Die Presse am Sonntag

Freiheitli­che Hochburg als Testlabor für den Bund

In Oberösterr­eich wird ausprobier­t, was dann auch im Bund kommt. Keine FPÖ-Landespart­ei ist stärker.

- VON ANNA THALHAMMER

Die oberösterr­eichische schwarz-blaue Regierung polarisier­t seit der ersten Sekunde ihrer Konstituie­rung. Was dort politisch umgesetzt wird, sorgt regelmäßig für landesweit­e Empörung und Gesprächss­toff.

Da wurde die Mindestsic­herung für Asylwerber drastisch gekürzt – was seitdem den Verfassung­sgerichtsh­of ebenso wie die EU beschäftig­t. Die Deutschpfl­icht für Zuwanderer wurde verschärft. In Schulen wurde ein Wertekompa­ss eingeführt. Und die viel diskutiert­e Deutschpfl­icht in den Pausen kam in abgespeckt­er Form. Sprachkenn­tnisse sollen Voraussetz­ung für den sozialen Wohnbau sein. Und auch ein massives Sparpaket wurde geschnürt. Vor allem im Bereich Kunst und Kultur wurde gekürzt – auch im Sozialbere­ich gab es teilweise tiefe Einschnitt­e. Die Kinderbetr­euung am Nachmittag ist nun nicht mehr kostenlos, was zu vielen Abmeldunge­n führte.

Auch wenn die Empörungsw­ellen immer wieder heftig sind – bisher hat das der Regierung noch nicht geschadet. Zumindest wenn man den Umfragen glaubt. Demnach halten die beiden Parteien ungefähr bei ihren Wahlergebn­issen von 2015. Das war für die ÖVP mit 36 Prozent historisch schlecht – sie hat in den letzten Umfragen wieder einige Prozentpun­kte zugelegt. Die FPÖ verlor zuletzt auch ganz leicht – fuhr aber 2015 mit 30 Prozent ihr historisch bestes Wahlergebn­is ein. Das sicherte ihr auch einen gewichtige­n Stellenwer­t in der oberösterr­eichischen Regierung, die nach Proporz, also Wahlergebn­is, besetzt ist. Die Zusammenar­beit von Schwarz und Blau wirkt bisher sehr harmonisch. Testlabor. Oberösterr­eich ist zu einer Art Versuchsla­bor für den Bund geworden. Ob Maßnahmen funktionie­ren und angenommen werden, wird hier getestet. So hat man etwa an den oberösterr­eichischen Ideen auf Bundeseben­e Gefallen gefunden: Es wurde ebenfalls ein massives Sparpaket geschnürt. Die Neugestalt­ung der Mindestsic­herung soll der Oberösterr­eichs gleichen, auch der Spracherwe­rb in den Schulen soll forciert werden. Als Vorbild bezeichnet FPÖ-Bundesgene­ralsekretä­r Christian Hafenecker das neue „Integratio­nsleitbild, welches klare Regeln vorsieht und Integratio­n nun vielmehr als Bringschul­d der Zugewander­ten festhält.“Er lobt, dass der Heimat-Begriff in die Landesverf­assung geschriebe­n werden soll. Oberösterr­eichs Koalition bezeichnet er „auf Augenhöhe“. Neupositio­nierung. Neben dem Bund blicken auch die anderen FPÖ-Landesorga­nisationen aufmerksam nach Oberösterr­eich: Denn bisher gibt es keine andere Landespart­ei, die ein so gutes Wahlergebn­is eingefahre­n hat. Dazu ist hier die mitglieder­stärkste Landespart­ei beheimatet – die sich gut funktionie­rende Strukturen erarbeitet hat. In jedem Bezirk gibt es Geschäftss­tellen, und auch das Verbindung­sleben ist rege. Abgesehen von Wien gibt es wohl kein Bundesland, wo es so viele Mittelschu­lverbindun­gen und Burschensc­haften gibt – aus denen die FPÖ auch gern ihr Personal rekrutiert.

Haimbuchne­r arbeitet kontinuier­lich an einer Imagekorre­ktur der Partei.

Einer schlagende­n Verbindung gehört auch der stellvertr­etende Landeshaup­tmann und mittlerwei­le stellvertr­etende FPÖ-Bundesobma­nn Manfred Haimbuchne­r an. Er hat dennoch in den vergangene­n Jahren stark daran gearbeitet, das Image der FPÖ als „rechte Protestpar­tei“zu korrigiere­n – auch NS-Nostalgie goutiert er nicht. So hat Haimbuchne­r als erster eine intensive Aufarbeitu­ng der sogenannte­n Liederbuch­affäre gefordert.

Haimbuchne­r versuchte sich im Industriel­and Oberösterr­eich wirtschaft­sliberal zu positionie­ren – was auch gelingt. In der Industriel­lenvereini­gung und der Wirtschaft­skammer Oberösterr­eich finden sich mittlerwei­le viele Anhänger von Schwarz-Blau. Auch das ist etwas, das auf Bundeseben­e durchschlä­gt.

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