von ORF-Chef Alexander Wrabetz lancierte SocialMedia-Erlass ab. Viele seiner Mitarbeiter tummeln sich hier – meinungsstärker, als es der öffentlich-rechtliche Auftrag möglicherweise erlaubt. Allen voran Armin Wolf, der dort mit seinen 409.012 Followern – Stand Freitagnachmittag – den Ton vorgibt.
Und das ist eben die Streitfrage: Ist der ORF-Journalist hier rein privat unterwegs? Oder hat er die Resonanz auf Twitter dem Umstand zu verdanken, dass er aufgrund seiner Tätigkeit für den ORF eine größere Bekanntheit hat? Wolf jedenfalls hält auf seinem TwitterAccount fest: Er würde nichts twittern, was er so nicht auch auf einer öffentlichen Veranstaltung sagen würde.
Während Armin Wolf in seinen „ZiB 2“-Interviews alle Gesprächspartner, egal welcher Couleur, mit der gleichen professionellen Härte anfasst, arbeitet er sich auf Twitter – neben Donald Trump – bevorzugt an der FPÖ ab. Wobei er seit geraumer Zeit doch zurückhaltender geworden ist. Den offenen Konflikt sucht er nun nicht mehr so wie früher, als es kaum einen – echten oder vermeintlichen – Blödsinn eines FPÖ-Politikers gab, der von ihm hier nicht thematisiert wurde. Noch gut in Erinnerung etwa sind die Scharmützel, die er sich – auch via Facebook – mit den Freiheitlichen rund um den Tempelberg-Ausflug des damaligen Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer lieferte. In der Sache ging es hierbei darum, ob Hofer nun Zeuge eines Terroranschlags war oder nicht.
Wobei Wolf auf der anderen Seite – nämlich auf Facebook – von den Freiheitlichen schon auch immer wieder selbst recht rüde attackiert wurde. Und die FPÖ ist ja auch keine Partei wie jede andere, sie benimmt sich anders, aggressiver, nicht zuletzt in den sozialen Medien. Sie bietet daher – wie Donald Trump – auch jede Menge Angriffsflächen. Die Frage ist, ob man diese nützen will. Wolf wollte.
„Ich persönlich teile die Anti-WolfHysterie ja nicht“, sagt Hans-Jörg Jene- wein, der Mediensprecher der FPÖ. Allerdings finde er schon, dass er als Kunde des ORF nicht die Twitter-Aktivitäten seiner Mitarbeiter mitfinanzieren müsse. „Jeder soll seine private Meinung haben, aber ein öffentlichrechtliches Unternehmen ist schon etwas Spezielles.“
Für die Parteien ist Twitter unterschiedlich attraktiv. Für ÖVP und FPÖ gibt es da wenig zu gewinnen. Wirklich aktiv sind auf ÖVP-Seite nur wenige Politiker. Auch die Freiheitlichen sind hier im Vergleich zu Facebook zurückhaltend. In der Volkspartei sieht man Twitter als „linken Elfenbeinturm“– so nach dem Motto: „Das Gegenteil von dem, was auf Twitter propagiert wird, ist das, was die Bevölkerung will.“ Kurz-Tweets. Sebastian Kurz hat jedenfalls einen Twitter-Account. Twittert er selbst? Ja, heißt es in seiner engeren Umgebung. Allerdings: Kurz lässt sich dafür Vorschläge und Input von Mitarbeitern aufs Handy schicken, filtert es dann und entscheidet, was er twittert. Und ab zu, aber eher selten, twittert er auch eigene Gedanken. Die ÖVP setzt stärker auf Facebook – und auf die sozialen Netzwerke außerhalb des Internets, in den Gemeinden und Vereinen.
SPÖ-Chef Christian Kern twittert alles selbst – vom Fußball bis zur mittlerweile nahezu täglichen Regierungs- Twitter in Österreich: eine Ansammlung von Menschen, vorzugsweise aus dem Politik-, Medien- und PR-Bereich, die sich – mehr oder weniger lustvoll – dem täglichen Kleinkrieg hingeben.
Der Moralhelikopter kreist hier mehr als zwölf Stunden am Tag.