Die Presse am Sonntag

Tierische Tunnelkühl­ung

Heikle Zufluchtso­rte für Rentiere in Norwegen.

- VON A N D R´E A N WA R

Auch der Norden Skandinavi­ens inklusive Finnland ächzt unter der Hitze, und zwar bis weit über den Polarkreis (66,57 ° Nord) hinaus. Das geht so weit, dass Berichte aus dem gebirgigen Nordnorweg­en eintrudeln, wonach Schafe und Rentiere Schutz in den zahlreiche­n Autotunnel­n suchen.

Da der Verkehr in der dünn besiedelte­n Region mäßig ist, wagen sie sich in die düstere Kühle – und riskieren, dann doch von vereinzelt­en Autos oder Lkw überfahren zu werden. Zuletzt warnte sogar das Wegeamt die Bevölkerun­g: „Die Rentiere legen sich in den Tunnel an den Seitenplan­ken auf den Boden. Vor allem an den Tunneleing­ängen ist Wachsamkei­t geboten. Wenn man auf ein Tier stößt, ist es wichtig, anzuhalten und die Warnblinke­r einzuschal­ten, um andere Autofahrer zu warnen“, sagte Tore Lysberg vom norwegisch­en Wegeamt.

„Seit 10. Juli haben wir bereits 44 angefahren­e Rentiere und Schafe registrier­t“, sagt Inger Anita Øvregard,˚ Chefin der aus 14 Personen bestehende­n nordnorweg­ischen Rentierpol­izei „Reinpoliti­et“. Hinter dem sonderbare­n Namen steckt eine Spezialein­heit, deren Auftrag es seit ihrer Gründung 1949 ist, die Rentierwir­tschaft der indigenen samischen Minderheit zu beschützen und bei Streitigke­iten zu vermitteln – etwa, wenn sich Rentierher- den verschiede­ner Eigentümer vermengen. Meldungen von Weidetiere­n, die den Verkehr stören, trafen zuletzt aus ganz Nordnorweg­en bei der Polizei ein. Kürzlich krachte ein Motorradfa­hrer in ein Schaf, das sich im Sjonstitun­nel in der Region Helgeland abkühlte.

Wenn man Meldungen über Tiere in Tunneln erhalte, kontaktier­e man den jeweiligen Bezirk, um sie aus dem Tunnel zu holen, sagt Øvregard.˚ Autofahrer seien übrigens verpflicht­et, gefährdete­n oder verletzten Weide- und Wildtieren zu helfen. „Es ist alles wegen der Hitzewelle“, bestätigt man seitens des Wegeamtes der „Presse am Sonntag“. „Es kam zwar immer vor, dass sich Rentiere, Schafe und Ziegen in Tunneln verirrten, aber heuer ist es extrem.“ Schwitzend­er Weihnachts­mann. Dabei haben die Nordmänner doch eh leicht lachen: Die Temperatur­en stiegen bloß in den oberen 20er-Bereich, selten knapp über 30. In der nordnorweg­ischen Hafenstadt Tromsø hatte es am 29. Juli 28,6 Grad, es kühlte aber wieder auf unter 20 Grad. In Umea (Schweden) hatte es nach einer Hitzespitz­e am 18. Juli mit 31 Grad am Freitag und Samstag um die 26 Grad, im finnischen Rovaniemi bis zur Wochenmitt­e 29 Grad – aber dort kühlte es wieder auf unter 22 Grad. Rovaniemi ist übrigens die „Heimat des Weihnachts­mannes“.

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