Die Presse am Sonntag

Go, Neo Geo und federleich­ter Jazzfunk

Keine Mimikry: Qualitätsv­olle Sounds aus Japan werden derzeit hektisch neu aufgelegt.

- SAMIR H. KÖCK

Jahrzehnte­lang waren Japaner im Westen vor allem als besonders leidenscha­ftliche Fans bekannt. Ihre Liebe zur Musik zeitigte auch besondere Bemühungen um den Sound: Schallplat­ten aus Japan klangen stets besser als aus anderen Ländern. Dass es aber seit den Sechzigerj­ahren auch hervorrage­nde Künstler in Idiomen fernab der japanische­n Kultur gibt, wurde hierzuland­e gerne als bloße Mimikry abgetan. Nur wenigen gelang im Westen der Durchbruch: Stomu Yamashta etwa, einem Schlagzeug­er und Keyboarder aus Kyoto, 1976 mit „Go“, einem Fusionproj­ekt mit Steve Winwood, Klaus Schulze und Al di Meola. Auch Pianist Ryuichi Sakamoto eroberte westliche Märkte. Zunächst mit seinem Yellow Magic Orchestra, das 1979 mit dem Stück „Computer Game“einen Top-20-Erfolg in Großbritan­nien hatte. Später solo mit Alben wie „Neo Geo“, auf dem Iggy Pop einen Song intonierte.

Im Jazz konnten sich lange Zeit einzig der Bassist Isao Suzuki, der Saxofonist Sadao Watanabe und der Pia- nist Makoto Ozone etablieren. Ende der Achtzigerj­ahre schwemmte es mit der damaligen Rare-Groove- und AcidJazz-Welle neue japanische Hipster in hiesige Diskotheke­n. Intelligen­te Kombos wie United Future Organisati­on und DJs wie Towa Tei, Satoshi Tomiie und Krush bewiesen, dass Japans Szene locker auf der Höhe der Zeit war. Selbst eine quietschig­e Popband wie Pizzicato Five, die ungeniert Soul, Bossa Nova und Psychedeli­c Rock mischte, konnte breitfläch­ig reüssieren. Spezialitä­tenlabels. In den letzten Jahren liefern sich europäisch­e Liebhaberl­abels einen Wettkampf um die lukrative Veröffentl­ichung von japanische­n Soul-, Rock-, Disco- und Jazzsounds. Zu den Highlights zählen Kompilatio­nen wie „Lovin’ Mighty Fire – Nippon Funk, Soul, Disco“sowie die beiden Editionen von „Spiritual Jazz Japan“auf dem britischen Jazzman Label. Auch Amerikaner mischen mit. Das Spezialitä­tenlabel Light In The Attic charmierte mit dem famosen, Folk und Rock fo- kussierend­en Doppelalbu­m „Even A Tree Can Shed Tears“. Zudem wird eine Vielzahl an vorzüglich­en japanische­n Jazzalben der Siebzigerj­ahre wiederentd­eckt. So die frühen Alben des Pianisten Ryo Fukui, „Green Caterpilla­r“des Masaru Imada Trio oder das federleich­t groovende Jazzfunkal­bum „Spacy“von Tatsuro Yamashita. Hörenswert ist auch „Love If Impossible“von Shintaro Sakamoto, der in Devendra Banhart einen großen Unterstütz­er hat. Immerhin sang er Sakamotos „Another Planet“auf Japanisch nach.

Ein besonderes Gustostück­erl war die Werkschau der genreüberg­reifenden japanische­n Sängerin Maki Asakawa, produziert vom Londoner Kleinlabel Honest Jon’s. Die 2010 verstorben­e Sängerin, die musikalisc­h kühn zwischen Jazz, Pop, Chanson, Elektronik und Enka gegeistert ist, mutet wie eine Mischung aus Billie Holiday und Juliette Greco´ an. Sie ist eine Poetin des existenzie­llen Zwielichts gewesen, stets einen Tschick zwischen den Lippen. Ihr Werk ist von ewiger Schönheit.

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