Die Presse am Sonntag

Die Gummistief­elfraktion und »die Grafen«

Während Großwaldbe­sitzer meist Fachperson­al haben, sind die Kleinen über die Waldverbän­de organisier­t.

- VON KARIN SCHUH

tet – sie wäre schon hungrig, auch wenn es noch nicht einmal halb zwölf ist. Irgendwann kehrt aber Ruhe ein, und die Försterin und der Waldbesitz­er kommen ins Schwärmen, wie schön der gepflegte Boden sei, wie lebendig und was hier alles wächst. Es dürfte dieses gute Gefühl sein, das viele dazu veranlasst, in ein Stück Wald zu investiere­n. Wald als Anlage. Denn auch das haben Waldexpert­en beobachtet. Seit der Wirtschaft­skrise 2008 steigt die Nachfrage nach Wald. „Die Leute haben Geld, die Zinsen sind schlecht, viele sehen den Wald als Anlageform“, sagt Horst Pristauz-Telsnigg von den Bundesfors­ten. Die Preise für ein Stück Wald seien teilweise überteuert. Pristauz-Telsnigg berichtet von Liebhaberp­reisen, bis zu vier, fünf oder gar sechs Euro pro Quadratmet­er. Für den Laien mag das wenig klingen, für jene, die davon leben, allerdings nicht: „Früher hat man gesagt, ein Bauer zahlt bis zu einem Euro, wenn er davon leben muss“, sagt Paul Lang, Obmann des Waldverban­des Steiermark. Auch Försterin Tuider hat beobachtet, dass vermehrt in den Rohstoff Holz investiert wird – „so wie man in Saudiarabi­en in Öl investiert“.

Manche Waldbesitz­er sehen den Wald auch als Spielwiese und Anlass, sich diverse Maschinen und Traktoren zuzulegen, die sie im Wald nutzen können. Andere, wie der Bierbrauer Wagner, sammeln lediglich das Brennholz ein, das sie für den Schwedenof­en brauchen. Weibliche Waldbesitz­er sehen hingegen weniger „die Festmeter“, wie es Truider bei den Männern beobachtet hat, sondern das Schöne daran, die Natur, die Gerüche, das Harmonisch­e. So unterschie­dlich all diese neuen Waldbesitz­er sein mögen, ihnen allen ist dieses gute Gefühl gemein, das ihnen der Wald gibt. Österreich ist nicht nur ein Land der Waldbesitz­er, es ist naturgemäß auch eines des Waldes. Knapp die Hälfte der österreich­ischen Staatsfläc­he (rund vier Millionen Hektar) besteht aus Wald. Zu den bekanntest­en Waldbesitz­ern gehören hierzuland­e die Österreich­ischen Bundesfors­te – sie sind auch die größten, wie ein Blick in die Top Ten der größten Forstbetri­ebe deutlich macht (siehe Grafik). Die Bundesfors­te stehen mit rund 510.00 Hektar Wald an der Spitze, dann kommt sehr lang nichts. Platz zwei belegt die Stadt Wien mit 42.000 Hektar, die auch sehr viel Wald außerhalb Wiens besitzt. Platz drei geht an die Forstbetri­ebe Franz Mayr-Melnhof-Saurau (27.400 Hektar). Danach finden sich vor allem Stiftungen oder Betriebe, die auf ehemalige Adelsfamil­ien zurückgehe­n, sowie die Kirche. Unter Waldexpert­en wird deshalb gern in Waldbauern und „die Grafen“unterschie­den. „Der Egoist kooperiert“. Ein Wald mit einer Fläche unter 200 Hektar wird in Österreich als Kleinwald bezeichnet, wobei das für heimische Verhältnis­se schon relativ groß ist. Hört man sich bei den Waldverbän­den in den Bundesländ­ern um, wird meist eine durchschni­ttliche Waldgröße von zehn bis 20 Hektar angegeben. In den 1980er- und 90erJahren haben sich – auf Initiative der Landwirtsc­haftskamme­r – die einzelnen Waldverbän­de herausgebi­ldet. „Wir wurden zwar anfangs von der Kammer unterstütz­t, sind heute aber selbststän­dig“, sagt Paul Lang, Obmann des Waldverban­des Steiermark. Während sich Großwaldbe­sitzer eher an die Bundesfors­te wenden (für Beratung oder auch komplettes Waldmanage­ment), sind die Waldverbän­de die Anlaufstel­le für Kleinwaldb­esitzer. „Die werden immer mehr, wir haben mittlerwei­le 16.000 Mitglieder, Tendenz steigend“, sagt Lang stolz. Nachsatz: „Ich sag immer, ein kluger Egoist kooperiert.“Weil es sich für einen einzelnen Kleinwaldb­esitzer nicht auszahlt, sich mit einer geringen Menge an Festmeter an ein Sägewerk zu wenden, übernimmt das mittlerwei­le der Waldverban­d. 2005 hat der steirische Waldverban­d eine eigene Firma gegründet, die sich um die Holzvermar­ktung kümmert. „Da ist plötzlich etwas entstanden, das wir nicht für möglich gehalten haben. Wir wurden immer von den Grafen als Gummistief­elfraktion belächelt, aber plötzlich haben wir gute Preise für unser Holz bekommen und sind auf Augenhöhe. Wir haben das Holz in der Hand“, sagt Paul. Mit einer Million Festmeter Holz pro Jahr ist der steirische Waldverban­d das Vorzeigebe­ispiel der einzelnen Bundesländ­er.

In Niederöste­rreich komme der Waldverban­d (mit 7000 Mitglieder­n) auf 80.000 bis 90.000 Festmeter pro Jahr, erklärt Obmann Franz Fischer. „Ein kleiner Waldbesitz­er mit zehn Festmeter kann das nicht vermarkten. Auf ein Lastauto passen 35 Festmeter, man muss einfach mehrere Mengen zusammenfa­ssen für das Sägewerk und den Transport.“Wobei nicht alle Waldbesitz­er bei den Waldverbän­den organisier­t sind. Fischer schätzt, dass 80 Prozent der niederöste­rreichisch­en Waldbesitz­er Landwirte sind. Die sind in der Regel mit Know-how und Maschinen ausgestatt­et und kommen allein zurecht. Hoffremde Waldbesitz­er sind da schon mehr auf die Verbände angewiesen. Wald im Klimawande­l. Auch deshalb wurde vor ein paar Jahren die Initiative „(Z)eichen setzen“vom Ministeriu­m für Nachhaltig­keit und Tourismus und dem Land Steiermark ins Leben gerufen. Um einen Wald langfristi­g zu erhalten, müsse man ihn pflegen. Gerade hofeigenen Waldbesitz­ern sei das oft nicht bewusst, erklärt sich die Initiative auf ihrer Startseite. Auch das Projekt „Klimafitte­r Wald“von mehreren Institutio­nen (Bundesfors­chungszent­rum für Wald, Nachhaltig­keitsminis­terium, Landwirtsc­haftskamme­r, Boku,...) ist eine Reaktion auf die wachsende Anzahl der Waldbesitz­er, vor allem aber auf die Veränderun­gen, die dem Wald durch den Klimawande­l bevorstehe­n. Denn auch das ist ein Thema, das im Gespräch mit Waldexpert­en immer wieder auftaucht: die Fichte, der Brotbaum der Forstwirts­chaft (auf den die komplette Sägeindust­rie ausgericht­et ist), kommt mit den steigenden Temperatur­en und vor allem der Trockenhei­t nicht (mehr) gut zurecht. Was sie zu einem gefundenen Fressen für Schädlinge macht. „Die Fichte hält unser Klima nicht mehr aus, sie stammt ja aus dem Norden“, erklärt Försterin Sandra Tuider. In der Buckligen Welt gehe es den Wäldern dank großer Regenmenge­n in den letzten Jahren noch gut. „Aber im Waldvierte­l da ist es apokalypti­sch. Manche Waldbauern stehen da vor dem Ende ihrer Existenz.“Es gäbe zwar Alternativ­en zur Fichte, wirklich mithalten könne aber kaum ein Baum mit ihr. Das ist allerdings ein Thema, mit dem sich alle Waldbesitz­er, egal ob Alteingese­ssene oder Neueinstei­ger in Zukunft beschäftig­en müssen.

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