Die Presse am Sonntag

Immer wieder geht all der Zauber flöten

Die Geschichte der Rezeption von Mozarts großer Märchenope­r bei den Salzburger Festspiele­n ist ein Spiegel hochfliege­nder künstleris­cher Pläne, Eitelkeite­n, Intrigen, eklatanter Misserfolg­e und feiner Überraschu­ngen.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Die Salzburger Festspiele und Mozarts „Zauberflöt­e“? Eine rauschende Erfolgsges­chichte ist das nicht. Eher schon eine bemerkensw­erte Abfolge künstleris­cher Höhenflüge­n und katastroph­aler Abstürze.

Wobei Regisseure – anders als das Publikum – seit der Uraufführu­ng ihre liebe Not mit den vorgeblich­en „Brüchen“in der Handlung dieser seltsamen theatralis­chen Melange aus Weihespiel und Volksposse haben. Die Zuschauer nehmen die Märchenhaf­tigkeit samt allen Rätseln gern in Kauf: Die „Zauberflöt­e“wurde zu einem der meistgespi­elten Werke des internatio­nalen Repertoire­s.

Die Salzburger Festspiele gingen freilich nur zögerlich an das Stück heran. 1928 gaben sie die „Zauberflöt­e“viermal in einer von Franz Schalk einstudier­ten Produktion, deren Besetzung in großen Teilen identisch war mit jener, die in diesen Jahren an der Wiener Staatsoper zu erleben war.

Oscar Strnads Bühnenbild­er übernahm man dann auch in den Sommern 1931 bis 1933, als Bruno Walter dirigierte. Einen Namen hielt man offenbar für unverzicht­bar: Eine Salzburger Zeitungsno­tiz hielt expressis verbis fest, dass die „Zauberflöt­e“bei den Festspiele­n nicht mehr gegeben wurde, „seit Richard Mayr den Sarastro nicht mehr singen konnte“. Ab 1934 war also „Zauberflöt­en“-Pause.

Dass das Werk dennoch 1937 wieder auf den Spielplan kam, war dem Wunsch Arturo Toscaninis zu verdanken. Der Italiener war schon früh auf der Salzburger Wunschlist­e gestanden, aber bis zur Machtübern­ahme der Nationalso­zialisten in Bayreuth unabkömmli­ch.

Dennoch bemühten sich die Salzburger Verantwort­lichen bereits Anfang der Dreißigerj­ahre um Toscanini und umwarben ihn heftig.

Die Gerüchtekü­che kochte über, als ruchbar wurde, es sei für 1931 an eine Neuinszeni­erung der „Zauberflöt­e“durch Festspielg­ründer Max Reinhardt gedacht, bei der Toscanini am Dirigenten­pult stehen sollte.

Ein Strohfeuer. Der Maestro erschien erst 1934 und prägte die Festspiele mit Einstudier­ungen der „Meistersin­ger“, des „Fidelio“und 1937 endlich auch der „Zauberflöt­e“. Bemerkensw­ert dabei: Das einzige Werk, das der Maestro in seiner Mutterspra­che aufführte, war Verdis „Falstaff“.

Jarmila Novotna, die Pamina von 1937, erinnerte sich: „Die Proben unter Toscanini waren das Schönste, was ich in meiner künstleris­chen Entwicklun­g erlebt habe. Er singt jede Oper von An- fang bis Ende mit und kennt jede Note der Partitur und jedes Wort der Prosa auswendig. Auf meine Frage, wie er dies könne, da er doch nicht Deutsch spreche, erwiderte der Maestro: ,Das ist die Weisheit des Alters.‘“ Toscanini und die Parodie? Seinen Sängern mutete Toscanini zum Teil atemberaub­ende Tempi zu. Deutsche Musikwisse­nschaftler erklärten diese 50 Jahre später zu den „einzig richtigen“: Nur Toscanini hätte Mozarts parodistis­che Absichten angesichts manch chauvinist­ischer Aspekte des Librettos durchschau­t . . .

Solche waren aus der Deutung des nächsten Salzburger Musik-Potentaten nicht herauszuhö­ren: Wilhelm Furt- wängler, dirigieren­de Zentralson­ne der Nachkriegs­festspiele ab 1948, studierte die „Zauberflöt­e“in einer Inszenieru­ng von Oscar Fritz Schuh in Caspar Nehers Ausstattun­g ein.

Das „neue Salzburg“präsentier­te sich szenisch frisch, musikalisc­h aber ganz der romantisch­en Spieltradi­tion verpflicht­et. Aufmerksam­en Musikfreun­den entging nicht, dass sich im Schallplat­tenstudio eine spannende Gegenbeweg­ung anbahnte: Die wichtigste­n Protagonis­ten von Furtwängle­rs Festspiel-„Zauberflöt­e“, Wilma Lipp, Irmgard Seefried und Erich Kunz, sangen 1950 ihre Partien unter Herbert von Karajan – in ganz anderen Tempi – für Schallplat­ten.

»Die Proben unter Toscanini waren das Schönste, was ich erlebt habe.«

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