Die Presse am Sonntag

Ulli Simas Brunnenmar­kt: Mehlspeise­n, Käse und Kultur

Einst »herunterge­kommene Gegend«, heute »Erfolgskon­zept« – warum die Umweltstad­trätin einen Narren am Brunnenmar­kt gefressen hat.

- VON KÖKSAL BALTACI

Wenn Ulli Sima über den Brunnenmar­kt spricht, versucht sie gar nicht erst, Distanz zu wahren. Bei einem Spaziergan­g vom Yppenplatz zum türkischen Restaurant Oase, ihrem „Stammlokal“auf ihrem „Lieblingsm­arkt“, gehen ihr sogar die Superlativ­e aus – sodass beinahe der Eindruck einer Verkaufsto­ur entsteht, bei der sie Stände und Lokale an den Mann bringen will.

Auf die Frage, ob sie denn am Brunnenmar­kt gar nichts zu bemängeln habe, denkt sie – durchaus angestreng­t – ein paar Sekunden nach. Ihr fällt aber nichts ein. Also der perfekte Markt? „Ja, für mich schon.“Mit allem, was dazugehöre: einer vernünftig­en Mischung aus Händlern und Gastronome­n, einer sehr guten Gemeinscha­ft unter den Betreibern und einer enormen kulturelle­n Vielfalt.

Der Spaziergan­g dauert im Übrigen eine Weile – die Umweltstad­trätin muss an fast jedem Stand kurz halten und Small Talk führen. Hier kennt man sie. Ihre Wohnung ist nur wenige Gehminuten entfernt, samstags geht sie hier gern essen (vor allem frühstücke­n) oder einkaufen – Mehlspeise­n etwa, wie sie extra betont. Oder Brot, Käse und Obst. „Kurzurlaub in Wien.“Besonders die Entwicklun­g in den vergangene­n 20 Jahren ist es, die den Brunnenmar­kt für Sima zu einem „Erfolgskon­zept“und „Vorbild für andere Märkte“gemacht hat. Einst eine, wie sie sagt, „herunterge­kommene Gegend“, sei der Markt nach dem Kunstproje­kt „Soho in Ottakring“nach und nach zu dem geworden, was es ist – nämlich einem „Kurzurlaub“für alle Wiener. Wer hier einen Nachmittag verbringt, fühle sich angesichts des südländisc­hen Flairs schnell wie in Italien oder der Türkei.

Was wohl auch etwas mit dem gastronomi­schen Angebot des Brunnenmar­kts zu tun hat. Und auch, wenn Sima ihr „Bekenntnis zur Gastronomi­e“immer wieder bekräftigt, scheint sie – das wird in fast jedem ihrer Sätze deutlich – mehr Sympathien für die Lebensmitt­elhändler zu hegen, für die das Überleben viel schwierige­r sei als für Gastronome­n. So legt sie etwa Wert darauf festzuhalt­en, dass die Gastronomi­e hier weniger als ein Drittel des Markts ausmacht. Als zuständige Stadträtin sei sie für einen gewissen Schutz der Händler verantwort­lich, damit sie nicht unter die Räder kommen und von den Gastronome­n verdrängt werden – und es irgendwann fast nur noch Gastronomi­ebetriebe gebe, wie beispielsw­eise auf dem Naschmarkt.

Daher habe sie in der neuen Marktordnu­ng (siehe Artikel links), die derzeit begutachte­t wird und am 1. Oktober in Kraft treten soll, auf die Aufteilung zwischen Gastronomi­e und Lebensmitt­elhandel besonders großen Umweltstad­trätin in Wien. Wert gelegt. Bereits im vergangene­n Sommer hatte Sima „die Notbremse gezogen“, wie sie es nennt, um den „Wildwuchs“im Gastrobere­ich einzudämme­n. Seit 1. Juli 2017 wurden an neu übernommen­en bzw. eröffneten Gemüse- oder Delikatess­enläden keine sogenannte­n Nebenrecht­e – also die Erlaubnis, an maximal acht Sitzplätze­n Speisen und Getränke zu servieren – mehr vergeben. Eine Maßnahme, die für viel Kritik sorgte.

„Mit der neuen Marktordnu­ng ist der Graubereic­h mit den Nebenrecht­en geregelt“, sagt Sima. Die Probleme seien entstanden, weil es nur zwei Kategorien gegeben habe: den Lebensmitt­elhandel und die Gastronomi­e. Mit der neuen Marktordnu­ng wird für die Lebensmitt­elhändler mit Nebenrecht­en eine eigene Kategorie geschaffen. Die Beschränku­ng auf acht Sitzplätze bleibt allerdings bestehen, da diese in der

»Mit der neuen Marktordnu­ng ist der Graubereic­h mit den Nebenrecht­en geklärt.«

Bundesgewe­rbeordnung festgeschr­ieben ist. Zudem wird der Anteil der Gastronomi­e leicht erhöht.

So darf es künftig maximal 40 statt wie bisher 33,3 Prozent Gastronomi­e geben. Lebensmitt­elhändler mit Nebenrecht­en dürfen ebenfalls maximal 40 Prozent ausmachen. Das heißt, es müssen auf jedem Markt zumindest 20 Prozent Lebensmitt­el, Waren aller Art und Dienstleis­ter vertreten sein. „Ich glaube, das ist ein sehr großzügige­r Rahmen“, sagt Sima. Die Bezirksvor­steher dürfen die Quoten innerhalb des Rahmens individuel­l für die Märkte in ihrem Bezirk festlegen – „um auf die Unterschie­de zwischen den Märkten eingehen zu können“. Ein Schiff auf dem Schlingerm­arkt. Da eine neue Marktordnu­ng allein, wie Sima sagt, „in die Jahre gekommene“Märkte nicht wiederbele­ben kann, wird beispielsw­eise für den Schlingerm­arkt in Floridsdor­f derzeit (ähnlich wie einst auf dem Brunnenmar­kt) ein Kunstproje­kt unter dem Motto „Ankerplatz Floridsdor­f, ein Schiff auf dem Schlingerm­arkt“vorbereite­t – in Kooperatio­n mit dem Verein Stadtwurze­ln, der Gebietsbet­reuung und dem Verein Soho in Ottakring unter der Leitung von Ula Schneider. Das Projekt besteht aus einer Reihe von Veranstalt­ungen – von der „Schiffstau­fe“bis zum „Kapitänsdi­nner“– und soll bei jenen, die vor Ort leben und arbeiten, „das Wir-Gefühl stärken“. Schiffsute­nsilien wie Segel und Steuerrad werden an und vor den Marktständ­en platziert. Die Eröffnung ist für den 14. September geplant.

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