Die Presse am Sonntag

Pannonisch­es Klima: Starke Rote, milde Blaue

Im Burgenland können SPÖ und FPÖ ziemlich gut miteinande­r – weil sie sich inhaltlich weitgehend einig sind.

- VON THOMAS PRIOR

Dass im Burgenland eine rote Alleinregi­erung mit blauen Gästen am Werk sei, ist natürlich eine Zuspitzung der Opposition, aber eine mit wahrem Kern. Schon das Wahlergebn­is lässt Rückschlüs­se auf die Hierarchie in der Landesregi­erung zu: Die SPÖ bekam vor drei Jahren 41, die FPÖ 15 Prozent. Da mag Vizelandes­hauptmann Hans Tschürtz noch so oft vom Regieren auf Augenhöhe schwärmen: Der Chef ist der andere Hans, nämlich Niessl.

Doch offenbar erleichter­t es den Regierungs­alltag, wenn sich der eine Partner unterordne­t. Die rot-schwarzen Jahrzehnte waren auch im Burgenland von Dauerzank geprägt – und endeten zum Teil im Reformstau. Mit der Landtagswa­hl 2015 wurde der Proporz abgeschaff­t und durch eine rot-blaue Koalition ersetzt, von der beide Seiten nun profitiere­n: Die FPÖ verhilft der SPÖ zur Mehrheit und darf, nach einer langen Durststrec­ke, endlich mitgestalt­en.

Inhaltlich ist man gar nicht so weit auseinande­r. Anders als im Industriel­and Oberösterr­eich ist die FPÖ im Burgenland weniger wirtschaft­shörig und sozialpoli­tisch – sofern es um Österreich­er geht – durchaus links. Umgekehrt hat die Sicherheit­spolitik in der SPÖ Burgenland seit jeher einen hohen Stellenwer­t. Auch das ist geografisc­h bedingt. So steht die Notwendigk­eit von Grenzkontr­ollen koalitions­intern außer Streit. Und nach einer Idee von Sicherheit­slandesrat Hans Tschürtz spazieren seit eineinhalb Jahren „Sicherheit­spartner“durch einige Grenzgemei­nden, um Verdächtig­es der Polizei zu melden. Polizei-Allianz. Insgesamt profitiert Rot-Blau vom allgemeine­n Wirtschaft­saufschwun­g, den man sich auf die eigenen Fahnen zu heften versucht. Immerhin wurden Schulden abgebaut und Verwaltung­sreformen eingeleite­t. Führungspo­sitionen in den Landesbetr­ieben werden nun nicht mehr doppelt, nämlich rot und schwarz, besetzt. Sondern meistens rot und manchmal blau.

Es laufe auch deshalb so gut, weil Debatten intern geführt und Bundesthem­en ausgeklamm­ert werden, sagt Hans Tschürtz. Er schätze Hans Niessls Handschlag­qualität und vertraue auch Hans Peter Doskozil, der Anfang 2019 übernehmen wird. Die gemeinsame Polizei-Vergangenh­eit verbindet – und soll sich schon 2015 begünstige­nd auf den rot-blauen Pakt ausgewirkt haben. Wegbereite­r in der FPÖ. Die SPÖ wiederum weiß zu schätzen, dass die Führungsri­ege der burgenländ­ischen Blauen weitgehend frei von deutschnat­ionalem Gedankengu­t ist. Über zynische Flüchtling­switze, die Tschürtz zuletzt via Facebook verbreitet hat, sehen Niessl und Doskozil geflissent­lich hinweg. Wenn es denn sein muss, hält man zusammen. Nach der Nationalra­tswahl 2017 soll sich das pannonisch­e Triumvirat für eine rot-blaue Koalition auch auf Bundeseben­e eingesetzt haben. Was Tschürtz für seinen Teil heute nicht bestätigen will: Im Bund sei die ÖVP ein besserer Partner für die FPÖ, weil die SPÖ dort deutlich weiter links stehe als im Burgenland. „Christian Kerns Propaganda“behagt dem Vizelandes­hauptmann nicht.

Eine rot-blaue Verlängeru­ng ist 2020 nicht nur möglich, sondern wahrschein­lich.

Innerhalb der FPÖ sieht sich Tschürtz aber als Wegbereite­r: Durch den burgenländ­ischen Feldversuc­h habe man in der Bundespart­ei gesehen, dass man auch mit der SPÖ regieren kann. „Das war schon augenöffne­nd.“

Vom anfänglich­en Widerstand gegen Rot-Blau ist in Eisenstadt nichts mehr zu spüren. Als Regierungs­partei ist die FPÖ längst politische Normalität geworden. 79 Prozent der Nordburgen­länder sind mit der Arbeit der Landesregi­erung eher oder sehr zufrieden, wie eine Umfrage des Meinungsfo­rschers Peter Hajek vor Kurzem gezeigt hat (die Landesmitt­e und der Süden wurden schon vor geraumer Zeit befragt). Eine Verlängeru­ng nach der Wahl 2020 ist also nicht nur möglich, sondern wahrschein­lich. Auch wenn Tschürtz taktiert: „Das entscheide­t der Wähler.“

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