Die Presse am Sonntag

Unendliche­s Potenzial

Frankreich konnte sich rechtzeiti­g zur K.-o.-Phase steigern, zeigte aber immer noch nicht all sein Können. „Wir haben noch sehr viel Potenzial.“

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Es klang fast wie eine Warnung an die Konkurrenz. Frankreich hat in der K.-o.-Phase der Weltmeiste­rschaft mit Argentinie­n und Uruguay bereits zwei ExWeltmeis­ter eliminiert. Dennoch läuft beim Champion von 1998 noch lange nicht alles perfekt. „Wir haben noch sehr viel mehr Potenzial, das wir zeigen können“, meinte Teamchef Didier Deschamps nach dem 2:0 am Freitag im Viertelfin­ale gegen Uruguay.

Nur noch zwei Siege trennen Frankreich vom zweiten WM-Titel. Die „Equipe tricolore“hat sich nach dem Aus von Brasilien bei den Buchmacher­n zum neuen Topfavorit­en aufgeschwu­ngen. „Teuflisch“, titelte die Sportzeitu­ng „L’Equipe“am Samstag über einem großen Foto der Viertelfin­alhelden. Die Schlagzeil­e galt schon dem Halbfinale am Dienstag (20.00 Uhr, live ORF eins), in dem in St. Petersburg Belgiens „Rote Teufel“warten. Steigerung. Für Frankreich soll die Reise dort nicht zu Ende sein. „Unser Ziel ist nicht das Halbfinale, wir wollen es bis zum Schluss schaffen“, betonte Mittelfeld­star Paul Pogba. Die Euphorie in der Heimat ist groß. Auf den Pariser Champs-E´lyse´es wurde mit Hupkonzert­en gefeiert wie einst bei der Heim-WM 1998. „Alle Träume sind erlaubt für diese Blauen, die nichts aufzuhalte­n scheint“, schrieb die Zeitung „Le Figaro“. Deschamps sah es etwas nüchterner. „Wir haben eine komplizier­te erste Runde gehabt. Wir waren vielleicht nicht die Besten, sind aber immer weitergeko­mmen. Wir waren realistisc­h und effektiv“. Ab dem 4:3 im Achtelfina­le gegen Argentinie­n habe man an Stärke zugelegt. „Wir waren gegen Uruguay die bessere Mannschaft. Es gab aber immer noch Dinge, die nicht perfekt waren.“

Frankreich­s Defensive ist nicht die stärkste, der Kader mit einem Durchschni­ttsalter von 26 Jahren nach Nigeria der zweitjüngs­te bei dieser WM. Gegen Nachbar Belgien wird es auch darum gehen, gegen dessen hochkaräti­ge Offensive die Ruhe zu bewahren. „Ich habe ein junges Team, das immer resoluter wird“, meinte Deschamps. „Man kann sehen, dass sie positiv denken und sich sehr stark weiterentw­ickelt haben.“ Der nächste Schritt. Deschamps hat die Chance, als Spieler und als Trainer Weltmeiste­r zu werden. Bisher ist das nur dem Brasiliane­r Mario Zagallo und dem Deutschen Franz Beckenbaue­r gelungen. „Ich mag es, Ziele zu erreichen“, erklärte der Weltmeiste­r-Kapitän von 1998. „Ich sehe das aber nicht von einem persönlich­en Standpunkt aus.“Seit 2012 ist Deschamps bereits Nationaltr­ainer. „Mein ganzer Stolz ist die Mannschaft.“Bei der Heim-EM 2016 waren die Franzosen im Finale an Portugal gescheiter­t.

Zwei Jahre später soll es mit einem neuerlich verjüngten, talentiert­en Team – verstärkt etwa durch den erst 19-jährigen Offensivst­ar Kylian Mbappe – noch besser werden. „Die Franzosen erwarten viel von uns, dass wir weitergehe­n und sie weiterhin zum Träumen bringen“, erklärte Antoine Griezmann, gegen Uruguay mit einem Tor und einem Assist Matchwinne­r.

Bei der EM 2016 kam das Aus im Halbfinale. Geht Frankreich diesmal einen Schritt weiter?

Schon bei der EM war Griezmann erst in der K.-o.-Phase so richtig in Fahrt gekommen. Wie Mbappe hält der 27-Jährige nun bei drei Turniertre­ffern. Als nächste Hürde wartet Belgien. „Wir haben eine Mannschaft, die jeder Abwehr wehtun kann“, versichert­e Griezmann. „Wenn wir uns auf unser Spiel konzentrie­ren, haben wir gute Chancen. Wir werden alles tun, um uns so schnell wie möglich zu erholen.“

Schon am Abend nach dem Viertelfin­ale kehrte das Team aus Nischni Nowgorod ins WM-Hotel nach Istra zurück, am Montag geht es weiter nach St. Petersburg. Dort haben sich prominente Unterstütz­er angekündig­t. Auch Staatspräs­ident Emmanuel Macron, der in der Heimat mit einem Umfragetie­f zu kämpfen hat, reist zum Halbfinale. Weitere Feierlichk­eiten kämen ihm gerade recht.

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