»Es wird zu massiven Problemen kommen«
Man müsse den Wolf »managen« wie Hirsche oder Rehe, meint Josef Pröll, Vorsitzender des Landesjagdverbands Niederösterreich.
Als ehemaliger Umweltminister und naturverbundener Jäger müssten Sie sich ja eigentlich über die Rückkehr des Wolfes in Österreich freuen. Josef Pröll: Das muss man differenzierter sehen. Klar ist, dass wir als Jäger, als Handwerker in der Natur, immer ein Auge darauf haben müssen, dass das Biotop und die Ökologie ausgeglichen sind – und genau hier kommt der Wolf. Da stellt sich die Frage nach der Balance in der Natur. Der Wolf wird in der Kulturlandschaft binnen kurzer Zeit zum faktischen und emotionalen Problem. Da muss man handeln. Handeln heißt: Man muss ihn abschießen? Nein. Aber wir müssen uns die Frage stellen, wie man den Wolf managen kann. Wir können nicht einfach zusehen, wie wir mit dem Wolf plötzlich in die Situation der Fischotter und Biber kommen, die völlig überhand nehmen und zu einem massive Problem geworden sind. Man muss ganz nüchtern fragen: Wie viel Wölfe verträgt ein Land, das landwirtschaftlich und touristisch so intensiv genutzt wird wie Österreich. Und wie viele vertragen wir? Nach meiner Meinung derzeit keine. Der Wolf hat uns in den vergangenen Jahrzehnten nicht gefehlt. Dass er jetzt wieder da ist, ist nicht so sehr ein Problem für die Jäger, sondern vor allem
Josef Pröll
ist Landesjägermeister in Niederösterreich. Beruflich ist der 49-Jährige Vorstandssprecher des Mischkonzerns LeipnikLundenburger. Pröll war lange Jahre in der Politik tätig, zuletzt von 2008 bis 2011 als Bundesparteiobmann der ÖVP und Vizekanzler. für die Landwirtschaft und mittelfristig auch für den Tourismus. Wenn sich die Bestandszahlen beim Wolf weiter so entwickeln, wird es zu massiven Problemen kommen. Das ist das Problem: Wir können den Wolf europäisch nicht über einen Kamm scheren. Es ist etwas anderes, wenn er in den Weiten Skandinaviens auftritt oder in den Karpaten, die kaum besiedelt sind. Aber bei uns wird das zum Problem, Österreich ist dicht besiedelt und ein großer Teil wird als Wirtschaftsraum verwendet. Deshalb gibt es keine einheitliche Antwort für ganz Europa, die Frage des Wolfs muss man auf Ebene der Regionen lösen. In der Schweiz scheint das Zusammenleben recht gut zu funktionieren, dort setzen die Schafbauern auf Schutzzäune und Hirtenhunde. Könnte man das nicht auch in Österreich machen? Das muss die Landwirtschaft beantworten. Aber auch in der Schweiz werden Probleme mit Wölfen in Einzelfällen per Abschuss geregelt. Bei uns ist es ja gesetzlich derzeit ausgeschlossen, aktiv in den Bestand einzugreifen. Nach dem Problembären kommt also der Problemwolf. Ich halte es für brandgefährlich, wenn man es zulässt, dass sich der Wolf einfach unkontrolliert entwickelt. Es ist leicht, in der Stadt zu fordern, dass sich die Natur ungestört und unbehindert entwickeln soll, wenn man nicht direkt damit konfrontiert ist. Aber da lässt man viele Menschen mit diesen Problemen allein. Im übrigen möchte ich mir nicht ausmalen, wie die Diskussion läuft, wenn einmal der erste Wanderer oder Mountainbiker eine dramatische Begegnung mit dem Wolf hat. Ist der Wolf gefährlich für den Menschen? Ich wünsche mir nicht, dass etwas passiert. Ich bin kein Apokalyptiker, der davor warnt, Kinder allein in den Wald zu lassen, oder Touristen auffordert, das Hotel am Abend nicht mehr zu verlassen. Aber man muss die Entwicklung beobachten. Warum ist der Wolf überhaupt ein Problem? Weil er nicht reguliert ist. Die Behörde schreibt genaue Abschusszahlen für Rotwild, Rehwild, Schwarzwild (Wildschweine, Anm.) vor, um die Ökologie im Lot zu halten. Als das Schwarzwild stark gestiegen ist, hat man den Jägern konkrete Vorgaben gemacht. Und beim Wolf, der eine massive Auswirkung auf unser Ökosystem hat, soll es überhaupt keine Regulierung geben. Manche meinen, die Jäger wollten den Wolf nur aus Trophäensucht schießen. Das ist klipp und klar geregelt: Wir in Niederösterreich halten uns strikt an das Jagdgesetz und an das Tierschutzgesetz. Nach diesen Bestimmungen erfolgt bei uns die Jagd, da gibt es keinen Millimeter Toleranz für Wilderer unter der Jägerschaft. Der Wolf ist derzeit geschützt, damit steht ein Abschuss nicht zur Diskussion. Auch der Luchs ist geschützt. Er hat sich erneut in Österreich angesiedelt, bevor er fast wieder ausgerottet wurde. Ein Exemplar hat man zum Beispiel im Tiefkühlfach eines Tierpräparators gefunden. Es gibt Jäger, die sich Fehltritte leisten. Das kann man in keiner Gesellschaftsschicht ausschließen. Als Niederösterreichischer Landesjagdverband akzeptieren und decken wir solche Dinge mit Sicherheit nicht. Im Gegenteil: Ich habe immer darauf hingewiesen, dass wir uns hundertprozentig an das Gesetz zu halten haben. Wir können über das Gesetz und seinen Sinn diskutieren, aber wir haben uns daran zu halten. Wäre es erlaubt, würden Sie gerne einen Wolf schießen? Nein, ich habe überhaupt keinen persönlichen Bezug zu dieser Wildart. Der Wolf fasziniert mich jagdlich nicht.