Der mausgraue Verschönerer von Moskau
Bürgermeister Sergej Sobjanin, dessen Amtszeit heute verlängert wird, hat Russlands Hauptstadt mit einem Milliardenbudget ein Facelift verpasst. Das spricht die Kreml-kritische Mittelschicht an. Oppositionelle wittern korrupte Geschäfte.
Auf der Bühne wiegt sich Alexej Worobjow zu Poprhythmen und schmettert dem größtenteils weiblichen Publikum drei Wörter entgegen: „Ja tebja ljublju“– „Ich liebe dich“. Teenies und ihre Eltern kennen den jungen Mann mit der Föhntolle aus dem Fernsehen. An diesem Abend tritt der Sänger in Moskau auf, um für Bürgermeister Sergej Sobjanin zu werben. Nach dem Lied fragt der Moderator Worobjow, ob er denn wählen gehen werde, das sei bekanntlich „sehr modern“. „Natürlich“, antwortet der Jungstar. „Moskau ist eine tolle Stadt. Seht, an welch tollem Platz wir uns heute versammeln können.“Im Hintergrund leuchten Buchstaben auf. „Für Sobjanin“ist die unzweideutige Botschaft.
Der Event findet im Epizentrum des neuen Moskau, wie es Sobjanin seit acht Jahren geprägt hat, statt. Am heutigen Sonntag wird er für weitere fünf Jahre im Amt bestätigt werden. Ernstzunehmende Konkurrenten gibt es keine, die echte Opposition ist – anders als noch vor fünf Jahren – nicht zugelassen. Entscheiden können die mehr als sieben Millionen Wahlberechtigten nur darüber, ob sie an der Akklamation des Kreml-Kandidaten teilnehmen oder zu Hause bleiben.
Seit der Entlassung des skandalumwitterten Jurij Luschkow im Jahr 2010 ist Sobjanin Bürgermeister der zwölf Millionen Einwohner zählenden Stadt. Als der Kreml ihn an die Macht hievte, überwog Skepsis. Der 60-Jährige ist kein „Moskwitsch“, kein Moskauer, er stammt aus Sibirien. Sein grau meliertes Haar trägt er als Bürstenschnitt, dazu graublaue Anzüge.
Sobjanin versucht erst gar nicht, sein fehlendes Charisma zu übertünchen. Auf den Wahlplakaten ist er nicht zu sehen. Stattdessen kann man hundertfach seine Slogans lesen: Moskau soll noch komfortabler, schöner, sauberer und sicherer werden. Lebensqualität ist der Kernbegriff der Sobjanin’schen Ideologie. Der Stadtchef stilisiert sich als besonnener Technokrat, als effektiver Manager, der sich mit den besten Experten umgibt. Er hat in seiner achtjährigen Regentschaft dem vormals grauen Moloch Moskau ein Facelift verpasst, das bereits stilbildend ist.
Laut »Time«-Magazin zählt der Park zu den »Great Places« der Gegenwart.
Ein paar Schritte von der Bühne der Wahlkämpfer entfernt liegt der GorkiPark. Er diente als Experimentierfeld für die Verwandlung Moskaus: Im bestens gepflegten Grün gibt es WLAN, Coffeeshops und eine Galerie, der Park gilt heute als hipper Ort. Im Westen, entlang der Uferpromenade der Moskwa, winden sich verspielt Fahrradwege und laden ergonomische Holzbänke zum Verweilen ein. Spaziert man weiter in Richtung Kreml, gelangt man zum Sarjadje-Park, dem neuesten Vorzeigeprojekt Sobjanins. Eine Symbiose aus Hightech und Landschaftsdesign, samt Amphitheater und Konzerthalle, Eishöhle und transparenter Aussichtsplattform über dem Moskwa-Fluss. Kosten: mindestens 22 Milliarden Rubel, umgerechnet 278 Millionen Euro. Das „Time“-Magazin reihte ihn unter die „Greatest Places“des Jahres 2018. So beliebt ist er bei Besuchern, dass es zu einem pikanten Phänomen kommt: Die Polizei greift immer wieder Pärchen auf, die den Geschlechtsakt im Designpark vollziehen.
Doch nicht nur Grünflächen werden von Sobjanins Planern aufgewertet. Man verengt Straßen, damit Fußgänger auf breiten Trottoiren mit üppigen Blumentrögen flanieren können. Plätze werden alle paar Wochen mit neuen Attraktionen bespielt. In Hinter-