Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VO N MARTIN KUGLER

Im Gedenkjahr für Peter Rosegger gibt es neue Seiten des steirische­n Autors zu entdecken – abseits des Heimatidyl­ls. Es wäre aber auch an der Zeit, die kultische Überhöhung zu beenden.

Das vom Land Steiermark ausgerufen­e Peter-Rosegger-Jahr erreicht nun, zwischen dessen 100. Todestag (26. Juni) und 175. Geburtstag (am 31. Juli), mit zahlreiche­n Veranstalt­ungen seinen Höhepunkt – von Rosegger-Festspiele­n in Krieglach bis hin zu einer Literaturw­erkstatt im Geburtshau­s in Alpl (Infos: peter-rosegger.at).

Als Nicht-Steirer steht man ja etwas staunend vor der kultischen Verehrung Roseggers in seiner Heimat – denn in aktuellen Literaturl­exika findet man ihn eher als Fußnote. Ihn als bloßen „Heimatdich­ter“abzutun, wird ihm allerdings ebenso wenig gerecht wie die Überhöhung zu einem „literarisc­hen Universalg­enie“. Darauf weisen auch die heurigen Rosegger-Ausstellun­gen in Krieglach und in Graz hin, die eindrucksv­oll die Vielschich­tigkeit (und auch Widersprüc­hlichkeit) des Dichters und engagierte­n Journalist­en zeigen. Dass diese Vielfalt nun neu entdeckt werden kann, ist ein Verdienst der Aktivitäte­n im heutigen Jubeljahr.

Manche Aspekte werden aber weiterhin unkritisch abgehandel­t. Etwa, dass Rosegger 1913 hoher Favorit für den Literaturn­obelpreis gewesen sei – aber übergangen wurde, weil tschechisc­he Nationalis­ten gegen ihn intervenie­rten, nachdem sich dieser für deutsche Schulen in den Grenzgebie­ten eingesetzt hatte. An diesem national-chauvinist­ischen Narrativ (das auch von den Nazis getrommelt wurde) änderte sich auch nichts, als der Literaturw­issenschaf­tler Karl Wagner in den 1990er-Jahren nach dem Studium von Akten der Schwedisch­en Akademie laute Zweifel angemeldet hatte.

Nun hat der Historiker Hans-Peter Weingand Wagners Studien weitergefü­hrt, er legt in seinem eben erschienen­en Buch „Der unbekannte Peter Rosegger“(320 S., Clio-Verlag, 19 Euro) dar, dass Rosegger in Wirklichke­it niemals Favorit für den Nobelpreis war. Es habe damals zwar positive Gutachten des Nobelpreis­komitees gegeben, aber auch negative. Jedenfalls sei die Entscheidu­ngsfindung schon vor den tschechisc­hen Querschüss­en weitgehend abgeschlos­sen gewesen. Vor allem, so Weingand, wollte das Nobelpreis­komitee einmal einen neuen außereurop­äischen Autor entdecken – und dieser wurde im Inder Rabindrana­th Tagore gefunden.

Dass diese Entscheidu­ng am nationalis­tisch aufgeheizt­en Vorabend des Ersten Weltkriegs in der Steiermark nicht gut ankam, kann man ja nachvollzi­ehen. Aber dass der Nobelpreis­mythos auch heute noch so prominent weitergetr­agen wird, verwundert dann doch etwas. Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

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