»Ich liebe das grottigste Theater«
Schauspieler Fabian Krüger ist ab Dienstag im Burgtheater in »Mephisto« nach dem Roman von Klaus Mann, Sohn Thomas Manns, zu sehen. »Man wird behandelt wie ein Adeliger«, sagt er über das altehrwürdige Haus am Ring.
Der Roman „Mephisto“spielt im Künstlermilieu von 1926 bis 1936. Viele arrangieren sich da mit den Nazis, etwa der Protagonist Hendrik Höfgen, in dem Zeitgenossen Theaterstar Gustav Gründgens zu erkennen glaubten. Was blieb vom Stoff übrig? Fabian Krüger: Einzelne Stationen werden erzählt, die wesentliche Handlung zusammengefasst, manche Figuren wurden zu einer zusammengenommen, verändert. Ich spiele Sebastian, eigentlich Klaus Mann, und ich bin der Erzähler. In meinem Kopf findet die Geschichte statt. Meine Erinnerung geht los, und Nicholas Ofczarek, als Teufel, erscheint. Was ist für Sie das Auffälligste an Klaus Mann, dem Sohn im Schatten des Vaters? Von dieser Vater-Sohn-Beziehung lasse ich lieber die Finger. Ich will da niemanden nachspielen. Mich interessiert vielmehr, was Sebastian, der viel beachtete Sohn aus einer bürgerlichen Elite, mit Höfgen, dem ehrgeizigen Nobody aus der Provinz, oder der dahinter stehenden Figur zu schaffen hat. Was will er von diesem Geschöpf, warum enttäuscht es ihn so? Das gefällt mir auch, weil ich Niki Ofczarek mag. Wir beide spielen eine beleidigte Diva. Diese Beziehung geht bis ins Erotische. Wie würden Sie die Geschichte aus der Sicht Ihrer Rolle zusammenfassen? Es geht um einen Autor in den Zwanzigerjahren, die Welt weiß nicht wohin, ist anfällig für vielerlei Strömungen. Da lernt er Höfgen kennen – Mephisto. Als Sebastian sich an diese Zeit erinnert, erlebt er sie erneut, setzt sich an die Schreibmaschine, um die Menschheit vor diesem Monster zu warnen. Es kann nämlich durch die Zeit reisen, erscheint wie bei Goethes „Faust“, wenn man es heraufbeschwört. Ein Schriftsteller aber, der sich derart in eine solche Figur hineindenken kann, muss auch Empathie für das Dämonische haben. Sehen Sie Parallelen zu heute? Da gibt es sicher Naheliegendes. Die Demokratien wackeln, Auswüchse des Kapitalismus machen mit einem Fingerschnippen viele Werte kaputt. Die Leute leiden darunter, rechte Parteien locken damit, dass sie ihnen wieder Wertgefühl verschaffen könnten. Langsam kippt das System ins Diktatorische. Das spürt man heute auch auf dem Theater, wenn es von manchen Politikern als Luxus für Bonzen erachtet wird, obwohl es doch eine wichtige demokratische Aufgabe hat. Die Zahlen müssen stimmen, gespielt wird, was gefällt. Der Erfolgszwang macht unfrei, Komplexes ist immer weniger gefragt. Mehr und mehr werden erfolgreiche Verwalter engagiert. Aber darum geht es mir in der Kunst nicht, sondern um Fantasie, Freiheit und Können. Um Leidenschaft und Mut. Um die Liebe am Hinterfragen. Dafür braucht man sehr viel Raum. Ich erlebe derzeit eine Verengung. Es geht um Macht, ums Durchhalten im heutigen Kulturbetrieb, um das Sichere. Der Markt regiert mit Mainstream. Solche Themen kommen im Roman vor. Es ist heute eine gute Zeit für Karrieristen. Wie haben Sie Ihre neun Jahre als Ensemblemitglied des Burgtheaters erlebt? Das war doch turbulent, mit einem skandalösen Abgang des Direktors und einer mühevollen Phase der Sanierung seit 2014. Die Frage habe ich voller Angst schon erwartet. Sie müssen nun aber auch die Geduld haben, mir bei etwas zuzuhören, wovon ich eigentlich keine Ahnung habe. Ich kann nicht sagen, wohin das Burgtheater geht. Ich erlebe es nur aus meiner Zaungastwarte und suche mir Aspekte aus, warum ich hierhergekommen und bisher geblieben bin. Beim großen Ganzen bin ich immer ein bisschen weltfremd. Ich wollte nie an das Burgtheater und weiß nicht, ob ein Gebäude mit Marmor und Blattgold einen überhaupt rufen kann. Matthias Hartmann hat mich einfach mitgenommen nach Wien, als er 2009 hier Direktor wurde. Ich bin sehr skeptisch hereingegangen, denn dieses Haus lebt sehr vom Mythos der Toten. Es ist ein Erinnerungsort. Das meine ich gar nicht zynisch oder despektierlich, im Gegenteil. Wie geht man denn als junger Schauspieler mit dieser Überfrachtung um? Der Ruhm des Hauses nervte mich oft. Man muss sogar in der Kantine das Renommee pflegen. Ich gebe zu, dass ich manchmal in unbeobachteten Momenten einige in Büsten verewigte Schauspieler unter der Nase gekitzelt habe. Zugleich schätze ich die Atmosphäre sehr. Man wird behandelt wie ein Adeliger. Ich weiß, dass auch das nur ein Spiel ist. Das habe ich in Wien gelernt. Dahinter steckt aber das Wesentliche: Ich lebe doch noch und bin einer von denen, die hier etwas Leben hereinpusten sollen, einer, der mit seinem schwachen Lünglein Mitgefühl erzeugt – auch wenn man hier das Metall, das Harte in den Stimmen am höchsten schätzt, das der Niki und der Michi, die Happel und der Joachim so gut beherrschen. Ich habe mir eben eine andere Nische gesucht als diese großen Helden. Die Empathie ist doch das Einzige, das ich konnte. Und man kann doch auch etwas Anderes erzählen. Zurück zur Frage. Wo soll es hingehen? Habe ich all diese Jahre wirklich erlebt? Manchmal. Aber zu wenig. Meist ist man doch solitär unterwegs. Das Burgtheater ist ein Riesenhaufen, keine solidarische Gemeinschaft. Oft liegen viele Jahre dazwischen, bis man wieder mit jemandem zusammenspielt. Schauspieler sind im Übrigen komplizierte Wesen. Bevor wir miteinander in einer offenen Art über den Beruf sprechen, müssen wir uns sehr gut und fein hegen, alle Waffen am Eingang ablegen und uns große Liebesgeständnisse zustecken. Der erste, mit dem ich das in mehr als 15 Jahren ernsthaft gemacht habe, mit einem Hauptdarsteller, das ist Niki. Da habe ich geheult. Wir spielen einander oft vor, bei ihm oder mir zuhause. Da ist dann nur ein Tisch dazwischen. Sie könne sich gar nicht vorstellen, wie unendlich peinlich das sein kann! Man ist nicht geschützt durch das Publikum, nur der Kühlschrank brummt in der Ecke. Und man muss bei solch höchst privaten Proben auch noch an die Nachbarn denken. Welche Art Theater schauen Sie gern an? Ich liebe das grottigste, schlimmste Theater. Denn gerade das Laienhafte zeigt doch, worum es auf der Bühne tatsächlich geht. Nirgends können sich Menschen so verraten wie auf der Bühne. Der verunglückteste Versuch, sich so darzustellen, wie man sich gern sehen würde, zeigt am ehesten die sinnlose Verlorenheit eines schutzlosen Menschen. Da erkenne ich mich dann selbst.