Achtsamkeit als das neue Joggen – nur diesmal für den Kopf
Peter Bostelmann ist der erste Achtsamkeits-Manager der Welt bei einem Großkonzern. Er hält diesen Trend für die nächste große Lifestylerevolution, ähnlich der Akzeptanz von Sport und gesunder Ernährung. Langsam kommen Meditation und Mind Control aus dem
Tagelanges Schweigen, Meditieren, Achtsamkeitsseminare. Für Peter Bostelmann war das nichts. Er, Ingenieur, IT-ler, Manager, belächelte es, als seine damalige Partnerin begann, sich für solche Dinge zu interessieren, erzählt er heute. „Dann habe ich miterlebt, wie verändert sie aus solchen Retreats zurückgekommen ist, wie es ihr offenbar gut tat, und habe mir das angesehen.“
Dann ging es schnell. Der nüchterne Deutsche, überhaupt nicht der klassische Typ des Meditierenden, wenn man in solchen Klischees denken will, machte seine ersten Meditations- und Schweigeseminare. Das Thema fängt ihn. „Man kann sich das vorstellen wie eine Schneekugel. Erst ist alles wild durcheinander gewirbelt, und mit der Zeit legen sich die Flocken, alles wird klarer und klarer.“Heute gilt Bostelmann als Koryphäe auf diesem Gebiet. Er lebt im Silicon Valley, von wo aus der Hype um Achtsamkeit in Unternehmen nun ausstrahlt. Bostelmann war dort der erste Director of Global Mindfulness Practice, der erste AchtsamkeitsManager in einem Weltkonzern. Mittlerweile sind einige gefolgt. Diese Woche war Bostelmann im Rahmen eines Achtsamkeits-Schwerpunkts beim Forum Alpbach zu Gast. Dort erzählte er, wie sich das Thema in der Wirtschaftswelt etabliert. Und was dieser inflationäre Begriff eigentlich heißt. Keine Lehre, nur neuer Fokus. „Eine Definition, die ich gut finde, ist, präsent zu sein. Das, was man tut, was ist, die Umwelt wahrzunehmen. Achtsamkeit ist die Fähigkeit, seine Aufmerksamkeit in einer offenen, ruhigen Haltung zu regulieren und das, was ist, anzunehmen.“Dabei sei Achtsamkeit keine Idee, Ideologie oder etwas Spirituelles, nichts, das man dazulernen oder sich anlesen könnte. „Es ist etwas, das man tut, ein zur Ruhe kommen, Fokussieren. Nichts, das von Außen kommt, sondern ein Fokus auf das, was da ist. Ein in Kontakt kommen mit der inne- ren Stimme.“Auch, um vom kognitiven Denken ins Wahrnehmen zu kommen.
Johannes Narbeshuber erklärt Achtsamkeit als die Fähigkeit, „Aufmerksamkeit bewusst zu steuern. Wir lernen, zu entscheiden, ob wir abgespaced mit unseren Gedanken irgendwo anders sind oder im Moment leben“. Narbeshuber ist Wirtschaftspsychologe, Unternehmensberater bei Trigon und Vorstand des österreichischen Bundesverbandes für Achtsamkeit (ÖBAM). Seine Auseinandersetzung mit dem Thema kam im fast klassischen Weg: Unternehmensberater, erfolgreich, schwer beschäftigt, aber „irgendwie ist mir die Musik abhanden gekommen. Rückenschmerzen, Schlafstörungen, Sinnfragen.“Die Klassiker einer Arbeits- und Lebenswelt, in der Überforderung, Reizüberflutung, Stress bis hin zum Burn-out Dauerthe- ma sind. „Wir sind permanent neben der Spur“, sagt Narbeshuber. Als Gegenmittel fand er Achtsamkeitspraktiken – die sein Leben verändert haben: „Ich schlafe gut, bin sehr präsent, kann mit Stress gut umgehen. Es geht mir gut.“
Was ist es also, das die Veränderungen bringt? Narbeshuber erzählt aus dem Alltag: Drei Mal täglich praktiziert er. Morgens in Verbindung mit Yogaübungen, abends Atem- und Tagesrückblick-Übungen, „Journaling“etwa. Das ist nichts anderes als das gute alte Tagebuchschreiben, bloß systematisch: indem man Sätze wie „Ich habe mich gefreut/geärgert, dass...“vervollständigt. Das hilft, Gedanken zu sortieren, loszulassen, Dankbarkeit zu üben. Oder, sich Muster oder Stressfaktoren bewusst zu werden – und zu verändern.
Bei ihm, so Narbeshuber, nehmen Achtsamkeitsübungen ein, zwei Stunden täglich in Anspruch, „das spiele ich durch erhöhte Effizienz herein“. So viel Zeit muss ein Einsteiger nicht aufwenden. „Das Gute ist: Neurowissenschaftliche Forschung zeigt, dass vier Minu-
»Achtsamkeit, das ist die Fähigkeit, Aufmerksamkeit bewusst zu steuern.«