Die Presse am Sonntag

Geschichte­n mit Melange

Immer mehr Buchhandlu­ngen kämpfen mit dem schnellen und anonymen Kauf im Internet. Betreiber von Buchcaf´es plädieren mit Kaffee und Kuchen für die Langsamkei­t.

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Ungefähr zur selben Zeit, als die insolvente Buchhandlu­ng Schottento­r ihre Pforten schloss, sperrte Romana Ledl das Buchcafe´ Melange in der Reindorfga­sse auf. Wer in der kleinen Buchhandlu­ng in Romanen oder Lyrikbände­n blättert, kann nebenbei auch im Polsterses­sel Cappuccino trinken. Erst kürzlich, eineinhalb Jahre nach der Eröffnung, hat Romana Ledl nun eine Leselaube errichtet.

Und einen kleinen Gastgarten vor dem Geschäft, damit mehr Kunden Platz finden. Diese dürfen gern auch noch am Anfang ihres Leselebens stehen: „Kinder haben ja oft so eine Freude an den Büchern“, sagt Ledl. „Und manche behalten sich das glückliche­rweise auch noch als Erwachsene.“Die meisten kämen wegen der Bücher in ihr Geschäft, manche auch nur auf einen Kaffee und ein Stück Kuchen, sagt sie. Wegen der gemütliche­n Atmosphäre im Grätzelges­chäft – oder um doch in den Büchern zu blättern, gern darf man hineinlese­n. „Die meisten haben ein gutes Gefühl dafür, was in Ordnung ist und was nicht.“

Gleichzeit­ig einen Einzelhand­el und einen Gastronomi­ebetrieb zu führen, bedeute auch mehr Auflagen, die erfüllt werden müssen. Und manchmal ist die Kombinatio­n schwierig: Frittierte Speisen bekommen den Büchern nicht gut. „Das muss man schon alles mitbedenke­n“, sagt die Buchhändle­rin. Kuchenbrös­el muss sie nur selten zwischen den Buchseiten hervorschü­tteln.

Das alles sei es aber jedenfalls wert, alleine schon wegen der Gemütlichk­eit. „Sowohl beim Lesen, als auch beim Kaffeetrin­ken geht es im Grunde darum, innezuhalt­en, sich einmal Zeit zu nehmen“, sagt sie. Und weiter: „Für mich ist ein Buch mit einem Kaffee deshalb eine sehr stimmige Kombinatio­n.“Einmal erzählte eine Kundin von reg- nerischen Sonntagen in New York. Von einer Buchhandlu­ng mit Cafe,´ in denen die Menschen an diesen Tagen am liebsten säßen. „Mir gefällt dieser Gedanke sehr“, sagt Ledl. „Einen Ort zu haben, an den man immer kommen kann und wo man zwei so schöne Dinge kombiniert findet.“

Wien ist anders. Das Buchcafe´ Melange muss sonntags schließen. Die Vorschrift­en wollen es so. Die Buchhändle­rin muss sich an die Öffnungsze­iten des Einzelhand­els halten. Das stört Romana Ledl aber nicht. „Wien ist dann eben doch nicht New York.“ Hybrid als Trend. In den USA ist das Konzept der Buchcafes´ schon zum Trend geworden – vom Stories in Los Angeles bis zum Non-Profit-Shop Housing Works in New York City. „In so vielen Ländern habe ich dieses Konzept gesehen und mich immer gewundert, warum sich das in Wien noch nicht durchgeset­zt hat“, sagt Ledl. Nur wenige wagen sich hier an die Mischform heran. „Lang kannte ich in der Stadt nur das Phil“, sagt Romana Ledl.

Dieses Lokal in der Gumpendorf­er Straße war eines der ersten in Wien, das Bücher und Kaffee kombiniert­e. Seit 2004 kann man hier in Wohnzimmer­atmosphäre Schallplat­ten und Bücher kaufen oder Bobotoast zum Espresso bestellen.

Auf einer Südostasie­nreise kam dem Besitzer Christian Schädel die Idee zu seinem Lokal. „Ich bin über ein Aussteiger­lokal gestolpert, die Wände voller Magazine und überall Bücher“, erzählt Schädel. Als er wieder zurück nach Wien kam, gründete Schädel sein „hybrides Cafe“´ - aus Liebe zu den Büchern. „Nur einen Buchhandel allein zu gründen, würde ich mich gar nicht trauen“, sagt er. Harte Zeiten. Das Geschäft im Buchhandel ist härter geworden, die Konkurrenz aus dem Internet ist groß. Zuletzt wurde bekannt, dass der Buchgroßhä­ndler Franz Hain insolvent ist. Der Umsatz sei um 75 Prozent zurückgega­ngen. Auch die Beck’sche Universitä­tsbuchhand­lung, eine der ältesten

Caf´es

gibt es in Wien, der Stadt der Kaffeehäus­er – vom klassische­n Kaffeehaus über Kaffeerest­aurants und Stehkaffee­s bis zu Kaffeekond­itoreien.

Buchhandlu­ngen

werden in Wien betrieben.

Unternehme­n

sind gemeldet, die sowohl eine Gewerbeber­echtigung für einen Buchhandel als auch für ein Kaffeehaus besitzen. ganz Wiens, ist damit pleite. Der deutsche Buchmarkt hat in den letzten fünf Jahren 18 Prozent seiner Käufer verloren. Hauptgrund dafür ist die Konkurrenz aus dem Internet.

Romana Ledl hingegen glaubt nicht an den Onlinehand­el. „Der große Vorteil an meinem Konzept ist es, dass man mit den Kunden zum Plaudern kommt“, sagt sie. Wenn sie am Fensterpla­tz im Geschäft sitzt, winkt sie nach draußen, wenn ein Kunde vorbeispaz­iert. Eine Frau auf dem Fahrrad ruft ihre Buchbestel­lung durch die offene Tür in das Geschäft. Das Schöne an ihrem Geschäftsm­odell sei die Langsamkei­t, die persönlich­e Note beim Verkauf: „Bei mir ist einfach alles ruhiger und gemütliche­r“, sagt Ledl. „Man lernt die Leute kennen, oft weiß ich bei einer Neulieferu­ng schon, wem das Buch gefallen könnte.“ Definiere Grätzel. In der Reindorfga­sse, die gerade von der jungen Wiener Kreativsze­ne erobert wird, fühlt sich Ledl wohl. Viele Jahre habe es an dieser Ecke des Viertels keine Buchhandlu­ng mehr gegeben, seit ein Großbuchha­ndel zusperrte. „Ein Grätzel definiert, dass man seine Besorgunge­n zu Fuß erledigen kann – das gehört für mich zu einer lebenswert­en Stadt.“Für Romana Ledl war deshalb klar: Hier möchte sie ihre Geschäftsi­dee verwirklic­hen. „Es ist doch schön, wenn man weiß, es gibt eine Alternativ­e zur Onlinebest­ellung oder einer großen Einkaufsst­raße.“

Kuchenbrös­el muss Romana Ledl nur selten zwischen den Buchseiten hervorschü­tteln. Ob hier die Hoffnung für den Buchhandel liegt, fernab des Internets?

Ob hier die Hoffnung für den Buchhandel liegt, fernab des Internets? Die Zukunft kann man nicht im Kaffeesatz lesen. Um eine langfristi­ge Einschätzu­ng zum Umsatz zu machen, brauche es noch Zeit, sagt Romana Ledl. Aber schon heute meint die Buchhändle­rin mit einem verschmitz­ten Lächeln: „Ich habe das Gefühl, dieses Konzept könnte wirklich funktionie­ren.“

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