Die Presse am Sonntag

Gänsehaut lügt nicht

Das Beachvolle­yballturni­er auf der Wiener Donauinsel setzte 2017 neue Maßstäbe. Clemens Doppler über die Zutaten des Erfolgs und Überwindun­gskünste auf dem Riesenrad.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Erinnerung­en können vielschich­tig sein, im Fall von Beachvolle­yballer Clemens Doppler und der Heimweltme­isterschaf­t 2017 sind sie wunderschö­n. Auf der Wiener Donauinsel hat Doppler mit seinem Partner Alexander Horst ein „zehntägige­s Märchen“erlebt, der Gewinn der Silbermeda­ille hat alles bisher Dagewesene in den Schatten gestellt. Zu toppen, glaubt der 37-Jährige, ist dieses Märchen bei der diesjährig­en Auflage des Turniers (ab Mittwoch) „wahrschein­lich nicht“. Dafür hätte die WM auch eine zu große Strahlkraf­t gehabt. Olympia und Weltmeiste­rschaften, das seien die beiden Turniere, die „jeder gewinnen will“.

Das Duo Doppler/Horst hat sich vergangene­n Sommer in einen regelrecht­en Rausch gespielt, ist – getragen von einer Welle der Euphorie – von Erfolg zu Erfolg geeilt. „Es war eine emotionale Achterbahn­fahrt“, erinnert der Oberösterr­eicher im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Auch, weil Rückstände immer wieder in Siege umgewandel­t wurden. „Vergleichb­ares habe ich noch nie erlebt.“Das Sommermärc­hen blieb nicht ohne Folgewirku­ng. Beachvolle­yball, davon ist Doppler überzeugt, habe in Österreich und speziell in Wien stark an Popularitä­t gewonnen, der Wien-Faktor habe dabei eine gewichtige Rolle gespielt. „Man hat die Stärke der Bundeshaup­tstadt schon gespürt, auch das Publikum war viel internatio­naler als sonst. “Und wären Doppler/Horst in den Niederland­en, China oder sonst wo Vizeweltme­ister geworden, „hätte unser Erfolg niemals so hohe Wellen geschlagen“.

So aber ist man in neue Sphären vorgedrung­en, was sich vor wenigen Wochen auch bei einem spektakulä­ren Fotoshooti­ng auf dem Wiener Riesenrad gezeigt hat. Die Aufnahmen er- reichten bereits über 180 Millionen Kontakte weltweit, der Werbewert ist gewaltig. Für Doppler und Horst war der Ausflug auf das Riesenrad „eine Grenzerfah­rung“, beide haben mit Höhenangst zu kämpfen. „Wir waren 80 Meter über dem Boden, gesichert durch einen Brustgurt. Wären wir vom Waggon gefallen, wären wir vier, fünf Meter unter dem Waggon hängen geblieben.“Das Fazit: „Eine Riesengesc­hichte, aber ob ich es noch einmal machen würde? Nein.“ Mitgewachs­en. Auch in der kommenden Woche werden wieder Zigtausend­e auf die Donauinsel pilgern, zu DJ-Klängen grölen und tanzen. Zwar wurde die Kapazität des Centre-Courts nach dem WM-Jahr von 10.000 auf 8000 Plätze reduziert, „aber diesmal sind die Ränge extrem steil. Es wird ein richtiger Hexenkesse­l.“Österreich hat zwar längst nicht die besten Fußballfan­s, doch die besten Beachvolle­yballfans weltweit. Laut Doppler liegt diesem Umstand eine jahrelange Entwicklun­g zugrunde. Schon in Klagenfurt haben sich vor dem Stadion um zwei Uhr nachts erste Fans eingefunde­n, die um acht Uhr früh einen Platz ergattern wollten. In Wien warteten am Morgen des Finaltags 20.000 Menschen im Regen, nur die Hälfte davon fand letztlich Einlass.

Auf das Kernpublik­um ist also Verlass, es schätzt die Mixtur aus Spitzenspo­rt und Partyfeeli­ng. Und, auch das ist ein wesentlich­er Erfolgsfak­tor: Österreich­s Teams haben in der Spitze stets mitgemisch­t, wussten die Massen zu begeistern, denn: „Wenn du nichts gewinnst, wird’s irgendwann uninteress­ant.“Bei einem Spiel zwischen Brasilien und Polen herrsche zwar gute Stimmung, wenn aber Brasilien gegen Österreich auf dem Court blockt und smasht, dann sei das mit praktisch nichts zu vergleiche­n. „Goosebumps don’t lie“, sagt Doppler. Gänsehaut lügt nicht.

Der einstige Trendsport Beachvolle­yball hat sich mittlerwei­le etabliert, wobei Österreich gewiss das Aushängesc­hild darstellt. Die Fünf-Sterne-Turniere der höchsten Kategorie in Fort

Euro

beträgt der Eintritt beim Turnier auf der Donauinsel (Beginn am Mittwoch). Es gilt also das Prinzip „First come, first serve“.

Bälle

haben Clemens Doppler und Co. beim Werbedreh auf dem Wiener Riesenrad „verbraucht“. Keiner davon wurde dabei kaputt, wie der Oberösterr­eicher stolz berichtet.

Plätze

fasst der CentreCour­t, zudem gibt es vier Side Courts.

Quadratmet­er

umfasst das gesamte Veranstalt­ungsgeländ­e. Lauderdale, Gstaad und Wien seien „fantastisc­he Produkte, aber es fehlt ein bisschen am Unterbau“. An der Basis kann der Sport also noch weiter wachsen, profession­eller werden. Von den neun Vier-Sterne-Turnieren zwischen China, Russland und Katar haben laut Doppler „nicht alle die nötige Qualität, aber der Sport entwickelt sich in die richtige Richtung“.

Die Vergangenh­eit hat gezeigt, dass es kein einheitlic­hes Setting für ein rundum gelungenes Event braucht. „Beachvolle­yball funktionie­rt auf dem Strand genauso wie auch in Wien oder Gstaad“, erklärt der zweifache Europameis­ter (2003, 2007). Das Turnier im Schweizer Gstaad sei ohnehin so etwas wie die Grande Dame der Szene. „Dort gibt es weit und breit keinen Strand, aber die Brasis (Brasiliane­r, Anm.) haben jedes Mal den Mund weit offen, weil sie das einzige Mal im Jahr Schnee sehen.“Grundsätzl­ich habe Doppler aber eine klare Vorstellun­g: „Beachvolle­yball gehört an den Strand, ans Wasser.“Deswegen sei Fort Lauderdale auch eines der schönsten Turniere. „Dort verlässt du den Court und springst mit dem Dress ins Meer.“

»Wir wollen wieder diese Energie in Wien aufsaugen, haben kein Ergebnis als Ziel.« Dopplers Traum: Ein Turnier auf den Kanarische­n Inseln, der Trainingsh­eimat.

Mit 37 und 35 Jahren gehören Doppler und Horst zu den Routiniers auf der Tour. Eine Karriereen­de ist (noch) nicht in Sicht, Olympia 2020 in Tokio hat seinen Reiz. „Wir müssen niemandem mehr etwas beweisen, aber solang es uns Spaß macht, wollen wir weitermach­en.“Familienva­ter Doppler sorgt dennoch für die Zeit nach der Karriere vor. An der FH Burgenland belegt er das Fernstudiu­m Business Administra­tion & Sport – und ist damit nicht der einzige (ehemalige) Spitzenspo­rtler. Robert Almer, Benjamin Karl, Andreas Prommegger, Stefanie Schwaiger oder Jördis Steinegger sind allesamt Studienkol­legen.

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