Der Barkeeper im Kräutergarte
Minzblätter allein reichen schon lange nicht mehr. Bevor Barkeeper Bert Jachmann mit seiner Arbeit beginnt, macht er einen Rundgang durch den Garten, um Kräuter zu sammeln.
Man kennt das von Köchen. Sie schätzen den eigenen Kräutergarten vor der Haustür, der auch für die Gäste gut sichtbar platziert ist. Immerhin ist es nicht gerade ein schlechtes Zeichen, wenn der Koch vor Fertigstellung einer Speise noch schnell frische Kräuter holt. Dass aber ein Barkeeper sein gemeinhin eher dunkles Reich verlässt, ausgerüstet mit ein paar Gefäßen, um eine Runde durch den Kräutergarten zu drehen, ist ein eher ungewöhnlicher Anblick.
Bert Jachmann, der Barchef im Heuer am Karlsplatz und Initiator des Cocktailfestivals Liquid Market (siehe unten), findet daran nichts Außergewöhnliches. Ein paar Minzblätter aus dem Kühlschrank reichen ihm nicht. „Schauen wir mal, was wir heute finden“, sagt er, schnappt sich einen kleinen Kübel und eine Schere und verlässt die dunkle Bar am Wiener Karlsplatz. Daneben wurde nämlich schon vor Jahren der Karls Garten errichtet, eine Ansammlung von Hochbeeten, die der Küche – und eben auch der Bar – frische Zutaten liefern (und dem Verein Karls Garten als Forschungsobjekt dienen). Dass man sich hier auf einem Verkehrsknotenpunkt der Stadt befindet, vergisst man dabei schnell. Eine Hecke schützt den Garten, sogar Spalierobstbäume wurden gepflanzt. Dank an das Stadtgartenamt. „Lavendel wächst hier um das ganze Gebäude, das war eine großartige Idee des Stadtgartenamts“, sagt Jachmann und schneidet ein paar Zweige ab, um sich gleich darauf ein paar kleinen Blumenkisten zu widmen, in denen Basilikum und Oregano blühen. „Das ist fantastisch, man kann ja alles essen und die Blüte eignet sich gut für Drinks. Den Waldmeister haben wir schon abgeerntet und mit Wermut eine Bowle daraus gemacht.“Weiter geht es zu den Hochbeeten, in denen der Wermut wuchert. Auch der hat es dem Barkeeper angetan. „Das ist eine wahnsinnig attraktive Pflanze, appetitanregend, verdauungsfördern. Sie hat eine schöne bittere Note und auch einen leicht frischen Touch.“Er selbst setzt keinen mit Wermut versetzten Wein an, sondern arbeitet seit Jahren mit dem Wiener Hersteller Burschik zusammen. Die Wermutspitzen dürfen aber gerne einen Cocktail aromatisieren.
Kaum hat er den Wermut großzügig beerntet – „Wermut wuchert wie Zitronenmelisse, das wächst wie Unkraut“–, widmet er sich einer Taglilie Bert Jachmann, Barchef im Heuer am Karlsplatz, wurde 2017 vom Falstaff zum Bartender des Jahres gekürt. Heuer am Karlsplatz: Treitlstraße 2, 1040 Wien, Mo.–Fr. 11–2, Sa., So. 10–2 Uhr, www.heuer-amkarlsplatz.com Liquid Market Cocktail Festival 13./14. Juli, jeweils 15–22 Uhr, Volksgarten/Evergreengarten (1., Heldenplatz 1), 48 Euro, liquidmarket.bar und schneidet die hübsche Blüte ab. „Die kann man auch essen, schmeckt ein bisschen wie Kohlrabi. Man darf sich ruhig trauen sie abzuschneiden, es ist nicht schade drum, weil sie tatsächlich nur einen Tag blüht.“Für die Zucchiniblüten ist er leider zu spät, die hat schon der Küchenchef verarbeitet. Dafür dürfen es ein paar Malvenblüten sein. „Ich bin farbenblind, für mich ist das blau, aber das kann durchaus auch lila oder violett sein“, sagt er und schneidet eine eindeutig lilafarbene Blüte ab. Ein bisschen Dille darf auch noch mit. „Ich arbeite sehr gerne mit Dille, einer meiner Signature-Drinks heißt auch Bob Dill’n, auf Vodka-Basis und mit Gelbem Muskateller.“Der Kübel ist mittlerweile gut gefüllt, es geht wieder zurück in die Bar, in der die einzelnen Blüten in kleine mit Wasser gefüllte Schälchen kommen und die Kräuterzweige in Gläser gesteckt werden, die über die Bar gehängt werden.
Kräuter seien schon lange ein Thema in der Barszene, so richtig explodiert sei es aber erst in den letzten Jahren. Begonnen habe es Ende der Nullerjahre, „nach der Vodka-Red-BullPhase.“Der deutsche Barkeeper Jörg Meyer hat 2008 den Gin Basil Smash kreiert und damit einen Trend aus-
Lavendel, Wermut, Oreganound Basilikumblüten sowie Taglilien werden gesammelt.