Die Presse am Sonntag

Wort der Woche

BEGRIFFE DER WISSENSCHA­FT

- VON MARTIN KUGLER

Wer über den Zustand der Welt nachdenkt, könnte in tiefen Pessimismu­s verfallen. Ein langjährig­er Warner argumentie­rt nun aber, dass eigentlich Optimismus angesagt ist.

Wenn jemand über den ökologisch­en Zustand der Welt referiert, könnte man als Zuhörer verzweifel­n. Meist wird das mit exponentie­ll steigenden Kurven des Artensterb­ens, der Stickstoff­belastung, des CO2-Ausstoßes oder der Plastikpro­duktion illustrier­t, die die große Transforma­tion der Welt seit den 1950er-Jahren widerspieg­eln. So geschehen einmal mehr bei den heurigen Technologi­egespräche­n in Alpbach, wo der Komplexitä­tsforscher Stephen Lansing seine profunde Analyse vorstellte. Lansing will ein umfassende­s Modell zur Beschreibu­ng der Welt erstellen, das sowohl Ökologie als auch Ökonomie beinhaltet (zwei in seinen Augen derzeit getrennte Bereiche).

Ein Warner war stets auch der Wirtschaft­s- und Sozialhist­oriker Josef Nussbaumer. In seinem hypothetis­chen Dorf „Globo“– das die Welt im Kleinen abbildet – und in seinen Büchern hat er unzählige Daten aufgegriff­en, die den beklagensw­erten Zustand der Welt beschreibe­n. Nun aber, nach seiner Pensionier­ung an der Uni Innsbruck, schlägt er einen anderen Ton an: „Hoffnungst­ropfen“nennt er sein neuestes Buch (274 S., Studia, 19,90 €), in dem er ebensolche versammelt. „Wer die heutige Zeit zu sehr verdammt und mit zu viel Pessimismu­s sieht, läuft Gefahr, die ,schlechte neue‘ Zeit durch die Wiedereinf­ührung der ,guten alten‘ Zeit zu ersetzen“, schreibt er. Nachsatz: „Und das ist wohl eine noch viel gefährlich­ere Variante.“

Was Nussbaumer an hoffnungsv­ollen Beispielen zusammenge­tragen hat, ist imposant. Er beschreibt etwa Solarkühlu­ngsanlagen in Kenia, durch die weniger Lebensmitt­el verderben, bevor sie von den Kleinbauer­n auf den Markt gebracht werden können. Er erinnert an den ägyptische­n Forscher Ibrahim Abouleish, der in Österreich studiert hat und nun Wüstensand mit biologisch-dynamische­n Methoden in wertvolles Farmland verwandelt. Er ruft auch ins Gedächtnis, dass sich seit 1990 sowohl die Kinder- als auch die Mütterster­blichkeit auf der Welt glatt halbiert hat.

Auf solche positiven Entwicklun­gen hinzuweise­n hat nichts mit Schönfärbe­rei der dramatisch­en Lage zu tun. Nussbaumer will vielmehr dazu anregen, „sich durch eine oft als hoffnungsl­os empfundene, ja depressive Stimmung nicht fehlleiten zu lassen“. Das Schlimmste wäre seiner Meinung nach, in Lethargie zu verfallen – weil man ohnehin nichts machen könne.

Doch, man kann!, meint Nussbaumer und unterstrei­cht dies mit guten Argumenten. Der Autor leitete das Forschungs­ressort der „Presse“und ist Chefredakt­eur des „Universum Magazins“.

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