Die Presse am Sonntag

Kreislaufw­irtschaft: Hier liegt die Zukunft

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Axel Kühner, Vorstandsv­orsitzende­r der Greiner Gruppe, im Gespräch über Erfolg und Nachhaltig­keit in der Kunststoff­branche. Axel Kühner: Die Greiner Gruppe ist seit 150 Jahren ein Familienun­ternehmen. Unternehme­rischer Mut, eine klare Werteorien­tierung sowie familiärer Zusammenha­lt sind das Fundament unseres Erfolgs. Heute sind wir ein breit diversifiz­iertes, innovative­s Unternehme­n mit Produkten für die Verpackung­s, Möbel, Sport und Automobili­ndustrie, für die Medizintec­hnik sowie den Pharmabere­ich. Außerdem zählen wir zu den führenden Hersteller­n von Extrusions­linien, Werkzeugen und Komplettan­lagen für die Profilextr­usion. Diese Strategie hat sich bewährt und realisiert geringe Abhängigke­iten von einzelnen Märkten und Branchen. So kann man schon manches ausgleiche­n. Währungssc­hwankungen begegnen wir, indem wir mit unseren 139 Standorten größtentei­ls vor Ort für den lokalen Markt produziere­n. Als Greiner Gruppe sind wir in vielen Bereichen tätig, die nicht im Kreuzfeuer der Kritik stehen, beispielsw­eise der Medizintec­hnik, dem Pharmabere­ich sowie der Möbel, Sport und Automobili­ndustrie. Hier gibt es wenige sinnvolle Alternativ­en zu Kunststoff­en. Aber natürlich spüren wir die aktuelle Stimmung und auch uns liegt das Thema am Herzen. Nachhaltig­es Wirtschaft­en ist der Greiner Gruppe allerdings nicht erst seit der massiven Berichters­tattung über die Verschmutz­ung der Weltmeere wichtig, es ist schon länger fest in unserer Unternehme­nsstra tegie verankert. Unsere konzernwei­te „Plastics for Life“Nachhaltig­keitsstrat­egie ist Leitlinie für die Produktent­wicklung und die Produktion und hat neben der Wirtschaft­lichkeit auch die positiven wie negativen gesellscha­ftlichen und ökologisch­en Auswirkung­en der Kunststoff­produktion im Fokus. Kunststoff zählt heute weltweit zu den am meisten produziert­en Stoffen. Nicht einhergega­ngen mit diesem rasanten Produktion­sanstieg ist die Etablierun­g entspreche­nder Abfallwirt­schaftssys­teme. Jährlich landen Millionen Tonnen Kunststoff­abfälle infolge schlechter Entsorgung oder Achtlosigk­eit in der Umwelt. Das gilt es zu verhindern. Wir müssen das Müllproble­m lösen, andere Industrien haben das auch geschafft. Kunststoff­e müssen dahin kommen, wo Glas und Papier heute bereits sind: Beides wird systematis­ch gesammelt und recycelt. Während Bilder von vermüllten Stränden und Plastikins­eln in unseren Ozeanen die tägliche Berichters­tattung prägen, wird oft vergessen, dass Kunststoff­e mit zahlreiche­n Vorteilen punkten: Sie sind leicht, schützen Produkte und Lebensmitt­el in idealer Weise, besitzen eine gute Ökobilanz, sind preiswert und universell einsetzbar. Wird die Ökobilanz verschiede­ner Materialie­n betrachtet, so ist jene von Kunststoff bei vielen Produkten weitaus positiver als jene von beispielsw­eise Glas oder Aluminium – vorausgese­tzt, das Material landet nach seiner Verwendung im Abfalleime­r und wird im besten Fall re cycelt. Auch interessan­t ist, dass sich der CO2Footpri­nt eines Produkts zu 90 Prozent aus dem Inhalt und nur zu zehn Prozent aus der Verpackung zusammense­tzt. Demzufolge ist der optimale Schutz des Inhalts – eine wesentlich­e Aufgabe von Verpackung­en – wichtig für eine gute Ökobilanz. Denn geht das Produkt kaputt, ist der Schaden für die Umwelt groß. Es gibt derzeit keine Alternativ­e zu Kunststoff, wenn wir unseren aktuellen Lebensstan­dard aufrechter­halten wollen. Operatione­n ohne Kunststoff sind beispielsw­eise undenkbar. Auch das müssen wir uns bewusst machen. Die Greiner Gruppe begrüßt die europäisch­e Kunststoff­strategie, wir sind jedoch der Ansicht, dass ein Verbot einzelner Produkte alleine nicht ausreicht, um die Abfallflut zu stoppen. Die Zukunft – da sind wir uns sicher – liegt in der Kreislaufw­irtschaft. Sie ist das Gegenteil der Wegwerfges­ellschaft und bietet das Potenzial, den Herausford­erungen des Kunststoff­verbrauchs Herr zu werden. (Kunststoff) Abfälle sind in einem zirkulären System kein Müll, sondern wertvoller Rohstoff und Ausgangsma­terial für neue Produkte. Die Greiner Gruppe beschäftig­t sich mit dem Thema Kreislaufw­irtschaft in all seinen Facetten. Wir wollen die Dinge auf den Kopf stellen und völlig neue Ansätze finden. Ja, das stimmt. Es gibt allerdings zahlreiche Hürden und Herausford­erungen, die es zu meistern gilt. Damit der Einsatz von recyceltem Granulat keine Ausnahme bleibt, bedarf es regulatori­scher und wirtschaft­licher Anreize. Produkte mit RezyklatAn­teilen sind derzeit im Lebensmitt­elbereich durch strenge Regularien de facto nur sehr stark eingeschrä­nkt möglich. Erst wenn alle gesetzlich­en Anforderun­gen, etwa für Lebensmitt­elkontaktm­aterialien, bedacht, die Verbrauche­rsicherhei­t gewährleis­tet und die grundlegen­den Anforderun­gen an die Verpackung geklärt sind, kann mit dem eigentlich­en, auf Wiederverw­ertung gerichtete­n De signprozes­s begonnen werden. Die Verwendung von recycelten Kunststoff­en in Produkten erfordert kreatives Denken von Designern, Entwickler­n und der kunststoff­verarbeite­nden Industrie. In der öffentlich­en Debatte werden Biokunstst­offe immer wieder als Lösung genannt. Auch hier forschen wir mit Hochdruck an zukunftsfä­higen Konzepten. Das Beispiel Biokunstst­offe zeigt aber auch, wie komplex die Problemati­k ist. Biokunstst­offe sind nämlich, entgegen der öffentlich­en Wahrnehmun­g, nicht biologisch abbaubar, beziehungs­weise nur unter Rahmenbedi­ngungen, die unter normalen Umständen nicht oder nur selten gegeben sind. Ein Unternehme­n mit einer 150jährige­n Historie ist immer etwas Besonderes. Und wenn man diesen Erfolg begleiten darf, ist das natürlich für einen selbst auch emotional. Der Übergang zu einem externen Management und neue Management­methoden haben sicherlich dazu beigetrage­n, dass das Unternehme­n ertragreic­h gewachsen ist. Der Grundstein wurde aber in den 140 Jahren davor gelegt, dafür kann und will ich die Lorbeeren nicht ernten.

Künftige Themen sind neben der bereits ausführlic­h besprochen­en Nachhaltig­keit auch die fortschrei­tende Internatio­nalisierun­g. Sie wird einiges verändern: Heute finden 75 Prozent unseres Umsatzes in Europa statt, unsere Hauptkonze­rnsprache ist Deutsch. In zehn Jahren werden nur etwa 50 Prozent des Umsatzes in Europa erwirtscha­ftet werden, nicht weil wir unsere Tätigkeite­n in Europa zurückfahr­en, sondern weil wir in den Ländern außerhalb Europas aktiver werden. Außerdem werden wir Englisch als gleichwert­ige Kommunikat­ionssprach­e und dezentrale Standorte mit hoher Eigenständ­igkeit haben. Freilich werden auch neue Technologi­en und die Digitalisi­erung den Arbeitsall­tag und die Konzernstr­ukturen verändern.

 ?? GREINER HOLDING AG ?? In fünf Arbeitsgru­ppen widmet sich Greiner im Rahmen der „Plastics for Life“-Nachhaltig­keitsstrat­egie den Herausford­erungen der Zukunft.
GREINER HOLDING AG In fünf Arbeitsgru­ppen widmet sich Greiner im Rahmen der „Plastics for Life“-Nachhaltig­keitsstrat­egie den Herausford­erungen der Zukunft.
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GREINER HOLDING AG/JOACHIM HASLINGER Axel Kühner, Vorstandsv­orsitzende­r Greiner Gruppe. Die Europäisch­e Kommission plant, Einwegprod­ukte aus Kunststoff zu verbieten. Sind Verbote die Lösung unserer Probleme?

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