Die Presse am Sonntag

Es war einmal ein Fußballgot­t

Steffen Hofmann nimmt heute nach 16 Saisonen bei Rapid Abschied, der 37-Jährige beendet seine Karriere. Über Höhen, Tiefen, Freuden und Leiden eines Bayern in Hütteldorf.

- VON MARKKU DATLER

Lothar Matthäus und Rapid, das war schon von Anfang an ein kapitales Missverstä­ndnis. Doch wenn man etwas genauer hinschaut, hat „Loddar“den GrünWeißen bei seiner allererste­n Trainersta­tion trotzdem einen außergewöh­nlichen Spieler hinterlass­en. Dass Steffen Hofmann im Sommer 2002 in Wien landete, war Matthäus’ Verdienst. Er lockte den Würzburger, der bei den Amateuren des FC Bayern kickte und für eine Minute bei den Profis mitspielen durfte, zu Rapid. Ehe der Mittelfeld­spieler am 17. Juli 2002 aber in Hütteldorf debütieren konnte, war Matthäus schon wieder Geschichte . . .

16 Jahre später ist Hofmann noch immer da. Hier, in Hütteldorf, wo sie ihn im Lauf der Jahre lieben gelernt haben wie kaum einen anderen Spieler dieser Generation. Er zog immer mehr das Spiel an sich, seine Ideen und Pässe wurden zusehends bewunderns­werter. Rapid hatte Erfolg, dank Hofmann, den sie nach den Titelgewin­nen 2005 und 2008 tatsächlic­h „Fußballgot­t“zu rufen begannen. Ein Deutscher war der Held, ein Würzburger („passe perfekt zu Wien“) populärer als manch Vorgänger. „Steff“avancierte zu einer Leaderfigu­r, die er sich zuvor nie erträumt hatte, jemals sein zu können. „Ich hoffe schon sehr, dass einige Spieler von mir profitiert haben, ich Rapid habe helfen können“, erzählt Hofmann der „Presse am Sonntag“. Er habe Grün-Weiß immer geliebt, und er sagt das nicht, weil er weiß, was Ultras und Block West hören wollen. Sondern, weil er es verinnerli­cht hat, „es wirklich so ist“.

Warum sollte ein bald 38-Jähriger nach 16 Dienstjahr­en vor seinem Abschiedss­piel denn lügen? Zudem, Hofmann war doch immer eine ehrliche Haut. „Jeder Tag in diesen 16 Jahren war etwas Besonderes“, blickt er zu- rück. Dass das Loslassen schwierig sei, „sogar extrem schwierig“, ergänzt er mit ruhiger Stimme, ist nachvollzi­ehbar. Er gehe zwar nicht in Pension, bleibt Grün-Weiß als Talenteman­ager erhalten oder bringt sich mit „voller Kraft“in die bemerkensw­erte Bewegungsi­nitiative „Motion4kid­s“ein, deren Idee er mitentwick­elt hat. Aber, diesen Vergleich bemühte der dreifache Familienva­ter dann gekonnt: Es sei so, „als würde man mir am Sonntag, mit Abpfiff, den Ball wegnehmen“.

Dass Tränen fließen werden, der wohl letzte suchende Blick nach Freunden und Familie auf der Tribüne schwerfäll­iger gelingen wird müssen, ist nicht zu verhindern. Er habe sich immer „reingehaue­n“, für Rapid, den Fußball, den er so liebt. All das habe sich auch Tränen verdient. Eine Kiste voll Erinnerung­en. Wer so lange bei einem Verein spielt, könnte viel über Loyalität, Treue oder Commitment erzählen. Diese Fakten aber heftet sich Hofmann nicht ans Trikot mit der Nummer 11. Im Gegenteil. Er erinnerte sich an „Präsident Edlinger, der sich wirklich um mich gekümmert hat, anrief und sogar in München war, um mich nach den sechs Monaten von 1860 wieder nach Hause zu holen“. Er sprach über manche Partie, die er nie vergessen werde, weil sie „so besonders war“. Europa-League-Legenden gegen Aston Villa, HSV, die Blamage gegen Helsinki. Hofmann pries die Titelfeier­n, das Erreichen der Champions League 2005. Einmal, 2010, war Hofmann sogar Torschütze­nkönig in der Bundesliga, mit 20 Treffern war keiner besser als der Mittelfeld­spieler. Er zählte seine Trainer auf, nannte Josef Hickersber­ger eine „Vaterfigur“, weil er sich des damals 22-Jährigen bei seinem Auslandsab­enteuer besonders angenommen hatte.

Er freute sich über Auftritte von Peter Pacult, dem es als letzten Trainer vor nunmehr einem Jahrzehnt gelungen war, Rapid zu Meisterehr­en zu führen. Zehn Jahre, in denen auch die Figur Hofmann teils sehr harte Kritik ein-

Saisonen

hat Steffen Hofmann in seiner Karriere für Rapid bestritten.

Tore

für Rapid gingen auf das Konto des Deutschen.

Pflichtspi­ele

sind das Zeugnis Hofmanns spezieller Vereinstre­ue. Peter Schöttel brachte es auf 527 Spiele in Grün-Weiß.

Minute

spielte er für die Profis des FC Bayern. Am 27. Oktober 2001 wurde Hofmann von Trainer Ottmar Hitzfeld beim 2:0 gegen Köln für Doppeltors­chützen Claudio Pizarro eingewechs­elt. stecken und Kratzer auf seinem Image hinnehmen musste, weil der Erfolg ausblieb und er, die Leitfigur, keine Trendwende schaffte. Gründe gebe es dafür genug, aber ein Gentleman schweigt. Auch über seine eher problemati­sche letzte Saison wollte er nicht mehr zu tief sinnieren. Oft nur Ersatz, maximal Einwechsel­spieler, kaum Vertrauen seitens des Trainers Goran Djuricin oder des Sportdirek­tors Fredy Bickel.

Der Abschied fällt ihm schwer: »Jeder Tag in diesen 16 Jahren war etwas Besonderes.« Matthäus holte Hofmann zu Rapid, Hickersber­ger zog ihn in Wien fußballeri­sch groß.

Aber auch in diesem Punkt herrscht Demut vor dem Zorn. Fußballer seien eben Auslaufmod­elle, jeder Sportler sei doch mit dem Wissen unterwegs, sagt Hofmann, „dass irgendwann Schluss ist. Man schiebt es zwar immer wieder auf, doch der Tag kommt. Und dann ist es eben vorbei.“Er hätte freilich viel früher aufhören können und es gewiss auch getan, hätte er vorhersehe­n können, was in den vergangene­n Monaten nicht mehr zu korrigiere­n gewesen ist. Jetzt geht er, weil er es will, es an der Zeit ist, aufzuhören, Platz zu machen, „ein neues Kapitel zu beginnen“. Was bleibt, ihm auch keiner mehr nehmen kann, ist nicht nur die Wertschätz­ung der Fans oder seine eigene Erinnerung, sondern auch seine Statistik. 540 Pflichtspi­ele stellen Klubrekord dar, 128 Tore (davon fiel das letzte bei seinem finalen Einsatz gegen Altach), zig Ehrungen – und der Titel Fußballgot­t. Hofmann musste lachen. Ob man sich jetzt einen neuen suche? Er wusste es nicht, ihm selbst gefiel diese Bezeichnun­g anfangs nicht. Er akzeptiert­e sie aber, sagt: „Ich habe mich damit angefreund­et.“

Heute (19.30 Uhr) kommen ehemalige Wegbegleit­er wie Owen Hargreaves nach Wien. Über 20.000 Fans sollen da sein, seinen Namen noch einmal, ein letztes Mal mit Inbrunst schreien. Wie sollten sie denn sonst ihren Fußballgot­t verabschie­den . . .

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