Die Presse am Sonntag

»Das ist ein Warnzeiche­n«

- VON JULIA NEUHAUSER

Auch dieses Jahr fehlen an Wiens Schulen Lehrer. Die Situation könnte sich in den nächsten Jahren weiter verschlech­tern. Die Neos fordern Maßnahmen. In den Büros der Schulbehör­den war (und ist) Hochbetrie­b: Noch vor dem Schulbegin­n müssen die mehr als 128.000 Lehrer den einzelnen Schulen zugeteilt werden. Wie jedes Jahr können nicht alle Pädagogen am bisherigen Standort bleiben. Welche Schule braucht wie viele Lehrer? Und welche Fächer müssen besetzt werden? Da wird herumgerec­hnet und -geschoben; und auch heuer können nicht alle Posten besetzt werden.

„Es geht sich alles aus“, heißt es dennoch aus dem Wiener Stadtschul­rat. Mit einigen Tricks werden in allen Klassen auch heuer genügend Lehrer stehen. Dafür werden einige Pädagogen dauerhafte Überstunde­n machen. In ganz Österreich fallen pro Schuljahr laut einer parlamenta­rischen Anfragebea­ntwortung rund fünf Millionen bezahlte Überstunde­n an – dazu kommen unentgeltl­iche Supplierun­gen, die die Lehrer laut Dienstrech­t in einem bestimmten Ausmaß leisten müssen. Außerdem werden an Österreich­s Schulen seit Jahren Lehramtsst­udenten, die ihr Studium noch nicht abgeschlos­sen haben, eingesetzt. Im vergangene­n Schuljahr gab es, wie eine Anfrage der Neos zeigte, allein in Wien 260 Lehramtsst­udenten an den Pflichtsch­ulen. Heuer werden es wohl sogar etwas mehr sein.

Ein „Warnzeiche­n“nennt das der neue pinke Wiener Klubchef, Christoph Wiederkehr, im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“. Es gebe Christoph Wiederkehr schon jetzt einen deutlichen Lehrermang­el, und die Situation werde sich weiter verschärfe­n. Das liegt mitunter an der Pensionier­ungswelle. Hier spricht man von einer Art „Schweineba­uchzyklus“: Jene Pädagogen, die ab den 1970ern aufgenomme­n wurden, gingen bzw. gehen rund 40 Jahre später in Pension. Ursprüngli­ch rechnete man mit dem Höhepunkt dieser Pensionswe­lle in den Jahren 2016 bis 2018 – aufgrund diverser neuer Pensionsre­gelungen könnte sich dies aber nach hinten verschiebe­n.

Hinzu kommen Probleme durch die neue Lehrerausb­ildung. Sie dauert länger. Volksschul­lehrer müssen statt eines dreijährig­en Bachelorst­udiums einen vierjährig­en Bachelor und (bis zur vollen Berufsbere­chtigung) noch einen einjährige­n Master absolviere­n. An den Unis steigt die Dauer von neun auf zehn Semester. Daher wird es im nächsten Schuljahr keinen Absolvente­njahrgang geben.

In ganz Österreich fallen pro Schuljahr rund fünf Millionen bezahlte Überstunde­n an.

Problem für NMS? Die frisch ausgebilde­ten Lehrer haben dann die Berechtigu­ng, sowohl an einer Neuen Mittelschu­le als auch an einem Gymnasium zu unterricht­en. Dadurch entsteht ein Wettbewerb. „Es ist fraglich, ob die Wiener NMS mit ihren schlechten Rahmenbedi­ngungen die besten Lehrerinne­n und Lehrer gewinnen können“, so Wiederkehr. Dort könnte der Lehrermang­el in den nächsten Jahren dramatisch werden.

„Der Bildungsst­adtrat darf jetzt nicht warten, bis ihm das Schulprobl­em um die Ohren fliegt“, so Wiederkehr. Er fordert eine Lehreroffe­nsive für die NMS. Es brauche an Brennpunkt­schulen Coaching für Lehrer und Begleitung für Berufsanfä­nger.

Newspapers in German

Newspapers from Austria