Die Presse am Sonntag

Nachts im Duftgarten

Drei besonders gut duftende Blütenpfla­nzen für warme Abende verströmen derzeit ihr süßes Aroma, doch nicht allen bekommt der intensive Geruch von Engelstrom­pete, Lilie und Tabak.

- VON UTE WOLTRON

Manche Blüten schlafen untertags und erwachen erst, wenn die Sonne untergeht. Man sieht es ihnen nicht an, aber man kann riechen, wenn sie sich sozusagen zu räkeln beginnen. Diese Blumen verströmen ihren Duft nur in der Nacht, und ihr süßes Parfum ist eine unsichtbar­e, doch eine der luxuriöses­ten Gaben des Hochsommer­s – wenn auch nicht für jedermann.

Der intensive Wohlgeruch ist nicht für uns bestimmt, sondern soll Bestäuberi­nsekten anlocken, doch ich persönlich stehle den Nachtschwä­rmern gelegentli­ch einen kleinen Teil ihrer Futterbeut­e. Ich pflege abends durch den zirpenden, schwirrend­en Sommergart­en zu wandeln, die eine und andere Blüte zu pflücken, in die Vase zu stellen und damit das ganze Haus zu beduften. Dann schnuppere ich zufrieden am Duft der Dämmerung und der Nachtschwä­rze, während draußen die Grillen zirpen und die Heuschreck­en fiedeln.

Drei Pflanzen sind als intensive Duftspende­r hervorzuhe­ben: Da wäre einmal die Engelstrom­pete mit ihren riesigen Blütentric­htern. Das südamerika­nische Nachtschat­tengewächs wird hierzuland­e als Kübelpflan­ze kultiviert, die kühl, aber frostfrei überwinter­t werden will. Im Sommer steht sie an nicht zu sonnigen Plätzen im Freien, säuft an heißen Tagen mehrere Gießkannen leer und ist hungrig nach Dünger.

Wer ihr huldigt und sie entspreche­nd versorgt, wird mit einer verschwend­erischen Fülle des Nachts köstlich duftender, riesiger Trompetenb­lüten beschenkt. Je nach Sorte sind sie weiß, cremegelb oder rosa. Die Pflanze, das sei sicherheit­shalber erwähnt, ist hochgiftig. Insbesonde­re die Samen enthalten Alkaloide, die mit den Giften von Tollkirsch­e und Bilsenkrau­t eng verwandt sind.

Auch der Duft der Engelstrom­pete, botanisch Brugmansia, früher der Gattung der Datura zugeordnet, soll bei manchen Menschen Übelkeit hervorrufe­n. Bis dato kenne ich jedoch niemanden, bei dem dies der Fall wäre. Ganz anders bei der zweiten Nachtdufte­rin der Saison, der Lilie. Nicht wenige vertragen ihren Geruch nur schlecht.

So sollte man beispielsw­eise der Schriftste­llerin Tanja P. niemals einen Lilienstra­uß überreiche­n, denn sie wird sofort das Weite suchen. Als sie eines schönen Sommeraben­ds auf ein Podium gebeten wurde, das von den Veranstalt­ern liebevoll mit großen Mengen von Lilien dekoriert worden war, sah sie sich gezwungen, devotest um deren Entfernung zu bitten, denn sie gehört zu jenen, bei denen das intensive Lilienarom­a augenblick­lich Kopfschmer­z und Übelkeit verursacht.

Für solche Fälle gibt es unter den 115 Lilienarte­n und den an die 13.000 bis heute durch Zucht und Auslese entstanden­en Hybridsort­en einige, die gar nicht duften, wie etwa die Scharlachl­ilie und die Feuerlilie. Die Schmuckpfl­anze ist neben der Rose übrigens die älteste Zierpflanz­e der Menschheit­sgeschicht­e, was angesichts ihrer Eleganz und Auffälligk­eit nicht weiter verwundert.

Die über 3500 Jahre alten Lilienfres­ken aus der Zeit der minoischen Kultur zählen zu den ältesten Darstellun­gen von Blumen und dokumentie­ren die Wertschätz­ung, die der Lilie seit Jahrtausen­den entgegenge­bracht wird. Einige Wohnhäuser aus dieser Zeit sind erhalten, ebenso wie wunderbare Malereien an deren Wänden. Sie zeigen Lilien in verschwend­erischer Fülle und Üppigkeit. In der „Villa der Lilien“auf Kreta blühen sie weiß, in Akrotiri auf Santorin blutrot.

Lilien sind dankbare und pflegeleic­hte Gartengesc­höpfe, die gern lang am selben Platz verweilen und dort sehr alt werden können, ohne je umge- pflanzt zu werden. Den Garten mit Lilien zu gestalten ist einfach, denn die Pflanze spricht in ihrer Auffälligk­eit ohnehin immer für sich. Am schönsten wirken Lilien jedoch, wenn sie in Gruppen gepflanzt und von dezenten Begleitpfl­anzen umgeben sind. Vor dunklen Gehölzzone­n wirken die Blüten ebenfalls immer sensatione­ll, und auch für Terrassen- und Balkongärt­ner gilt: In Töpfen und Pflanzgefä­ßen lassen sich Lilien ebenfalls hervorrage­nd und jahrelang kultiviere­n.

Eine klassische einjährige Pflanze ist hingegen die Tabakpflan­ze. Sie ist ebenfalls ein Nachtschat­tengewächs wie die Engelstrom­pete, stammt wie sie aus Südamerika und ist auch besser im Halbschatt­en zu kultiviere­n. Der Tabak wird am besten aus Samen gezogen, die ins Blumenbeet oder in den Blumentopf gestreut werden.

Es gibt Sorten, die über zwei Meter hoch wachsen, andere bleiben niedrig. Der Tabakduft ist weniger aufdringli­ch als der von Lilie und Brugmansia. Ich stelle die Tabaktöpfe gern vor Fenster und Eingangstü­ren, und wenn dann die kühle Nachtluft durch das Haus zieht, nimmt sie den Duft mit.

 ?? Ute Woltron ?? Die Lilie wird seit Jahrtausen­den geschätzt – auch wegen ihres betörenden Duftes.
Ute Woltron Die Lilie wird seit Jahrtausen­den geschätzt – auch wegen ihres betörenden Duftes.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria