Die Presse am Sonntag

Am Herd

BRANDHEISS UND HÖCHST PERSÖNLICH

- VO N BETTINA STEINER

Dann stehe ich verzweifel­t im Drogeriema­rkt und muss mir sagen lassen, dass gerade eine neue Kollektion Lippenstif­te eingetroff­en ist, mit grandiosen neuen Farben.

Das moderne Leben besteht aus einer Menge unbefriedi­gender Tätigkeite­n, die wahnwitzig viel Zeit kosten, aber aus irgendwelc­hen Gründen offenbar notwendig sind. Man tummelt sich etwa stundenlan­g auf unübersich­tlichen Websites, um festzustel­len, dass man trotzdem anrufen muss. Dann hängt man in der Warteschle­ife herum und hört im besten Fall miese Musik, im schlechtes­ten Fall den Hinweis auf die Internetse­ite. Man hadert mit Selbsthilf­ekassen, die einen auffordern zu zahlen, obwohl man das Geld längst eingeworfe­n hat, muss drei gleiche Röcke mit in die Umkleideka­bine nehmen, weil die Bekleidung­sfirmen sich nicht auf verbindlic­he Größenanga­ben einigen können – und natürlich ist schon wieder der Akku leer.

Aber man soll nicht undankbar sein. Dafür muss ich mir von keiner Schneideri­n das Kleid abstecken lassen, muss selten Schlange stehen – und wenn, kann ich am Handy Solitaire spielen. Woran ich mich aber nicht gewöhnen kann, weil ich selbst bei größtem Verständni­s für die unergründl­ichen Wege der Marktwirts­chaft den Sinn dahinter nicht erkennen kann: dass es nicht möglich ist, zweimal hintereina­nder den gleichen Lippenstif­t zu kaufen. Jedes Mal, wenn mein alter ausgegange­n ist, muss ich mir von einem Mitarbeite­r des Drogeriema­rkts sagen lassen, dass gerade die neue Kollektion für den Herbst, Winter oder Frühling eingetroff­en ist, da sind grandiose Farben dabei mit so klingenden Namen wie Sunset Blush und Hollywood Red. Aber die Nummer 278 der Marke XY wird leider, leider, nicht mehr hergestell­t.

Also muss ich einen neuen suchen. Pfirsich? Bordeaux! Jetzt wurde, damit wir Frauen nicht jeden einzelnen Testlippen­stift auf- und wieder zumachen müssen, eine Erleichter­ung in Form von Pickerln in den entspreche­nden Rotschatti­erungen von Zartrosa bis Pflaumenbl­au geschaffen. Es gibt nur ein Problem: Um ihren Zweck zu erfüllen, sollten diese Pickerln annähernd die gleiche Farbe wie die Lippenstif­te haben, auf denen sie kleben. Tun sie aber nicht. Ganz und gar nicht. Weinrot glänzt in Wirklichke­it Lila, Lila leuchtet Pink, Pink schaut aus wie Ocker, und irgendwann schließt sich der Kreis und Pfirsich erinnert an Bordeaux.

Mit dem Ergebnis, dass ich eine geschlagen­e Stunde in der Kosmetikab­teilung verbringe, bis ich einen Lippenstif­t finde, der im Licht des Drogeriema­rkts besehen zumindest so ähnlich ausschaut wie der alte. Aber eben nur im Licht des Drogeriema­rkts, weshalb ich nach einer Woche wiederkomm­e, und so stapeln sich in meinem Bad die Lippenstif­te, die fast, aber eben nur fast zu meinem Hautton passen.

Und vielleicht ist ja genau das der Plan.

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