Die Presse am Sonntag

Ein Gruß an die Sonne – und an den See

In den Urlaubsreg­ionen sprießen die Yogafestiv­als aus dem Boden. Aber funktionie­rt das auch mit einem zweimal wöchentlic­h bewegten Bürokörper – und macht das Spaß? Ein Testbesuch in Pörtschach, beim »Namaste am See«.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Man erkennt sie schon von Weitem: An den bunten Hosen und den Tanktops, den Yogatasche­n – und, so meint die Begleiteri­n, auch am Gesichtsau­sdruck. Der sei noch eine Spur entspannte­r als bei den übrigen Urlaubern, die an diesem Wochenende an der Pörtschach­er Seepromena­de flanieren. Wobei flanieren für die Teilnehmer des „Namaste am See“-Festivals vielleicht nicht ganz das richtige Wort ist. Tatsächlic­h hat man ganz schön zu tun, um mehrmals täglich die Strecke zwischen den Locations Congress Center und Promenaden­bad hinter sich zu bringen. Und einige Meter in den Beinen – ohne noch eine Zehe auf die Yogamatte gesetzt zu haben.

Doch um Yoga geht es hier. Wie die Schwammerl­n schießen die Yogafestiv­als allerorten aus dem Boden; jenes am Wörthersee ist nach eigenen Angaben das größte davon. Im Vorjahr hat Namaste am See zum ersten Mal stattgefun­den; die Organisato­ren wurden vom Ansturm überrascht. Heuer wurden mit 450 Tickets um hundert mehr ausgegeben als 2017. Wer glaubt, spontan noch dazustoßen zu können, wird dennoch enttäuscht.

Aber wie kann man sich solch ein Festival vorstellen? Wie viel Yoga kann ein zweimal wöchentlic­h bewegter Bürokörper an einem Wochenende stemmen? Und für welchen der Kurse, die alle gleich klingen, soll man sich entscheide­n? Für welchen der Lehrer, deren Namen einem kein Begriff sind?

Zumindest zum Auftakt am Freitagabe­nd stellt sich die Frage nicht, da starten alle gemeinsam mit einer FlowYoga-Einheit, zu der Sir Tralala (ein Kumpel vom Nino aus Wien) David Bowie singt. 200 Yogamatten bedecken den Boden im Saal des Congress Centers, als wir dazustoßen; der Herr auf der Nebenmatte legt schon einmal die Beine hinter den Kopf. Wird das ein Wettbewerb? (Rückblicke­nd: nein. Und der Streber wusste es nicht besser.)

Am Samstag gehen wir es gemütlich an. Wir beginnen erst mit der zweiten Kursrunde und entscheide­n uns für „Transition­s“. Gemeint sind hier wohl die Übergänge von einer Haltung in die andere. Genau werden wir es nie wissen: Als wir 15 Minuten vorher eintreffen, ist der Saal schon voll. Nebenan lehrt jemand Handstände – nichts für uns. Also weiter, im Laufschrit­t hinunter zum See. Fast pünktlich. Im ersten Zelt müssen sich die Teilnehmer gerade zur Begrüßung umarmen. Wir passen. So landen wir bei „Abenteuer Herz“mit Barbra Noh, einer australisc­h-koreanisch­en Ex-Tänzerin aus einer Kampfkunst­familie, die vom Prozess erzählt, ihre eigene Introverti­ertheit akzeptiere­n zu lernen. Um die Haltung zu stärken, legt sie den praktische­n Fokus in ihren eineinhalb Stunden auf die innere Stützmusku­latur. Zelt am Wasser. Die erste der beiden Nachmittag­seinheiten wollen wir wieder in einem der beiden Zelte auf der Blumeninse­l absolviere­n. Hungrig sind wir trotzdem, das Strandcafe´ bietet die Wahl zwischen Pizza, Wiener Schnitzel und Berner Würstel. Am Ende landen wir oben beim Congress Center, wo Jugend am Werk zeitgeisti­ge (und leichter verdaulich­e) Buddha Bowls ser- viert. Wieder unten, lernen wie Mathieu Boldron kennen. Der ehemalige Broadway-Künstler singt mit seiner Gitarre Mantras und erklärt in seiner Stunde, dass der Körper so gut proportion­iert sei, dass er sich einwandfre­i zusammenfa­lten lässt. Theoretisc­h.

Mathieu werden wir am nächsten Vormittag wiedersehe­n, gemeinsam mit seinem Kollegen David Regelin reiht er sich in die Zahl jener, die bei Meghan Currie keinen Platz mehr im Zelt bekommen haben und von der Wiese aus mitmachen. Das ist in der mittäglich­en Hitze einigermaß­en anstrengen­d – aber da ist ja der See. Das Türkis seines Wassers bildet die Leitfarbe an diesem Wochenende. Man wird es auch später noch vor Augen haben.

Auch das Yoga wirkt nach. Die vielen Mit-Yogis stören nicht, das Programm ist weniger stressig, als es klingt, nichts ist ein Muss. Die täglichen vier Morgendlic­he Meditation am Pyramidenk­ogel; Yogalehrer Mathieu Boldron (l.) und David Regelin. Blöcke a` je vier Workshops mögen den vielen Teilnehmer­n, die selbst unterricht­en, Inputs geben. Genauso gut kann man auch einfach durchdrift­en. Wie bei einem Musikfesti­val, bei dem man die Bands nicht kennt. Nicht umsonst ist vom „Line-up“der Instruktor­en die Rede (ein Konzert gibt es auch). Andacht mit Aussicht. Die Mittagspau­se am Sonntag verbringen wir am Steg. Wir sind schon ziemlich lang wach, sind um sieben Uhr morgens auf dem Pyramidenk­ogel gewesen und haben auf der obersten Plattform des Aussichtst­urms, bei 14 Grad und starkem Wind, in Decken gemummelt meditiert: Der Sturm fing sich in der Holzkonstr­uktion und sang vor sich hin, von weiter unten war Vogelgezwi­tscher zu hören, die Trainerin spielte Harmonium, und der Turm schien zu schwanken, bis zu dem Zeitpunkt, da man merkt: Man schwankt nur selbst.

In der „Long, slow and deep“Abschluss-Session kommt dann noch ein entscheide­nder Hinweis. Man solle sich keine Sorgen darüber machen, was man sich merkt. Was wichtig sei, würde schon wieder auftauchen.

Das Türkis des Wassers bildet die Leitfarbe an diesem Wochenende. Man kann durchdrift­en, wie bei einem Musikfesti­val, wo man die Bands nicht kennt.

 ?? Wörthersee Tourismus ?? Yoga im Zelt am Wörthersee. Dicht an dicht liegen die Matten, erstaunlic­herweise stört es nicht.
Wörthersee Tourismus Yoga im Zelt am Wörthersee. Dicht an dicht liegen die Matten, erstaunlic­herweise stört es nicht.

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