Schulmädchenlook
Ausdruck bringt, indem er seinen Multicolor-LED-Leuchtstab, ein typisches Konzert-Requisit, auf Blau stellt. Tanzregeln. Bei der Show folgt auch das Publikum einer geregelten Choreografie. Es ist ein bizarres Schauspiel: Mit ihren LED-Stäben spiegeln die Zuschauer die Armbewegungen der Stars auf der Bühne („Furicopy“heißt das), reißen an bestimmten Stellen die Arme in die Luft und skandieren Phrasen im Chor. Singt ein Mädchen ein Solo, preschen die Fans mit den farblich passenden Stäben nach vorne. Individuelles Tanz- oder Jubelverhalten ist nicht gern gesehen, auch Fotografieren ist fast immer verboten – was die „Chekis“zu umso begehrteren Souvenirs macht.
Und die Musik? Für westliche Ohren klingt das meiste, was die Idol-Industrie produziert, nach knallbuntem Kaugummipop: Simple Upbeat-Rhythmen, synthetische Klänge, helle Mädchenchöre – das Ganze oft versehen mit Rap-, Rock- oder gar Metal-Einsprengseln. Die Texte handeln von Liebe oder dem Teenager-Alltag, dazu gibt es eingestreute englische Wörter: „Number one“, „happy“, „why?“.
„Teacher Teacher“heißt der aktuellste Song der Gruppe AKB 48, die seit 2010 unterbrechungsfrei die japanischen Jahres-Singlecharts anführt. Sie bespielt täglich eine eigene Konzerthalle und tourt zugleich durchs Land. Möglich ist das, weil die Band, wie viele andere, in Subgruppen organisiert ist: Wer nach einem Casting aufgenommen wird, gehört erst zur Trainee-Einheit und kann mit den Jahren in höhere Ränge aufsteigen. Am Ende der Bandkarriere steht eine emotionale Graduierungszeremonie vor Publikum – der elegante Ausstieg einer Frau aus dem Idol-Zirkus. Es kann auch anders gehen: Die Regeln, die Idols von ihren Agenturen auferlegt werden, sind streng. Sie sollen moralische Reinheit und Unschuld verkörpern – und nicht zuletzt den männlichen Fans als nicht ganz unerreichbares Objekt der Begierde dienen. Immer wieder werden Mädchen, die beim Rauchen oder Küssen erwischt worden sind, aus der Band geworfen. Ihre Reputation: dahin. Plastikwaffen. Kamen Joshi (übersetzt: „maskierte Mädchen“) versteht sich als Antipol dazu, als Underground-Band, mit Mädchen, die von anderen Projekten abgelehnt wurden. Hier dürfen sie private Romanzen ausleben, öffentlich geben sie sich rebellisch: Bei Auftritten tragen sie Serienkiller-Masken, schießen mit Klopapierkanonen und headbangen. Auch Kamen Joshi besteht aus Untergruppen: „Alice 10“tritt mit überdimensionalen Plastikwaffen und Kettensägen auf, die „Steam Girls“tragen Gasmasken zu futuristisch inspiriertem Glitzergewand, die Lieder nehmen Anleihen am Elektropop. Die „Armor Girls“mischen – in knallbunten Mittelalter-Rüstungen – Idol-Pop mit irischen Volksliedern.
Beim Lokalaugenschein auf ihrer Tokioter Heimatbühne geht es relativ brav zu. Die Trainee-Klasse ist dran – und kredenzt liebliche Quietschmelodien zu einer trotz Killermasken nicht allzu bedrohlich wirkenden Bühnenshow. Den branchenüblichen Zuckerguss können auch diese „wilden“Idols nicht ganz abschütteln – so sehr sie sich bemühen. Ganz ironiefrei sagte Mitglied Moa Tsukino einmal: „Wir haben die Niedlichkeit aufgegeben, stattdessen rocken wir – mit der Kraft, die aus dem Inneren unseres Herzens kommt.“
Die Idole sollen Unschuld und Reinheit verkörpern. Rauchen oder Romantik: verboten.